"Wir verstehen nur Bahnhof" - Lebenshilfe demonstriert gegen kompliziertes Amtsdeutsch

Landrätin Christiana Steinbrügge nahm die Aktion positiv auf.

Die Vertreter der Lebenshilfe Wolfenbüttel Henrike Schirren (Projektkoordinatorin, hinten links, weiter gegen den Uhrzeigersinn), Axel Koßmann (Öffentlichkeitsbeauftragter) und Kai-Richard Meyer (Vorsitzender des Werkstattrates) brachten 50 Tüten mit Kommunikationshilfen für die Landkreis-Verwaltung mit, die Landrätin Christiana Steinbrügge und Dezernent Bernd Retzki dankend entgegennahmen.
Die Vertreter der Lebenshilfe Wolfenbüttel Henrike Schirren (Projektkoordinatorin, hinten links, weiter gegen den Uhrzeigersinn), Axel Koßmann (Öffentlichkeitsbeauftragter) und Kai-Richard Meyer (Vorsitzender des Werkstattrates) brachten 50 Tüten mit Kommunikationshilfen für die Landkreis-Verwaltung mit, die Landrätin Christiana Steinbrügge und Dezernent Bernd Retzki dankend entgegennahmen. | Foto: Lebenshilfe

Wolfenbüttel. Die deutsche Amtssprache stecke voller Tücken und ist oftmals schwer verständlich – das gelte erst recht für Menschen mit geistigen oder Lern-Behinderungen. Darauf wollte die Lebenshilfe Helmstedt-Wolfenbüttel gGmbH mit einer Aktion unter dem Motto „Wir verstehen nur Bahnhof“ aufmerksam machen und überreichte Wolfenbüttels Landrätin Christiana Steinbrügge unter anderem 50 Schlüsselanhänger, die unterschiedliche Gebärden erklären. Hierüber berichtet die Lebenshilfe in einer Pressemitteilung.


„Eigentlich wollten wir zum europäischen Protesttag für Menschen mit Behinderungen in der Fußgängerzone die Bevölkerung direkt ansprechen“, berichtet Axel Koßmann, Öffentlichkeitsbeauftragter der Lebenshilfe. Diese Veranstaltung zum 5. Mai 2020 mussten die Organisatoren aber pandemiebedingt absagen. Jetzt holten sie die Aktion im kleineren Rahmen direkt bei der Verwaltungschefin des Landkreises Wolfenbüttel nach.

Die 100 wichtigsten Gebärden


Sie überreichten Schlüsselanhänger für Mitarbeiter der Landkreisverwaltung, die der Berufsbildungsbereich der Wolfenbütteler Werkstätten mit Beratung durch den Lebenshilfe-Fachdienst „Unterstützte Kommunikation“ und mit Förderung durch die „Aktion Mensch“ hergestellt hat. Diese Schlüsselanhänger erklären die 100 wichtigsten Gebärden mithilfe eines Symbols auf der Rückseite. Zudem hatten die Lebenshilfe-Vertreter mehrere Exemplare des „Ohne-Wörter-Buchs“ als Präsent dabei – eine weitere Hilfe, um Kommunikationsprobleme aus dem Weg zu räumen.

"Amtssprache steckt voller Barrieren"


Amtsdeutsch sei oftmals schwer verständlich. Dafür gebe es viele Beispiele. „Für Menschen, die kognitiv eingeschränkt sind, steckt die Amtssprache voller Barrieren“, sagt Koßmann. Viele dieser Menschen erhalten zum Beispiel Grundsicherung. „Den entsprechenden Bescheid dazu versteht aber meist nur der Sachbearbeiter selbst. Er steckt voller Beispiele für Amtssprache und Kürzel, die nicht jedem geläufig sind“, sagt Koßmann.

„Das Ziel muss es sein, solche Amtsvorgänge in leichter Sprache zu vermitteln“, betont Henrike Schirren, Projektkoordinatorin der Lebenshilfe. Dabei müssten die Betroffenen immer mit einbezogen werden. „Wenn wir bei der Lebenshilfe Texte in leichte Sprache übersetzen, wird das stets von einer Lesegruppe, die nur aus Menschen mit kognitiven Einschränkungen besteht, geprüft“, so Schirren.

Landrätin offen für Verbesserungen


„Unser Anspruch ist es, Behördenschreiben für alle verständlich zu formulieren. Wir bemühen uns sehr, Leichte Sprache in der Verwaltung umzusetzen – zum Beispiel auf unserer Homepage und in Amtsschreiben – und würden uns freuen, von der Lebenshilfe weitere Anregungen dazu zu bekommen“, sagt Landrätin Steinbrügge. Die Landkreisverwaltung sei schon seit geraumer Zeit auf dem Gebiet tätig und setze zahlreiche Projekte im Handlungsplan Inklusion, erklärte Bernd Retzki, Dezernent für Schule, Jugend und Soziales. Er berichtete unter anderem davon, dass der Landkreis Erklär-Filme zu schwierigen Behörden-Themen produziere.

„Inklusion ist uns ein großes Anliegen. Unser Ziel ist es, dass alle Menschen überall – ob im Beruf oder der Freizeit – dabei sein können. Dafür setzen wir unseren Handlungsplan Inklusion Schritt für Schritt weiter um“, erklärte Steinbrügge. Sie begrüße die Aktion der Lebenshilfe und habe großes Interesse am Fachdienst "Unterstützte Kommunikation" gezeigt, den die Lebenshilfe an ihren Standorten in Wolfenbüttel und Helmstedt etabliert hat und der für die „Protest-Aktion“ beratend tätig war. Die 50 Pakete, die die Lebenshilfe mitgebracht hatte, versprach Steinbrügge sinnvoll in der Verwaltung zu verteilen.


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