Adersheim: Alleingänge, Informationsdefizite und Politik-Chaos - "Bürgermeister Pinkvoß macht gar nichts oder was er will"

von Marc Angerstein




[image=5e1764bc785549ede64ccc50]Massive Kritik in Abwesenheit, dafür parteiübergreifend: Heute Abend, 18.32 Uhr, öffentliche Ortsratssitzung im Adersheimer Feuerwehrhaus. Ein ganzer Ortsrat macht sich Luft und zeigt sich unglücklich mit seinem Ortsbürgermeister. Dies zog sich wie ein roter Faden durch die gesamte 71 Minuten dauernde Sitzung, bei jedem der insgesamt elf Tagesordnungspunkte war der Bürgermeister Thema. Weil er etwas versäumt haben soll oder anders gemacht habe, als im Gremium beschlossen oder mit Vereinen besprochen wurde. Der Ortsrat kritisiert Untätigkeiten und Alleingänge des Bürgermeisters. Der konnte sich nicht rechtfertigen, er war krank. 

Adersheims Ortsbürgermeister Günther Pinkvoß (SPD) hatte Glück im Unglück: Er konnte sich wohl glücklich schätzen wegen eines Beinbruchs die heutige Ortsratsitzung nicht leiten zu müssen, zu viel Kritik und Unmut der anderen vier Ortsratsmitglieder hätten ihn erschlagen. So übernahm sein Stellvertreter Detlev Salomon (SPD) den Vorsitz und hatte seit dem Nachmittag gerade einmal 90 Minuten Zeit, sich auf die Sitzung vorzubereiten. 90 Minuten, die offenbar nicht ausreichten, zu desolat war der Verlauf der gesamten Sitzung. Einigen Zuschauern aus der Bürgerschaft war der Verlauf der Sitzung unangenehm, teilweise schauten Anwesende beschämt zu Boden. Andere verdrehten während der Sitzung die Augen. Dabei konnte Salomon eigentlich gar nichts dafür, er wurde von Pinkvoß offenbar nicht mit den nötigen Informationen ausgestattet. Außerdem leitete er erstmalig eine Ortsratsitzung.

Bei einem eilig angesetzten Krankenbesuch am Nachmittag erfuhr der Stellvertreter von seinem Bürgermeister, dass er sich seinen Beinbruch im Dienste des Ortes und einer guten Sache zugezogen hatte: Beim Verteilen der Einladungen zur Seniorenweihnachtsfeier, die so gar nicht hätten verteilt werden dürfen. Ausgerechnet beim letzten zu beliefernden Briefkasten stolperte der "Erste Adersheimer" und das Unglück war geschehen. In der heutigen Sitzung stolperte Pinkvoß heute sinnbildlich nochmal - und zwar über seine "Alleingänge". "Die Einladung war unter Einbeziehung von Vereinen und Verbänden anders geplant und sollte eine Rückantwort mit Ideenvorschlägen der Eingeladenen enthalten", erinnerten sich Holger Helwig und Alexandra Ullrich (beide CDU) sowie Hans-Herrmann Leiste (UWG). Auch Detlev Salomon, Parteifreund von Pinkvoß, konnte sich erinnern: "Das stimmt", sagte er und konnte auch nicht erklären, warum die Einladungen schon verteilt wurden.

<a href= Günther Pinkvoß müssen während der heutigen Ortsratssitzung dauerhaft die Ohren geklingelt haben. Der Adersheimer Bürgermeister war das Dauerthema bei jedem Tagesordnungspunkt.">
Günther Pinkvoß müssen während der heutigen Ortsratssitzung dauerhaft die Ohren geklingelt haben. Der Adersheimer Bürgermeister war das Dauerthema bei jedem Tagesordnungspunkt. Foto:



"In der Vergangenheit haben wir als Ortsrat die Einladungen immer gemeinsam eingetütet und verteilt", erklärte Holger Helwig. Pinkvoß würde im Ort allerdings verbreiten, ihm würde von den anderen Ortsratsmitgliedern niemand helfen. Alexandra Ullrich in der Sitzung: "Wenn der Bürgermeister uns nicht darüber informiert, dass er was verteilen will, dann können wir ihm auch nicht helfen."

Alleingang oder Veruntreuung ?


Dieses Informationsdefizit setzt sich in allen Bereichen fort. So beantragte Holger Helwig, dringend zu beratende Zuschussanträge von Vereinen und der Feuerwehr von der Tagesordnung zu nehmen. "Wir können heute nicht über die Ausgabe von Geldern abstimmen, wenn wir gar nicht wissen, ob und wieviel Geld wir als Ortsrat zur Verfügung haben". Eine von Salomon verlesene, wohl von Pinkvoß vorbereitete Summe, von über 4.000 Euro befriedigte Helwig nicht: "Seit Mai fordern wir vom Bürgermeister die Abrechnung der Ortsratsmittel 2011, seit Mai verspricht uns Günther Pinkvoß eine Abrechnung. Und sie fehlt nun Ende 2012 noch immer", wetterte er. Der Christdemokrat hielt das Zahlenwerk für nicht belastbar und bekam von allen übrigen Ortsratsmitgliedern nach und nach Zustimmung. Um diverse Anträge zu billigen, wird kurzfristig eine Sondersitzung einberufen, sobald die versprochene Abrechnung vorliegt.

