Die letzte Ratssitzung in diesem Jahr sorgte für heftige Debatten um die neuen Gruppenbildungen Foto:
In der gestrigen Ratssitzung gab es nicht nur viel Gegenwind für die neue Gruppe "Piraten und FDP", ein heftiger Sturm brach los im Zusammenhang mit dem Austritt Gabriele Lörchners aus der SPD-Fraktion. Die nun parteilose Lörchner hatte beantragt eine Gruppe mit dem Vertreter der Linken, Florian Röpke zu bilden. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Ralf Achilles sprach von "Wählertäuschung" und SPD-Ratsmitglied Werner Blumeyer forderte Gabriele Lörchner zur Rückgabe des Mandates auf.
Gabriele Lörchner verteidigt ihren Austritt aus der SPD-Fraktion Foto: privat
Gabriele Lörchner begründete ihren Austritt aus der Fraktion damit, daß sie wiederholt von ihren Wählern für die politische Linie der SPD kritisiert worden sei. "CDU und SPD sind doch dasselbe, ihr seid doch auf Kuschelkurs mit dem Bürgermeister," zitierte sie die besagten Bürger. Dies sei für sie der Grund, der Partei den Rücken zu kehren. Am 18. Dezember, einen Tag vor der Ratssitzung, stellte Lörchner dann gemeinsam mit Ratsmitglied Florian Röpke von den Linken einen Antrag auf Gruppenbildung.
Ralf Achilles betonte in der Diskussion, die SPD sei im Wahlkampf angetreten, um für "Verläßlichkeit" zu sorgen. Auch dafür sei Gabriele Lörchner gewählt worden. "Ich finde, daß der Wähler getäuscht wurde," führte der Fraktionsvorsitzende aus, da ihr jetziges Verhalten genau das Gegenteil bedeute. Werner Blumeyer warf Lörchner in direkter Ansprache vor: "Du hast keinen Gebrauch davon gemacht, für deine Positionen zu kämpfen." Sich im Wahlkampf umzuorientieren sei nicht vertretbar, so könne Demokratie nicht funktionieren, äußerte sich das Ratsmitglied weiter. "Eine Gruppenbildung aus taktischen Gründen halte ich für falsch," sagte Blumeyer und unterstrich zudem: "Wir haben keinen Kuschelkurs."
Abschließend verwies die Verwaltung darauf, daß noch die Gruppenbezeichnung und die Benennung des Gruppenvorsitzenden ausstehe. Man werde das nachreichen, antwortete Gabriele Lörchner.
Ein geringfügig milderes Klima herrschte bei der Debatte um die andere angekündigte Gruppenbildung von Piratenpartei und FDP (WolfenbüttelHeute.de berichtete). Die Fraktion der Piraten, bestehend aus den Ratsmitgliedern Werner Heise und Arne Hattendorf und Rudolf Ordon, Ratsmitglied für die FDP hatten bereits am 12. Dezember die Gruppenbildung bekannt gegeben. Gruppensprecher und Fraktionsvorsitzender der Piraten Werner Heise hatte in einem Interview am vergangenen Montag deutlich gemacht, daß es keinen Fraktionszwang innerhalb der Gruppe geben werde, man wolle keine "Urzeit-Politik" betreiben.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Prof. Dr. Christoph Helm nahm dies zum Anlaß, darauf hinzuweisen, daß eine sogenannte Urzeit-Politik, d.h. Fraktionszwang, aber auch Verläßlichkeit bedeute. Danach wandte er sich an Gruppensprecher Heise: "da haben sie sich ja einen Partner ausgesucht, mit dem können sie dann wirklich Urzeitpolitik machen in puncto Bildungspolitik."
Werner Heise argumentiert für die neue Gruppe "Piraten und FDP" Foto:
Werner Heise betonte sein Unverständnis über den Gegenwind, der der neuen Gruppierung entgegengebracht werde. In seinen Ausführungen entgegnete er dem Vorwurf einer bloß taktischen Gruppenbildung: "Wir meinen das ernst, das ist kein Scherz. Wir wollen keine egoistische Politik machen." Heise verwies auf inhaltliche Gemeinsamkeiten wie auch ähnliche Prozentzahlen bei der Wählergunst. Man habe bereits vor einem Jahr Gespräche über eine mögliche Gruppenbildung geführt, sagte der jetzige Gruppensprecher, zunächst wollte man aber als Piraten-Fraktion erst einmal selbst in der Politik ankommen. Die entstandene Unruhe sowie die teils lautstarken Zwischenrufe brachten ihn zwar nicht aus der Ruhe, insgesamt sei aber das Verhalten gegenüber der neuen Gruppe "unfair und stellenweise unverschämt," äußerte Werner Heise abschließend.
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen Markus Brix gab zu Bedenken, man solle mit derartigen Vergleichen von Prozenten vorsichtig sein, es gäbe da in nahegelegenen Wahlkreise noch andere Parteien mit ähnlichen Wähleranteilen, mit denen man sich vielleicht nicht identifizieren wolle. Grundsätzlich stellte er fest: "Ihr seid schneller im Rat angekommen als die Grünen seinerzeit." Insgesamt unterstütze er den Wunsch nach besserer Informationspolitik, "insbesondere Einzelpersonen, die sonst abgeschnitten sind, müssen besser mit Informationen versorgt werden." Sorge bereite ihm allerdings die anstehende "Ämterwahl" im Rathaus.
Rudolf Ordon bestätigt die schlechte Informationslage als Einzelperson Foto:
Der FDP-Vertreter Rudolf Ordon bestätigte die mangelhafte Informationsversorgung als Einzelperson und machte gleichzeitig deutlich, daß es sich in keinem Falle um einen taktischen Zusammenschluß der Parteien handele. Auch er verwies darauf, daß bereits vor einem Jahr Gespräche über mögliche Überschneidungen geführt wurden. "Jetzt haben wir festgestellt, daß dies tatsächlich der Fall ist, zum Beispiel in der Bildungspolitik."
In der gestrigen Ratssitzung hatte der Rat die von der neuen Gruppe "Piraten und FDP" beantragte Änderung der Sitzverteilung in den Gremien zu beschließen. In Folge der Neuberechnung verliert die SPD sowohl im Verwaltungsausschuss als auch im Fachausschuss für Sport und Freizeit einen Sitz zugunsten der Gruppe "Piraten und FDP". Fazit des Abends für die SPD-Fraktion: ein Fraktionsmitglied weniger, zwei Ausschussmitglieder weniger. Gleich zwei bittere Pillen zu schlucken.
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