Halbzeit für den Bürgermeister - Das große Interview mit Ivica Lukanic

Herausforderungen, Wahlversprechen, Wiederwahl. Ein Blick auf das Leben als Bürgermeister und ob es den Menschen Ivica Lukanic verändert hat.

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Halbzeit für Wolfenbüttels Bürgermeister Ivica Lukanic. Vor 2,5 Jahren hat er sein Büro im Rathaus bezogen.
Halbzeit für Wolfenbüttels Bürgermeister Ivica Lukanic. Vor 2,5 Jahren hat er sein Büro im Rathaus bezogen. | Foto: Werner Heise

Wolfenbüttel. Am 1. November 2021 trat Ivica Lukanic das Amt des Wolfenbütteler Bürgermeisters an. Die Bürgerinnen und Bürger hatten den seinerzeitigen Stadtbaurat und parteilosen Kandidaten in einer Stichwahl mit 55,72 Prozent gewählt. Jetzt ist er bereits 2,5 Jahre im Amt und hat die Halbzeit der Wahlperiode erreicht. Über seine bisherige Zeit, Herausforderungen und wie es weitergeht sprach er jetzt mit regionalHeute.de Chefredakteur Werner Heise.


Rückblick:


Ivica Lukanic ist der erste hauptamtliche Bürgermeister der Stadt Wolfenbüttel, der parteilos ins Amt gewählt wurde. Sein Vorgänger Thomas Pink trat zunächst noch mit CDU-Parteibuch an, legte dieses dann aber 2018 in Unzufriedenheit mit Entwicklungen bei den Christdemokraten ab.

Nach insgesamt 15 Jahren auf dem Chefsessel im Rathaus trat Pink bei der Kommunalwahl 2021 nicht wieder an. Sechs Kandidaten bewarben sich beim Wähler um die Nachfolge. Einer von ihnen war Ivica Lukanic. Er setzte sich am Ende in einer Stichwahl gegen den SPD-Kandidaten Dennis Berger durch.



Mit 55,72 Prozent der Wählerstimmen wurde Ivica Lukanic zu Wolfenbüttels neuem Bürgermeister gwählt.
Mit 55,72 Prozent der Wählerstimmen wurde Ivica Lukanic zu Wolfenbüttels neuem Bürgermeister gwählt. Foto: Thomas Stödter



Das große Interview mit Ivica Lukanic zur Halbzeit


2,5 Jahre ist es jetzt her, dass Sie das Amt des Bürgermeisters angetreten haben, wie geht es Ihnen?

Ganz gut. Es ist große klasse, aber es waren herausfordernde 2,5 Jahre, das muss man schon sagen.

Sie kamen nicht unerfahren in das Amt. Als Stadtbaurat kannten Sie das Amt des Bürgermeisters aus der Nähe. Inwiefern ist es nun aber vielleicht doch etwas anderes, wenn man selbst mit all den Aufgaben und Erlebnissen auf dem Chefsessel des Rathauses sitzt?

Aus der Vorausschau heraus ist eigentlich vieles eingetreten, was ich erwartet habe. Ich kannte meine Schwächen ja schon vorher und das sind Dinge, an denen ich immer noch arbeiten muss. Ansonsten gab es aus meiner Sicht auch viele unerwartete Geschehnisse, die vor der Wahlzeit bei allen Kandidatinnen und Kandidaten nicht erkennbar waren. Das war am 24. Februar 2022 die Ukraine-Krise, die uns hier in vielfältiger Weise mit Auswirkungen heimgesucht hat und wir auch heute noch an den Auswirkungen arbeiten. Und dann zuletzt am 7. Oktober des letzten Jahres, der Angriff der Hamas und auch das ist in Wolfenbüttel spürbar. Das waren viele Themen, die so nicht zu erwarten waren. Dazu gehörte auch der Weihnachtsmarkt 2021, gleich zu Beginn meiner Amtszeit, der nach langer Vorbereitungszeit coronabedingt nach wenigen Tagen wieder geschlossen werden musste. Das war etwas, das man nicht gerne macht.

Das sind die besonderen Fälle. Wie sieht es beim alltäglichen Ablauf aus? Gibt es da etwas, das Sie sich anders vorgestellt haben? Vielleicht die Arbeitszeit oder zumindest doch mehr Zeit mit der Familie?

Das war lange mit der Familie vorbesprochen, dass das eine tagesfüllende Aufgabe ist. Und das ist auch gar kein Thema, das mache ich gerne. Insofern ist das nicht überraschend. Aber die Herausforderungen sind schon enorm. Wenn man überlegt, die zwei Punkte, die ich zuvor erwähnt habe, wie die sich ausgewirkt haben. Da ist der energiewirtschaftliche Aspekt, wir sind ja zum Großteil Eigentümer der Stadtwerke Wolfenbüttel, wo wir viel zu bewältigen hatten. Dann die Sorge der Bürgerinnen und Bürger zur Gasmangellage seinerzeit, wo wir spontan ein Beratungsbüro eröffnet haben. Das sind einfach die Dinge, die bei all den schönen Vorstellungen, die man dann bei Wahlprogrammen für die Zukunft der Stadt hatte, hinzukamen. Das ist schon enorm gewesen. Bei einem Gespräch mit meinen beiden Amtsvorgängern, haben diese selber reflektiert: “Wir hatten es nicht einfach, aber das, was bei dir jetzt ansteht, ist schon Wahnsinn!”