[image=60963]Dann wohl wieder ein unabgestimmter Alleingang des Ortsbürgermeisters - oder ist das schon Veruntreuung? "Wie kann es denn sein, dass das DRK bereits 100 Euro Zuschuss erhalten hat, obwohl hier in diesem Gremium noch gar kein Beschluss gefasst wurde", fragt Helwig. Salomon zuckte mit den Schultern und machte sich Notizen. "Das muss ich mit Günther besprechen", so der stellvertretende Bürgermeister. Es wurden noch viele Notizen, am Ende eine sehr lange Liste von Gesprächsthemen. "Ich lege ihm eine Liste in 14-Punkt-Schrift vor", erklärte Salomon resigniert.

Der gesamte Ortsrat kritisierte - und war sich darin einig, dass der Bürgermeister zahlreiche, teilweise haushaltsrelevante Anträge bei der Stadt nicht eingereicht habe, obwohl es eindeutige und protokollierte Entscheidungen des Ortsrates dazu gäbe. Einige müssten nun schnellstmöglich noch eingereicht werden, da die auch noch in der nächsten städtischen Bauausschusssitzung behandelt werden müssen.

Helwig kritisierte diese Versäumnisse und entschuldigte sich mehrfach bei Salomon, weil es bei aller berechtigter Kritik, in ihn den Falschen träfe. Die heutige Ortsratssitzung sei aber die offizielle Gremienssitzung und da gehöre die Kritik auch hin. Ob der Bürgermeister da sei, oder nicht. "Alles was wir besprechen und beschließen ist doch Makulatur. Direkt nach unseren Sitzungen macht Herr Pinkvoß entweder gar nichts oder was er will", so Helwig.

Nach Darstellung des Ortsrates sollte der Bürgermeister eine Liste vorbereiten, wer sich zur Seniorenweihnachtsfeier engagiert. Diese Liste würde fehlen und es gäbe keine Absprachen. Ob zum Volkstrauertag ein Trompeter bestellt wurde, ist nicht bekannt. Salomon wusste aber, dass ein Kranz bestellt sei. Wer ihn wie, wann und wo niederlegen würde, blieb offen. Auch eine eventuelle Durchführung des Adventskonzertes blieb heute unbehandelt. "Diese Alleinflüge des Bürgermeisters gehen mir langsam auf den Geist", sagte Alexandra Ullrich ungehalten. Ob es beschlossene Ehrennadeln gäbe, die heute schon hätten verliehen werden sollen, wusste auch niemand im Raum. Es wabberte der unausgesprochene Vorwurf durch die Sitzung, der Bürgermeister sei nicht teamfähig, gar unfähig. Ausgesprochen hat das so während der Sitzung niemand. Im Anschluss - hinter vorgehaltener Hand - dann schon...

"Wir haben einen Ortsratstermin. Kommst Du mit?"


<a href= Der Ortsrat Adersheim zum Beginn dieser Ratsperiode. Günther Pinkvoß (2.v.unten) stand heute in Abwesenheit massiv in der Kritik seiner Ortsratskollegen. ">
Der Ortsrat Adersheim zum Beginn dieser Ratsperiode. Günther Pinkvoß (2.v.unten) stand heute in Abwesenheit massiv in der Kritik seiner Ortsratskollegen. Foto: Marc Angerstein



Ullrich beschwerte sich darüber, dass sie zu Veranstaltungen des Ortes grundsätzlich nicht eingeladen werde. Auch über offizielle Termine und Veranstaltungen des Ortsrates werde sie im Vorfeld nicht informiert, obwohl sie als Ortsratsmitglied ja Mitveranstalter sei. "Das ist nun schon mehrfach vorgekommen und das ärgert mich sehr", gab sie zu Protokoll. Leiste und Helwig nickten zustimmend und beklagten sich ebenfalls über diese Vorgehensweise des Bürgermeisters. Auf die Frage, warum Stellvertreter Salomon bei diesen Terminen denn immer anwesend sei, antwortete dieser: "Günther klingelt immer bei mir und sagt wir haben jetzt einen Ortsratstermin. Kommst Du mit?"

Zu Beginn der Sitzung beklagten sich auch schon Bürger darüber, dass die Termine der Ortsratssitzungen nicht mehr in den dafür vorgesehenen Schaukästen ausgehängt werden würden. Nur durch Presseveröffentlichungen, die von der Stadtverwaltung vorgenommen werden, und durch das Internet seien die Sitzungstermine bekannt.

Holger Helwig kritisierte aber auch die Stadtverwaltung. "Der Wall beschäftigt uns schon drei Jahre. Es gibt noch Probleme mit dem Oberflächenwasser, es sollten Bäume gefällt werden, neue Birnbäume gepflanzt werden und nichts ist passiert", sagte er. Helwig erinnerte daran, dass ein Wartestellenhäuschen errichtet werden sollte und das die Parksituation am Friedhof sowie am Sportplatz noch immer unbefriedigend sei. Er regte an, dazu noch einmal einen Fachmann aus der Stadtverwaltung einzuladen, damit es endlich Klarheit bei diesen Themen gäbe.

Der Ortsrat beschloss auf Anregung der CDU einstimmig, dass Adersheim sich künftig im Internet präsentieren will. Eine professionelle Website soll entstehen, die eine Plattform für Vereine und Verbände bilden und auch die Geschichte des Ortes öffentlich machen soll. Der Ortsrat will dazu Kostenangebote von Anbietern aus der Region einholen.

Außerdem nahm der Ortsrat die modifizierte Stellungnahme der Stadt Wolfenbüttel zu den Vorranggebiete für Windenergie zu Kenntnis und stimmte ihr - ohne Aussprache - ebenfalls einstimmig zu.


mehr News aus Wolfenbüttel