In den Startlöchern: Inklusion und die ISBA-Konferenz

von Thorsten Raedlein




Wolfenbüttel. "Ach wissen Sie, Inklusion hat dann ihr Ziel erreicht, wenn keiner mehr darüber redet," plaudert Thomas Stoch, Leiter des Integrations- und Therapiezentrums Wolfenbüttel sowie Präsident der "International Short Break Association" (ISBA) über seinen Wunschgedanken. Darüber geredet wird in den nächsten Tagen sehr viel über Inklusion, denn vom 9. bis 11. September findet in Wolfenbüttel die alle zwei Jahre stattfindende ISBA-Konferenz statt. Rund 200 Teilnehmer aus rund 20 Ländern tauschen ihre Erfahrungen aus – und verfolgen dabei ein Ziel: Eben eines Tages nicht mehr darüber reden zu müssen.

Dazu muss das Thema Inklusion allerdings erst einmal in den Köpfe der Menschen ankommen und nicht nur mit dem Bereich "Schule" verknüpft werden. Da seien, muss Stoch einräumen, andere Länder weiter. "In Deutschland wird viel über stationäre Einrichtungen gelöst", sagt er. Und die Bürokratie rund um das Thema sei einfach zu hoch. In anderen Ländern werde einfach "gemacht". In Workshops und bei Vorträgen wird informiert, diskutiert und debattiert. Referenten und Gäste aus rund 20 Ländern stellen Projekte vor, sprechen über ihre Erfahrungen mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtkonvention und über aktuelle gesetzliche Veränderungen in ihren Ländern. So werden auch politische Themen zur Sprache kommen, zum Beispiel haben wir in Deutschland ein teures und weit entwickeltes Hilfesystem für Menschen mit Behinderungen. Aber greift es überhaupt? Ermöglichen unsere stationären Einrichtungen überhaupt eine individuelle Hilfe?

Daniel McGoey aus Kanada und Colette Daly aus Irland sind zwei der internationalen Konferenzteilnehmer und -Referenten. Im Rahmen der Eröffnungspressekonferenz erzählen sie von den Erfahrungen, die in ihren Heimatländern gemacht wurden, um Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen anzubieten. Nicht vergessen dürfte man, so McGoey, dass eine Behinderung jeden treffen könne – Unfall, Altersdemenz, Schlaganfall: Ursachen könne es viele geben. Daly stellte das irische "Home-Sharing"-Modell vor. Noch vor wenigen Jahren mussten betroffene Kinder der Region ein englischsprachiges Erholungszentrum im entfernten Galway City besuchen. Dies ist nun nicht mehr nötig: Irisch sprechende Gastfamilien in der Region wurden gefunden, die ihr Zuhause angepasst haben, um am „Home-Sharing-Modell“ (Geteiltes-Zuhause) teilzunehmen. Fast wie früher in Großfamilien, teilen Ehrenamtliche, sogar manche Mitarbeiter der Schule, ihr Zuhause oder bieten Familienunterstützung im häuslichen Umfeld der Kinder an – und sorgen so für "Short Breaks".

„Short Break“ bedeutet sinngemäß so viel wie „kleine Pause“ (vom Pflegealltag). In der International Short Break Association (ISBA) haben sich engagierte Vertreter von Institutionen der Behindertenhilfe aus aller Welt zusammengetan, die Familien mit behinderten und pflegebedürftigen Angehörigen unterstützen. In Deutschland sind diese Angebote unter dem Begriff „Familienentlastender Dienst“ (FED) bekannt. In England heißen sie „Short Breaks“, im amerikanischen Sprachraum sagt man „Respite Care“.

Neben einer Auswahl von Vorträgen einiger "Keynote Speaker" (Redner, die auf der Konferenz Impulse setzen) bieten Fachleute, Betroffene, Wissenschaftler und innovative Kollegen aus der ganzen Welt ihr Wissen an. Sie präsentieren ihre Erfahrungen, stellen ihre Arbeit in Workshops und Kurzvorträgen vor und stehen jeweils nach ihrem Beitrag zur Diskussion zur Verfügung. Es gibt sechs Workshop-Sessions zu je 90 Minuten, jeweils unterteilt in die Kategorien Best Practice, Inklusion Weltweit 1, Inklusion Weltweit 2, Besondere Bedarfe.

Im Rahmenprogramm der Konferenz gibt es folgende Veranstaltungen:


9. September – 16 Uhr
Kinofilm „Berg Fidel – eine Schule für Alle!“
Filmtheater Wolfenbüttel, Lange Straße 5
Eintritt: 5 Euro

Einfühlsame Dokumentation über die Schule Berg Fidel und ihr besonderes Konzept. Inklusive Beschulung von Kindern mit Behinderung – in diesem Film kommen diejenigen zu Wort, um die es geht: die Schülerinnen und Schüler der Schule Berg Fidel. Sie zeigen am Beispiel von vier Schülern, dass eine Schule für Alle funktionieren kann, ohne dass der einzelne auf der Strecke bleibt.

9. September – 18.30 Uhr
Kinofilm „Vergiß mein nicht!“
Gast: Regisseur und Autor David Sieveking
Filmtheater Wolfenbüttel, Lange Straße 5
Eintritt: 5 EUR

Charmanter Dokumentarfilm über den Alltag eines jungen Mannes, der wieder in sein Elternhaus zieht, um seine demenzkranke Mutter zu pflegen. David Sieveking, Autor des gleichnamigen Buchs und Filmemacher, gewann beim 65. Festival del Film 2012 in Locarno den Kritikerpreis, das Buch wurde zum Bestseller. Sieveking steht nach der Vorstellung für ein Publikumsgespräch zur Verfügung. Zu dieser Kino-Aktion lädt ein: das DRK Wolfenbüttel in Zusammenarbeit mit der Gerontopsychiatrischen Beratungsstelle im Rahmen der internationalen ISBA Konferenz.

Für diese beiden Filme verlost WolfenbüttelHeute.de unter interessierten Lesern zehnmal zwei Eintrittakarten. Wer dabei sein möchte, muss nur das folgende Formular ausfüllen. Unter allen bis Dienstag, 9. September, 9 Uhr, eingehenden Benachrichtungen, werden die Karten verlost. Bitte den jeweiligen Wunschfilm angeben. Die Gewinner werden telefonisch oder per E-Mail benachrichtigt.


[contact-form-7 id="141499" title="Musical"]

10. September – 19.00 Uhr
Tanztheater-Abend „Nah! Und?!“ mit der tanzbar_bremen
anschließend: Publikumsgespräch
Lessingtheater Wolfenbüttel, Harztorwall 16
Eintritt: 9/20 EUR (Vorverkauf empfohlen!)

Die »tanzbar_bremen« ist ein künstlerisches, inklusives Kollektiv, das jährlich ein neues Stück entwickelt – in diesem Jahr geht es um das Thema »Nähe«. Die Tänzerinnen und Tänzer sind zwischen 16 und 60 Jahren und haben die unterschiedlichsten körperlichen Voraussetzungen. Sie machen sich auf die Suche nach Nähe und deren Wirkung auf Person, Gemeinschaft und Zuschauer. Was bedeutet Nähe? Kann Nahsein auch Fernbleiben bedeuten? Wo entsteht Reibung, wie Dynamik? Haben wir das gleiche Verständnis von Nähe? »Nah! Und?!« ist eine fließende Collage aus bewegten Bildern, in die der Zuschauer eintauchen kann.


mehr News aus Wolfenbüttel