48 Stunden, 20.000 Kilometer, ein Pokal

von Thorsten Raedlein




Wolfenbüttel. Der Trip steckt ihm noch in den Knochen. Aber, für Holger Cleve war es ein besonderes Erlebnis. Er war live dabei, als Deutschland in Brasilien Weltmeister wurde. Auf WolfenbüttelHeute.de schildert er seine Erlebnisse.




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An der Copa Cabana… Foto:


Eigentlich hatte ich die WM schon als reine TV-Veranstaltung für mich abgehakt. Zu teuer, zu weit weg und zu gefährlich (wenn es nach meiner Freundin geht). Als ich aber vergangenen Donnerstag um  17.20 Uhr die Mails checkte und ein Angebot vom Fanclub-DfB sehe, keimt in mir die Hoffnung und mir kam da eine Idee. Auf dem Weg nach Hause wiege ich Vor- und Nachteile dieser Reise ab und komme ziemlich schnell zu dem Entschluss: Als Fußball-Fan muss ich diese Gelegenheit ergreifen. Zu Hause muss ich noch mit den Tücken den Internets kämpfen, aber 18.10 Uhr ist meine Bewerbung abgeschickt – jetzt heißt es nur noch hoffen.


Den ganzen Freitag keine Nachricht, ich reiche trotzdem auf Verdacht Urlaub ein. Freitag, 17 Uhr, endlich die positive Nachricht! Nur kam jetzt der härteste Teil: Ich muss meiner Freundin beichten, dass ich mich morgen auf nach Rio verabschiede… Aber auch das hat supergut geklappt und so mache ich mich Samstag um 14 Uhr auf die knapp 10.000 Kilometer weite Reise, die mich am Ende in den Fußball-Tempel, das Maracana, führen wird.




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Mit Christoph vorm Zuckerhut. Foto:


Auf dem Flughafen im Parkhaus treffe ich aus Zufall Christoph, mit dem ich den meisten Teil dieser Reise verbringen werde. Man ist sich sofort sympathisch und so beschließen wir uns für die Reise zusammen zu tun. In der Check-in-Warteschlange gebe ich noch ein Interview für einen französischen Radiosender und verspreche, dass wir als Weltmeister Frankreich in zwei Jahren besuchen werden. Die Stimmung an Bord des Fliegers ist trotz der knapp zwölf vor uns liegenden Flugstunden gut, die Vorfreude ist bei allen zu spüren. So vergeht die Zeit dann mit einem kleinen Nickerchen, einem Film und vielen Gesprächen im wahrsten Sinne des Wortes wie im Flug.




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Blick vom Zuckerhut. Foto:


Nach kurzem Transfer stehe ich mit vielen anderen morgens um 5.30 Uhr Ortszeit am Strand der Copa Cabana. Mich überkommt ein unwirkliches Gefühl, hätte man mir das vor drei Tagen gesagt, ich hätte jeden für verrückt erklärt. So genieße ich jedoch die aufgehende Sonne und wir planen den Tag. Mit Caner, seinem Sohn Mert und Christoph beschließen wir den Tag nicht im errichteten Fan-Camp zu verbringen, sondern die Metropole ein wenig zu erkunden.




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Maracana. Foto:


Der Zuckerhut soll das Ziel sein, jedoch stellt sich eine Taxifahrt als recht schwierig heraus, wenn man kein einheimisches Geld hat und kein Portugiesisch spricht. Die Taxifahrer sprechen selbstverständlich auch kein Englisch. Beide Probleme werden schnell überwunden und so stehen wir bald vor der Seilbahn am Zuckerhut und machen uns auf den Weg nach oben. Dort angekommen wollen wir noch höher hinaus und überzeugen uns gegenseitig, dass wir noch nicht genug Geld ausgegeben haben und dass wir auch noch nicht genug geflogen sind – also buchen wir einen Helikopterflug über Rio.


Dieser ist an dem sonnigen Tag absolut atemberaubend. Unter uns erstreckt sich das riesige Rio de Janeiro, der Copa Cabana, die Christo Redentor (Statue) und natürlich das Maracana. Nach der Landung gönnen wir uns erst mal eine kleine Verschnaufpause. Was wir alles schon erlebt haben ist der Wahnsinn. Und es ist erst 9.30 Uhr morgens!


So schlendern wir noch ein wenig am Zuckerhut herum, genießen die Aussicht und nutzen nach einer Weile die Gondeln nach unten. Dort liegt in einer Bucht ein kleinerer Strand, der sich als viel schöner als der langgezogene Copa Cabana herausstellt. Nachdem wir einige Fans aus Bolivien getroffen haben, machen wir uns dann aber langsam in Richtung Stadion auf, schließlich fängt das Spiel schon 16 Uhr an und wir wollen vorher noch etwas essen.




