Verein wünscht sich Stadtviertel mit jüdischen Straßennamen

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Zwölf Namen schlugen Kumlehn und Adloff bereits vor. Die „Nathan-Straße" oder die „Philipp-Samson-Straße" sind nur einige von ihnen. Foto: Archiv/Nick Wenkel
Zwölf Namen schlugen Kumlehn und Adloff bereits vor. Die „Nathan-Straße" oder die „Philipp-Samson-Straße" sind nur einige von ihnen. Foto: Archiv/Nick Wenkel

Wolfenbüttel. Jürgen Kumlehn und Dr. Kristlieb Adloff von der Stolperstein-Initiative wollen dem Rat der Stadt Wolfenbüttel vorschlagen, die Straßen des neuen Wohnviertels nördlich der Ahlumer Straße mit den Namen von bekannten und zum Teil berühmten jüdischen Einwohnern der Stadt seit dem 18. Jahrhundert zu benennen.


Nach vielen öffentlichen Diskussionen um die Gründung eines neuen Stadtviertels am östlichen Stadtrand neben dem Södeweg sei davon auszugehen, dass durch diese neue Siedlung viele neue Straßen führen werden. Diese Straßen brauchen Namen, erklären Kumlehn und Adloff. Der Jahrzehnte alten Wolfenbütteler Tradition folgend, neue Viertel mit thematisch zusammenhängenden Straßennamen zu gestalten (Dichterviertel, Komponistenviertel, Blumenviertel) schlagen Jürgen Kumlehn und Dr. Kristlieb Adloff vor, Straßen nachbekannten oder berühmten jüdischen Einwohnern der Stadt zu benennen. Mit einem Schreiben wollenKumlehn und Adloff die Fraktionen des Stadtrates und die Stadtverwaltung darum bitten, diesen Vorschlag zu unterstützen und zu realisieren.

Das sind die Vorschläge


"Die Idee finden besonders die Angehörigen der jüdischen Familien im Ausland herzerwärmend", teilte Jürgen Kumlehn unserer Online-Zeitung mit. Kumlehn und Adloff haben sich bereits im Vorfeld ausgiebig mit dem Thema beschäftigt und sogar schon eine Liste mit Straßennamen zusammengestellt, die infrage kommen könnten. Herausgekommen sind zwölf Straßen - allesamt nach jüdischen Bürgern Wolfenbüttels benannt.

Leopold-Zunz-Straße
Leopold Zunz (1794-1886), Begründer der Wissenschaft des Judentums, Verfasser zahlreicher Werke über jüdische Kultur, besuchte die Samson-Schule von 1803 bis 1809. Später gehörte er vier Jahre lang dem Lehrerkollegium an.

Philipp-Samson-Straße
Philipp (1743-1805) und Herz Samson waren die Stifter und Gründer der Samsonschule.

Samuel-Spier-Straße
Samuel Spier (1838-1903), lehrte seit 1884 an der Samson-Schule. Er war einer der Mitbegründer der „Social-Demokratischen Arbeiterpartei Deutschlands“.

Emil-Berliner-Straße
Emil Berliner (1851 - 1929), der Erfinder der Schallplatte, des Mikrofons und des akustischen Schalldämpfers, besuchte die Samson-Schule von 1861 bis 1865.

Isaak-Marcus-Jost-Straße
Isaak Marcus Jost (1793-1860) war auch Schüler der Samsonschule und gilt als der erste bedeutende Historiograph der Neuzeit.

Marcus-Gumpel-Straße
1697 erhielt Marcus Gumpel Fulda ben Mose einen herzoglichen Schutzbrief. Das erlaubte ihm, sich mit seiner Familie in Wolfenbüttel niederzulassen. Als „Hofagent“ war er überwiegend als Bankier für den Landesherrn tätig.

Samuel-Meyer-Ehrenberg-Straße
Samuel Meyer-Ehrenberg (1773-1853) besuchte die Samsonschule ab 1789 und war ab 1807 deren Leiter. Ehrenberg hat die anfängliche Talmud-Schule in eine wissenschaftliche Schule umorientiert.

Gustav-Eichengrün-Straße
Gustav Eichengrün (1867-1943) war Lehrer an der Samsonschule und bis 1919 siebzehn Jahre lang Mitglied der Wolfenbütteler Stadtverordnetenversammlung. Er starb im KZ Theresienstadt aufgrund der unmenschlichen Lebensbedingungen.

