Die Linke zieht Fazit zum Asse-Untersuchungsausschuss: "Die Asse ist der größte atompolitische Skandal in der deutschen Geschichte"


| Foto: Marc Angerstein



„Die Asse ist der größte atompolitische Skandal in der deutschen Geschichte“: Dieses Fazit zog der umweltpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke, Kurt Herzog, zum Abschlussbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses heute vor Journalisten in Hannover. In den dreieinhalb Jahren Arbeit des Ausschusses sei das ganze Desaster um das marode Bergwerk deutlich geworden – ein Desaster, das den Steuerzahler nun geschätzte drei bis vier Milliarden Euro kosten werde. Laut Herzog besteht kein Zweifel, wer für den Asse-Skandal verantwortlich ist: die Politik von CDU, FDP, SPD und Grüne und die Atomindustrie.

Die Politik habe der Atomindustrie damals mit ihrem Wunsch, eine Atommacht zu werden, den roten Teppich ausgerollt. Die Verantwortlichen seien so in den 60er-Jahren mit einem „Flug ohne Landebahn“ in die Atomenergie gestartet. Die Entsorgung habe schnell gehen, wenig kosten und die rechtliche Grundlage für den Betrieb von Atomkraftwerken bieten sollen. Dann habe begonnen, was der Historiker Detlev Möller mit dem Satz „Ein kleiner Kreis narrte die Republik“ beschrieb. Herzog: „Gutachten wurden angepasst und die Bedenkenträger zur Seite gedrängt.” Dass in das Mitte der 60er-Jahre günstig erworbene Bergwerk Asse bereits 1988 Wasser aus dem Deckgebirge eingedrungen sei – so wie es seriöse Wissenschaftler vorausgesagt hätten – habe erst zwei Jahrzehnte später zu Konsequenzen in Form des Untersuchungsausschusses geführt.

Herzog bedauerte, dass es nicht gelungen sei, die Verantwortlichen des Asse-Dilemmas juristisch zur Rechenschaft zu ziehen. Viele Zeugen hätten angegeben, sich nicht mehr richtig erinnern zu können. Andere, die sich erinnern konnten, haben nach eigenen Angaben nicht vorsätzlich gehandelt und die Folgen nicht absehen können. Doch schon bevor der sogenannte „Endlagerpapst“ Klaus Kühn dem Asse-Bergwerk in seinem zentralen Gutachten 1967 Tauglichkeit bescheinigte, habe die Einlagerung begonnen. Spätestens im Jahr 1971 sei klar gewesen, dass es sich bei der Asse nicht um eine „Versuchslagerung“, sondern um ein Endlager gehandelt habe, in das die Atommüllfässer ab 1974 einfach abgekippt wurden. Ein häufig gehörter Satzbeginn von Zeugen sei „Aus heutiger Sicht hätte man nicht....“ gewesen. “Solche Aussagen frustrieren: Sie sind naiv und ignorant gleichermaßen. Schließlich gab es von Anfang an Wissenschaftler, die davor gewarnt haben, Atommüll in Salz einzulagern”, sagte Herzog.

Radioaktive Grenzwert-Überschreitungen und Sicherheitsmängel seien unter den Augen verantwortlicher Politiker auf Landes- und Bundesebene passiert. „In einer untauglichen Informationskette zwischen Betreiber, Ministerien und Behörden blieben Rechtsverletzungen, Grenzwertüberschreitungen und mehr als 200 Kontaminationen ohne Konsequenzen”, sagte Herzog. Die Gefahr von Wassereinbrüchen hätten die Verantwortlichen trotz zahlreicher warnender Gutachten jahrzehntelang unterschätzt oder verleugnet. „Kritische Wissenschaftler wurden und werden bis heute nicht berücksichtigt, sondern einfach diskreditiert”, kritisierte Herzog. Dazu gehörten Dr. Horst-Jürgen Herbert, Prof. Eckhard Grimmel, Dipl.-Ing. Hans-Helge Jürgens, Prof. H.W. den Hartog oder Prof. Klaus Duphorn. „Die verantwortlichen Ministerien haben sogar einfach daran festgehalten, Atommüll in wasseranfälligen Salzstöcken wie der Asse oder Gorleben zu versenken”, sagte Herzog. Noch im Jahr 1995, sieben Jahre nachdem erstmalig Wasser in die Asse einbrach, habe die damalige Bundesumweltministerin Angela Merkel Sachsen-Anhalt angewiesen, im ähnlich maroden Salzbergwerk Morsleben Atommüll per Abkipptechnik einzulagern. Sie habe den fast gleichzeitigen Hilferuf aus dem Bundesamt für Strahlenschutz ignoriert und damit die Einlagerung in Salz vorangetrieben. Der Ausschuss habe auch noch einmal belegt, dass die Asse entgegen der Legende nie trocken gewesen sei.

Als positiv hervorzuheben ist laut Herzog, dass der PUA dazu beitrug, den Asse-Skandal und die gesamte Endlager-Problematik in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Dies dürfe sich jetzt nicht ändern, schließlich sei das Thema längst nicht erledigt. “Jetzt geht es erst richtig los: Wir müssen politisch weiterhin Druck machen, dass der Atommüll schnellstmöglich zurückgeholt wird. An dieser Vorgehensweise darf nicht gerüttelt werden”, sagte Herzog. Schließlich flössen täglich etwa zwölf Kubikmeter Lauge aus dem Deckgebirge in die Asse. Auch sei nach wie vor unklar, welche radioaktiven und chemotoxischen Stoffe sich in den 126.000 Atommüllfässern in der Asse befinden.

Einen pessimistischen Ausblick gab Herzog in Bezug auf Gorleben: “Es gibt viele Parallelen zwischen der Asse und Gorleben – doch ich fürchte, CDU und FDP haben aus der Asse nichts gelernt.” Auch in Gorleben hielten die Verantwortlichen die Bevölkerung im Dunkeln: Wesentliche Fakten, Vorkommnisse, Planungen, Probleme und Unfälle seien verharmlost oder bewusst falsch dargestellt worden. Auch in Gorleben habe es keine vergleichende, geologisch fundierte Auswahl bei der Standortsuche und keine Beteiligung der Öffentlichkeit geben. Kritische Wissenschaftler würden weiterhin ignoriert; geologische K.O.-Kriterien einfach abgetan.

Herzog erinnerte in diesem Zusammenhang an den Untersuchungsgegenstand des Asse-PUA: Beleuchtet werden sollten nicht nur die Vorgänge in der Asse, sondern auch die Auswirkungen auf andere potenzielle Salz-Endlagerstandorte wie Gorleben. Absprachen zwischen Industrie und Politik dürften eine offene gesellschaftliche Debatte nicht noch einmal verhindern. Dies beinhalte eine Abkehr vom „trial and error“-Prinzip, das bisher bei der Nutzung der Atomenergie und der Frage der Lagerung von Atommüll vorgeherrscht habe. Herzog: “Diese Kehrtwende müsste sofort vollzogen werden – und nicht erst, wenn Gorleben ebenfalls havariert ist”.


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