CDU/FDP verteidigen Inklusion-Gesetzentwurf
Die Fraktionen von CDU und FDP haben ihren Gesetzentwurf zur Inklusion in Niedersachsen vorgestellt. Er soll im November zum ersten Mal im Plenum beraten werden.
„Öffentliche Schulen werden inklusive Schulen. Das heißt, dass Schüler mit und ohne Behinderung in den öffentlichen Schulen gemeinsam erzogen und unterrichtet werden können“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Björn Thümler. FDP-Fraktionschef Christian Dürr ergänzte: „Die Umstellung kann ab dem kommenden Schuljahr starten. Denn ab dem 1. August 2012 können Grundschulen mit der Inklusion im Klassenzimmer beginnen – und zwar aufsteigend ab der 1. Klasse.“
Ab dem 1. August 2013 beginne die Inklusion dann in allen niedersächsischen Schulen, aufsteigend ab der ersten beziehungsweise fünften Klasse, so Thümler weiter. “Ab dann muss gewährleistet sein, dass alle Schülerinnen und Schüler in allen Schulformen unterrichtet werden können.“ Die Förderschulen würden in Zukunft zu sonderpädagogischen Förderzentren. „Sie werden den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne sonderpädagogische Betreuung an allen Schulen unterstützen.“ Dürr erklärte hierzu: „Zwei Dinge waren uns wichtig: Die Wahlfreiheit der Eltern – sie sollen wählen können, ob ihr Kind an eine Regel- oder eine Förderschule gehen soll. Und wir wollen eine individuelle Lösung für jedes einzelne Kind.“
Thümler und Dürr machten zugleich deutlich, dass Inklusion nicht allein eine Frage der Gesetze sei. Es gehe auch darum, wie die Gesellschaft Menschen mit Behinderung integriere – das könne nicht allein der Gesetzgeber regeln.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU, Karl-Heinz Klare und der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Björn Försterling, kündigten an, dass bereits bestehende Integrationsklassen weiter geführt werden sollen. Ab August 2013 würden aber keine neuen Integrationsklassen mehr eingerichtet, da dann grundsätzlich in allen Schulformen eine inklusive Beschulung möglich sei.
Landtags-SPD zur Inklusion: Schwarz-gelber Gesetzentwurf hebelt Elternwillen aus
Zum gemeinsamen Gesetzentwurf von CDU und FDP zur Inklusion an Niedersachsens Schulen erklärt die stellvertretende Vorsitzende und schulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Frauke Heiligenstadt:
„Der Gesetzentwurf, wie ihn CDU und FDP heute vorgestellt haben, ist halbherzig und enttäuschend. Problematisch ist der Versuch, Inklusion über den Missbrauch des Begriffs Kindeswohl zu vereiteln. Mit der Möglichkeit, als ,Ultima Ratio‘ ein Kind zwangsweise an eine Förderschule zu überweisen, bleibt der Elternwille ausgehebelt. Das ist nicht nur höchst unmoralisch, es widerspricht auch der UN-Behindertenrechtscharta, der Schwarz-Gelb nachzukommen vorgibt.
Gleichwohl ist die SPD-Fraktion der Sache wegen dazu bereit, sich konstruktiv in die Gesetzesberatungen einzubringen. Wir erwarten jedoch auch, dass unser eigener Gesetzentwurf, den wir im August 2010 eingebracht hatten, gleichberechtigt neben dem Koalitionsentwurf beraten wird.“
GRÜNE zum Inklusions-Gesetzentwurf: „Wo Inklusion draufsteht, ist weiter Selektion drin“
Die schulpolitische Sprecherin der Landtagsgrünen Ina Korterhat den von den Regierungsfraktionen vorgelegten Schulgesetzentwurf zur Inklusion als “große Enttäuschung” bezeichnet.
“Zwei Jahre haben CDU und FDP gebraucht, um für die Umsetzung der UN-Konvention im Bildungsbereich ein Gesetz vorzulegen, auf dem zwar Inklusion drauf steht, mit dem aber das selektive Schulsystem in Niedersachsen weitgehend erhalten bleibt!”, sagte die Grünen-Politikerin. “Dieser Gesetzentwurf ignoriert den Inklusionsgedanken und verneint jeden persönlichen Rechtsanspruch von Kindern mit Behinderungen auf diskriminierungsfreie Teilhabe”.
Korter kritisierte, dass die schwarz-gelbe Koalition die Förderschulen mit Ausnahme der Primarstufe der “Förderschule Lernen” auf Dauer komplett erhalten will. “Damit wird eine Doppelstruktur geschaffen, die extrem teuer ist. So werden keine ausreichenden Ressourcen für die Inklusiven Schulen zur Verfügung stehen”, sagte die grüne Schulexpertin. In der Gesetzesbegründung sei für die inklusiv arbeitenden Grundschulen nur eine unzureichende Ausstattung vorgesehen; zur Ausstattung der Schulen im Sekundarbereich fehle jede Aussage.
Die geplante Regelung, nach der die Schulen Kinder mit Behinderungen weiterhin auch gegen den Willen ihrer Eltern auf eine Förderschule überweisen können, sei “unvereinbar mit den Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention und vollkommen unakzeptabel”. Es reiche nicht, wenn die Eltern nur am Anfang der Schulzeit entscheiden können, ob ihr Kind auf eine inklusive Regelschule oder eine Förderschule gehen soll. “Dieses Entscheidungsrecht muss ihnen während der gesamten Schulzeit gewährt werden”.
Die Grünen-Politikerin geht davon aus, dass der von CDU und FDP vorgelegte Gesetzentwurf nie in Kraft treten wird. “Spätestens nach der Landtagswahl 2013 werden wir ein Inklusionsgesetz durchsetzen, das diesen Namen auch verdient.”
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