onlinecity: Ist die Luft raus? - Einschätzung von Experten

von Marc Angerstein


Das Prinzip ist einfach und simpel: Online gehen, lokal stöbern, bestellen und noch am selben Tag innerhalb der Stadt geliefert bekommen. Klappt das? Wir veröffentlichen Experten-Meinungen. Foto: Marc Angerstein
Das Prinzip ist einfach und simpel: Online gehen, lokal stöbern, bestellen und noch am selben Tag innerhalb der Stadt geliefert bekommen. Klappt das? Wir veröffentlichen Experten-Meinungen. Foto: Marc Angerstein | Foto: Marc Angerstein



Wolfenbüttel. In unserer Themenwoche onlinecity beschäftigen wir uns mit der Frage, was die Online-Plattform den Kunden, den Händlern und der gesamten Wolfenbütteler Innenstadt bringt. Heute lesen Sie die Einschätzung von Experten.

Alle warten auf die Reaktivierung der ehemaligen Hertie-Immobilie, viele reden das Einkaufsangebot in unserer Stadt schlecht. Der Druck auf Kleinstädte und Mittelzentren nimmt aber noch zu - und das hat nichts mit der aktuellen oder künftigen Situation unter den Krambuden zu tun. Das liegt am Internet-Handel (E-Commerce), der in diesem Jahr nach Auskunft des Handelsverbandes Deutschland knapp 42 Milliarden Euro einnimmt. Nach Einschätzung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) werden sich die Umsätze des E-Commerce in den nächsten Jahren verdoppeln. Wirtschaftsexperten sind der einheitlichen Auffassung, dass dies nicht spurlos an dem Einkaufsangeboten in den Innenstädten vorbeigeht. Weitere Schließungen von kleinen und inhabergeführten Geschäften seien wahrscheinlich. Das IFH-Institut für Handelsforschung in Köln rechnet damit, dass in den nächsten fünf Jahren deutschlandweit 45.000 Betriebe die Rolläden für immer runter lassen.

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Geht onlinecity die Luft aus? Foto: Marc Angerstein



Einige Wolfenbütteler Einzelhändler wollen dem nicht tatenlos zuschauen und beteiligen sich an der Online-Plattform onlinecity (regionalHeute.de berichtete gestern). Diesen Sprung ins Netz ermöglichte der Dienstleister Atalanda. Das Unternehmen machte durch den "Wuppertal-Effekt" auf sich aufmerksam und erzielte ein großes Medienecho. Online-City-Wuppertal wurde nach wenig erfolgreichen Anläufen in Salzburg und Hamburg, der Wendepunkt für das süddeutsche Unternehmen, dass in unserer Online-Zeitung innerhalb unserer Themenwoche am Sonnabend einen Ausblick über die weitere Entwicklung von onlinecity Wolfenbüttel geben wird.

Der Kampf gegen Amazon und Ebay


Die Wuppertaler Plattform mit seinem hybriden und flexiblen Ansatz stand Pate für das Online-Angebot unserer Stadt. Die Erfolgschancen solcher virtueller Innenstadt-Marktplätze sind allerdings umstritten. Der E-Commerce-Experte Karsten Höft spricht in einem beim Digital-Business-Service im Oktober unter ecin.de veröffentlichten Beitrag von einem raffinierten Konzept, denn Atalanda stelle nur die technische Infrastruktur und für den Rest (Händler-Akquise und Werbung sowie Marketing vor Ort) müssen die Händler selbst oder die Städte sorgen. Die Stadt Wolfenbüttel tut das und stellt für onlinecity regelmäßig eigene Werbeflächen zur Verfügung oder initiiert Infostände in der Fußgängerzone.

Höft: "Das ist keine Neuerfindung, anders funktionieren die Marktplätze Amazon und Ebay auch nicht - mit dem Unterschied einer viel höheren Reichweite und Frequentation, an die lokale Shopping-Plattformen nicht herankommen."

