Die Linke stellt Studie zum Verkehr in Niedersachsen vor




Die Linke im Bundes- und im Landtag hat heute eine Studie zur Verkehrssituation in Niedersachsen vorgestellt. „Unsere Studie zeigt die gravierenden verkehrspolitischen Probleme in unserem Bundesland auf. Sie soll Grundlage für uns sein, um in den kommenden Jahren Vorschläge zur Lösung dieser Probleme in den Landtag und in den Bundestag einzubringen“, erklärte Ursula Weisser-Roelle, die verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Landtag. Sie stellte die Studie heute gemeinsam mit dem Linken-Bundestagsabgeordneten Herbert Behrens und mit Dr. Winfried Wolf, dem Autor der Studie, vor Journalisten in Hannover vor.

Seit Jahrzehnten öffne sich in Niedersachsen - wie in der gesamten Bundesrepublik Deutschland – die Schere zwischen errichteten Straßen und Bahnstrecken, erläuterte Wolf. Seit Mitte der Siebzigerjahre habe es, obwohl die Ölkrise damals eine große Debatte über die Reduzierung des Autoverkehrs ausgelöst gehabt habe, eine regelrechte „Straßenbau-Orgie“ gegeben. Seitdem sei das niedersächsische Straßennetz von 61.000 auf 72.000 Kilometer aus-, das Schienennetz hingegen von 4500 auf 3400 km abgebaut worden. Allein das Autobahnnetz sei von 835 auf 1431 km Länge gewachsen. „Die Zahl der Städte mit Bahnhof schrumpfte zeitgleich von 400 auf weniger als 50“, so Wolf. Und das, obwohl die Fahrgastzahlen auf vielen Strecken in Niedersachsen gestiegen seien.

Durch den Abbau der Schiene seien allein seit 1999 18 niedersächsische Städte ganz oder weit-gehend vom Schienenpersonenfernverkehr abgehängt worden, ergänzte Herbert Behrens: „Das trifft unter anderem auf Salzgitter, Wilhelmshaven, Cuxhaven, Melle, Osterholz-Scharmbeck und Gifhorn zu – besonders bitter ist dies bei Städten, in denen der Tourismus ein Wirtschaftsfaktor ist wie in Wilhelmshaven, Cuxhaven, Goslar, Sande oder Bad Bevensen.“ Die Aufgabe der beliebten Fernverkehrsgattung InterRegio im Jahr 2001 habe zu diesem Kahlschlag beigetragen.

Ursula Weisser-Roelle kritisierte, dass das Land kaum noch Geld für den ÖPNV bereitstelle. „Niedersachsen ist Rekordhalter beim zweckentfremden der Regionalisierungsmittel des Bundes, die eigentlich für den Schienenpersonennahverkehr eingesetzt werden sollen.“ Die Landesregierung verwende stattdessen annähernd 90 Mio. Euro jährlich für die Landesaufgabe Schülerverkehr, die in Niedersachsen überwiegend mit Bussen und damit auf der Straße erfüllt wird.

Ein weiteres großes Problem sei der Güterverkehr auf Niedersachsens Straßen: Der Lkw-Verkehr sei in den vergangenen Jahrzehnten regelrecht explodiert. Die rechte Spur auf den Autobahnen gehöre längst der endlosen LKW-Kolonne. Dies lasse sich nur ändern, wenn der Gütertransport soweit es geht auf die Schiene verlegt werde. Zudem seien die Kosten für LKW-Transporte durch Lohndumping bei den Fahrern inzwischen derart niedrig, dass sie nicht mehr ins Gewicht fielen. „Dadurch entstehen absurde Transportwege“, so Weisser-Roelle. Doch der Güterverkehr könne nicht nur auf die Schiene, sondern auch auf das Wasser verlegt werden. „Niedersachsen hat mit seinen Binnen-Wasserstraßen einen wahren Schatz; doch seit 1990 wächst der Transport auf ihnen nur minimal“, erklärte Herbert Behrens. Während der Anteil der Binnenschifffahrt am Güterverkehr gesunken sei, habe der Anteil der Straßentransporte und der Luftfracht deutlich zugelegt. Deshalb sollte unter anderem die Schleuse Scharnebeck am Elbe-Seiten-Kanal dringend neugebaut werden. Die Bundesregierung müsse das endlich auf den Weg zu bringen.

Ursula Weisser-Roelle will ein Niedersachsen, in dem der ÖPNV, die Schiene und das Fahrrad die Mobilität prägen. Deshalb müsse das Land müsse eine „3-V-Politik“ verfolgen: Verkehr müsse vermieden und auf öffentliche Verkehrsmittel verlagert werden; die Verkehrswege müssten ver-kürzt werden. „Natürlich wollen wir den motorisierten Individualverkehr nicht abschaffen, und wir wollen niemandem sein Auto wegnehmen. Aber wir wollen ein Flächenland, in dem die Menschen auf dem Land auch dann noch mobil sind, wenn sie kein Auto (mehr) haben“, sagte die Ver-kehrsexpertin.

Sie erinnerte an den Bericht der Regierungskommission Klimaschutz, den die Landesregierung im vergangenen Februar vorgelegt hatte: Die dort empfohlene Klimaschutzstrategie sieht vor, den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu verdoppeln. „In der Praxis heißt das, wir müssen an-fangen, in Niedersachsen die Bahnstrecken zu reaktivieren“, so Weisser-Roelle. In den vergangenen zehn Jahren habe es außer der Bahnstrecke von Osnabrück Richtung Bielefeld („Haller Wil-lem“) und der Güterverbindung nach Aurich keine Reaktivierungen gegeben. Die Linke will zusätzlich den Personenverkehr auf den Routen Bad Bentheim nach Nordhorn, Essens nach Bensersiel, Dannenberg nach Salzwedel (Sachsen-Anhalt) und Bremervörde nach Osterholz-Scharmbeck wieder aufnehmen.

Doch die Landesregierung und die SPD setzten auf den weiteren Ausbau von Autobahnen wie der A20/22 und der A39 sowie auf das Schienengroßprojekt Y-Trasse, das extrem viel koste und kaum etwas bringe. Weisser-Roelle hält diese Verkehrspolitik für fatal: „Das ist ein klares Bekenntnis zum Weiter-so – Flächenversiegelung, Umweltzerstörung und Klimaschäden sind die Folge.“


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