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Mit einem brasilianischen Fan vor dem Zuckerhut. Foto:


Wieder wird ein Taxi gerufen und wieder versuchen wir dem Taxifahrer mit Händen und Füßen zu erklären, dass wir gern ins Stadion möchten, aber vorher erst etwas essen wollen. Maracana scheint das einzige zu sein, was er versteht. Nun gut, er fährt einfach los und begeistert uns mit einer tollen Samba-CD, die er eigens für uns anschaltet. Zwischendurch reibt er sich immer wieder am Ohrläppchen, was wohl die brasilianische Geste für "ich fahr euch jetzt in ein tolles Restaurant" zu sein scheint. Wieder überkommt mich das unwirkliche Gefühl: Das Taxi prescht durch die Straßen von Rio, laute Samba-Musik, die Sonne scheint – alles ist unfassbar schön.


Nach knapp 15 Minuten Fahrt biegt der Taxifahrer ab und wir stehen tatsächlich vor einem großen Restaurant (das erkennt man an dem grinsenden Schweinekopf neben dem Namen). Wir bedanken uns und treffen dann auch eine Dame, die uns versteht und im Restaurant alles für uns regelt. Im Restaurant gibt es dann ein super leckeres Rodizio für einen moderaten Preis. Wir müssen uns alle zusammenreißen, damit wir nicht zuviel essen, denn wir haben heute noch etwas vor!


Eine weitere wilde Taxifahrt über rote Ampeln und an der immer mehr zunehmenden Polizei-Präsenz vorbei, lässt uns der Taxifahrer an einer Ecke heraus, an dem sich kein Polizist tummelt. Dafür eher einige Gestalten, die eher der Konkurrenz zuzuordnen sind. Wir lassen aber keine Zweifel von Schwäche aufkommen und marschieren schnell in Richtung Stadion oder zumindest die Richtung, die uns der Taxifahrer gesagt hat.


Recht bald erhebt sich dann vor uns das Stadion, das Maracana, die Kultstätte des brasilianischen Fußballs. In mir steigt die Vorfreude ins Unermessliche. Es werden mit jedem Meter mehr Fußball-Fans und die Stimmung steigt immer mehr. Nun Fotos mit einheimischen Fans, Frotzeleien mit den Argentiniern, wer wohl gewinnt. Vor dem und im Stadion klappt alles reibungslos, wir versorgen uns noch schnell mit Getränken und sitzen dann eine Stunde vor dem Spiel auf unseren Plätzen.


Zum Spiel muss ich nicht viel schreiben, nur soviel: Wer im Stadion ein Tor seiner Mannschaft miterlebt hat, weiss, dass es um ein vielfaches intensiver ist als vor dem TV. Somit explodiert der deutsche Block förmlich in der 113. Minute und von den deutlich in der Überzahl anwesenden Argentiniern hört man nichts mehr.




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Holger im Stadion. Foto:


Irgendwann machen wir uns auf den Weg zurück und nach einer U-Bahn Fahrt treffen wir wieder an der Copa Cabana ein. Diese und die umliegenden Straßen sind überströmt mit abertausenden Menschen. Wir fallen natürlich auf wie bunte Hunde, haben uns aber noch im Stadion zu einer größeren Gruppe formiert, um nicht noch auf den letzten Metern in Schwierigkeiten zu geraten. Die meisten Menschen beglückwünschen uns aber und wollen Fotos machen oder einfach das Trikot gegen ihr Shirt tauschen. Bis auf einige wenige Argentinier, die sich als schlechte Verlierer zeigen, treffen wir aber nur freundliche und neugierige Menschen.




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Vier Sterne vor dem Stadion. Foto:


Nach gut drei Kilometer an der Copa Cabana entlang sind wir wieder in unserem Fan-Camp angelangt. Kurze Zeit später machen sich auch schon die Busse in Richtung Flughafen auf den Weg. Am Flughafen begeistern wir die Argentinier noch mit unserem spanischen Siegesgesang  "Alemania Campeones!", so dass sich die Hälfte der Wartehalle noch zu stehendem Applaus hinreißen lässt.


Auf dem Rückflug schlafe ich gut die Hälfte der zwölf Stunden Flug. In Frankfurt verabschiede ich mich von meinen Kameraden der letzten knapp 48 Stunden und tausche noch schnell die Telefonnummern aus, ein solches Erlebnis verbindet eben. Dann mache ich mich auf nach Hause. Auf den letzten 300 der 20.000 Kilometer langen Reise ziehe ich Resümee: Es war anstrengend, es war gefährlich und es war sehr teuer. Hat es sich gelohnt? Definitiv!


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