Gebrüder-Schloss-Straße
Nathan (1882-1942) und Louis Schloss (1881-1942) waren erfolgreiche Unternehmer im Bereich des Viehhandels in Wolfenbüttel. Nathan Schloss starb auf einem Bahnsteig des Wolfenbütteler Bahnhofs, als er jüdische Wolfenbütteler zur Deportation verabschiedete. Louis Schloss wurde in der Nähe von Riga gemeinsam mit seiner Frau in einem Wald erschossen.

Joachim-Esberg-Straße
Joachim Esberg (1916-ermordet in Auschwitz) war ein Schüler der Großen Schule. Nach seiner Flucht nach Belgien schrieb er 50 Gedichte, die 2015 mit Hilfe der Stadt Wolfenbüttel in einem Buch veröffentlicht worden sind.

Janusz-Korczak-Platz
Janusz Korczak (1871-1942) war ein polnischer Arzt, Kinderbuchautor und bedeutender Pädagoge. Bekannt wurde er vor allem durch seinen Einsatz für Kinder. So begleitete er die Kinder seines Waisenhauses beim Abtransport in ein Vernichtungslager obwohl das auch für ihn selbst den Tod bedeutete.

Nathan-Weg
„Nathan der Weise“ heißt das berühmte in Wolfenbüttel geschriebene Theaterstück über die Gleichwertigkeit von Religionen von Gotthold Ephraim Lessing, mit dem unsere Stadt weltweit verbunden wird.

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In der Auguststadt wurde eine Straße nach Dr. Siegfried Kirchheimer benannt. Foto: Anke Donner


Straßen als Erinnerungshilfe


"Unser Vorschlag birgt die Absicht, wie bei den anderen oben genannten Benennungen das gleiche Ziel zu erreichen: Die Erinnerung an positive national und international bedeutende Leistungen und das Gedenken an Menschen, die durch politische und kriegerische Maßnahmen viel Leid erfuhren, getötet und umgebracht worden sind. Hier die jüdischen Wolfenbütteler - und in anderen Stadtteilen beispielsweise die Vertriebenen und Flüchtlinge aus den Ostgebieten. Wir denken, dass die Realisierung bei den über die Welt verstreut lebenden Angehörigen jüdischer Wolfenbütteler - und natürlich auch grundsätzlich - auf große Zustimmung und sogar Bewunderung treffen wird, wenn durch Straßennamen in einem ganzen Stadtteil besonders die Erinnerung an die Bedeutung jüdischer Dichter, Denker, Wissenschaftler und Pädagogen vor der Zeit des Nationalsozialismus auf diese öffentliche Weise beständig gepflegt wird", begründen Kumlehn und Adloff ihren Antrag.

Stadt lehnt Antrag ab


Kumlehns und Adloffs Antrag ist ebenfalls an die Fraktionen im Rat der Stadt gegangen. Die Stadtverwaltung teilte auf Nachfrage von regionalHeute.de mit, dass dieser aber nicht auf großen Zuspruch stoße. "Die Verwaltung dankt für diese Anregung, wird aber die Idee zur Benennung ganzer Viertel nicht aufgreifen. Wir halten – wie schon in der Vergangenheit praktiziert - an der Benennung von einzelnen Straßen nach den Namen jüdischer Bürger fest", so Stadt-Sprecher Thorsten Raedlein

Vorbilder Dr. Kirchheimer-Straße und Fritz-Fisher-Straße


In Wolfenbüttel gibt es bereits eine Straße, die nach einem ehemaligen jüdischen Mitbürger benannt ist. Die Dr. Kirchheimer-Straße ist dem jüdischen Arzt Dr. Siegfried Kirchheimer gewidmet, der mit seinerFrau Martha und den Kinder Lore, Alice, Grete und Hans in der Schützenstraße lebte und„Arzt der Auguststadt“ genannt wurde. Kirchheimer verließ 1938 seine Heimat Wolfenbüttel und lebte später in den USA. Am 21. Januar 1991 verstarb er im Alter von 99 Jahren in New York. Zu seiner Heimat Wolfenbüttel blieb er bis zum Schlusseng verbunden.

Eine weitere Straße wurden nach dem jüdischen Wolfenbütteler Fritz Fischer benannt. Fischer lebte von 1891 bis 1933 in Wolfenbüttel. Er wurde im Juli 1933 gemeinsam mitAlfred Perkampus, Alfred Müller von Nazis verhaftet und schwer misshandelt und gefoltert. Er starb im KZ-Braunschweig.Fischer wurde im Linden geboren und geriet in das Visier der der Nazis, weil er ein Kommunist war und sich aktiv gegen die Machenschaften der Nazis einsetzte.


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