Kunden suchen den bequemsten Weg


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Erstrahlt in frischen Wolfenbüttel-Grün: Das Logo von onlinecity Foto: Marc Angerstein



Reicht das frische Grün der Stadt Wolfenbüttel, dass auf das Logo von onlinecity übertragen wurde, gepaart mit dem Charme eines lokalen Marktplatzes aus, um das Einkaufsverhalten von Wolfenbüttelern zu beeinflussen? Kunden, so sind sich Marketingexperten einig, suchen immer den für sie einfachsten und bequemsten Weg. Das Wolfenbütteler Zugehörigkeitsgefühl reicht nicht aus, um online Impulse zu setzen. In Wolfenbüttel liegt die Zahl der getätigten Online-Bestellungen auf der eigenen Plattform onlinecity knapp über Null. Lieferungen innerhalb der Stadt sind nicht bekannt. Wie die Kunden und die Händler das bewerten, lesen Sie in den nächsten zwei Tagen auf regionalHeute.de.

Lokale Online-Marktplätze werden überbewertet


Experte Karsten Höft meint, jedes der vielen in Deutschland vorhandenen Online-Marktplatz-Konzepte hat seine Daseinsberechtigung, allerdings würden lokale Online-Marktplätze derzeit einfach mehr als überbewertet. Sie seien nichts besonderes und keine herausragende Innovation. "Denn am Ende zählt, was der Händler in der Kasse hat und das ist sicherlich nicht soviel, wie er erhofft hat, als er seine Produkte mühsam einpflegte."

Das gestern zitierte "digitale Schaufenster" zeigt zwar, was Wolfenbüttel zu bieten hat, wenn Händler es intensiv pflegen und nutzen würden, allerdings wird online lokal nicht bestellt. Es klingelt offenbar nicht in den Kassen unserer Innenstadthändler. Zieht dieses "digitale Schaufenster" Wolfenbütteler Kunden in die Geschäfte? Bei der Bewertung zeigen sich die Händler gegenüber unserer Online-Zeitung uneinig.

Höft: "Eins haben natürlich die lokalen Marktplätze geschafft, sie haben das Thema stationärer Einzelhandel und Digitalisierung als Thema etabliert.

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Harald Borm, zweiter Vorsitzender der IWW, bestätigt, dass es kaum Online-Bestellungen gibt. Foto: Marc Angerstein



Und die entstehenden Kosten von 240 Euro im Jahr kommen wohl auch all den Händlern entgegen, deren Warenwirtschaftssysteme noch in Papierform geführt werden, also auf dem Stand musealer Kassenbücher sind. Zahlreiche Wolfenbütteler Innenstadthändler besitzen noch nicht mal eine eigene Homepage, um von einem Auftritt bei onlinecity zu profitieren. Aber gefühlt sind sie im Internet angekommen: zeitgemäß und modern.

Online Marktplätze beleben nicht die Innenstadt


Der E-Commerce-Experte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein zeigt sich bei heise online im Februar ebenfalls skeptisch: "Der Versuch, durch lokale Online-Marktplätze die Innenstädte zu beleben, wird nicht funktionieren. Stadtväter, die das glauben, haben eine rosarote Brille auf und ignorieren die Realität."

Heinemann meint, das Angebot auf den lokalen Seiten sei zu klein und zu unattraktiv. Es werde nach seiner Auffassung aber eine Handvoll Idealisten geben, die lokal im Internet nach Angeboten suchen, um die Händler in der eigenen Stadt zu unterstützen. Für die überwiegende Mehrheit sei dies aber kein Thema.

Zusammenarbeit mit Online-Riesen vielversprechender


Der Experte vertritt die Auffassung, die lokalen Händler müssten an das Internet herangeführt werden, damit sie ein Stück vom Online-Kuchen abbekämen. Dabei sei es unerheblich, ob die Bestellungen aus der Heimatstadt oder aus dem Ausland kämen. Für vielversprechender hält Heinemann, dem Medienbericht zufolge, eine Zusammenarbeit mit einem der etablierten Online-Riesen.

Lesen Sie morgen: onlinecity(3): Das meinen die Kunden

Lesen Sie Donnerstag: onlinecity(4): Jetzt reden die Händler

Lesen Sie Freitag: onlinecity(5): Bewertung der Stadtverwaltung

Lesen Sie Samstag: onlinecity(6): Was Betreiber Atalanda ändern will

Lesen Sie unser Fazit am Sonntag: onlinecity(7): Ist die Luft raus oder noch drin?


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