Und dann gibt es auch viele Dinge, die ich zwar nicht unterschätzt habe, aber die auch für Kolleginnen und Kollegen im Rathaus sehr fordernd sind. Hier beispielsweise die Verwaltungsmodernisierung, bei der es auch um Digitalisierung, Prozesse und die Zusammenlegung von Abteilungen geht. Das ist auch sehr anstrengend. Und natürlich der Generationenwechsel. Dass das in der Massivität kommt, war nicht zu erkennen.

Ich wusste das alles, aber es sind eben nicht die Dinge im Kern, für die man angetreten ist.

Sie haben die Hamas als Herausforderung genannt. Inwiefern macht sich das, was dort in Israel geschehen ist und geschieht, in der Stadt Wolfenbüttel bemerkbar?

Es geht für mich dabei um die Polarisierung der Gesellschaft, eine der Top 10 Herausforderungen für Kommunen. Das Auseinanderdriften der Umfrageergebnisse in den Flanken zeigt dies eindeutig. Der 7. Oktober letzten Jahres hat viel zu Tage gefördert, was uns bewegt und dann kumuliert anlässlich der Recherchen von Correctiv. Und das ist etwas, das mich besorgt. Ich bin ja angetreten, mit einem Glauben an Demokratie an unsere liberale Gesellschaftsstruktur. Wenn man das Gefühl bekommt, dass das ins Wanken gerät auch durch solche Ereignisse, die dann einen Baustein in dieser Debatte auch um antisemitische Fragen bilden, dann ist das etwas, das uns auch hier in Wolfenbüttel bewegt.

Gibt es konkrete Beispiele, an denen man das festmachen kann?

Bisher nicht. Wir haben glücklicherweise in Wolfenbüttel keine besorgniserregenden Entwicklungen. Aber als Kommunalverwaltung beschäftigen wir uns schon mit der Verfassungstreue in der Gesellschaft insgesamt. Das ist ja auch unser Auftrag, nach Recht und Ordnung zu arbeiten. Und deshalb nehme ich das schon auch als meinen Auftrag wahr, hier in die Gesellschaft zu kommunizieren und zu zeigen, was wir Positives an der Demokratie haben. Anhaltspunkte hat es bei den Landtagswahlen gegeben, wo wir Wahlergebnisse gesehen haben, die auch in der Stadt Wolfenbüttel einen Trendwechsel zu zunehmender Polarisierung aufzeigen. Und man sieht das teilweise auch in den Sozialen Medien und in gesellschaftlichen Debatten, dass sich die Menschen durch das Thema Migration oder beispielsweise auch in der Klimapolitik bewegen lassen, aber auch bewegt werden. Da ist eine Polarisierung zu erkennen.

Was unternehmen Sie dagegen? Es gab das Fest der Demokratie auf dem Schlossplatz, weitere Aktionen sollten folgen, sind das die Akzente, die gesetzt werden, um dem zuvor beschriebenen entgegenzuwirken?

Das machen wir auf vielfältige Art und Weise. Allerdings in einer Stadt, in der vieles auch schon angelegt ist und vieles schon vorbereitet war, bevor sich das so gezeigt hat. Dieses Jahr haben wir 100-jähriges Jubiläum des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, das sich für Demokratie eingesetzt hat, zwischen den Kriegen, während der Weimarer Republik gegründet wurde, als die Gesellschaft sehr viel gespaltener war als heute.

Es wird in diesem Jahr Veranstaltungen geben, unter anderem eine Lesung mit Bundespräsidenten a.D. Joachim Gauck im Lessingtheater. Es gab eine Veranstaltung für Ratsmitglieder, bei der viel über die Frage diskutiert wurde, wie politische Entscheidungen bei Bürgerinnen und Bürgern ankommen. Wo werden vielleicht Ängste in der Themensetzung geschürt usw.

Anfang des Jahres haben wir uns entschieden, das ist glaube ich bei der zweiten Veranstaltung auf dem Schlossplatz sichtbar geworden, dass es uns eher darum geht, das Positive unserer Demokratie herauszustellen. Man sieht in der öffentlichen Debatte, dass die Bundesregierung stark unter Feuer steht und es sehr viele Zweifel am Handeln politischer Akteure in der Gesellschaft gibt. Der Vertrauensverlust in Entscheidungsträger und der abnehmende Respekt und Wertschätzung in den Debatten sind Gift für unsere Demokratie. Da darf und muss man eine Mission haben und auf lokaler Ebene seinen Beitrag leisten, um die Dinge ins richtige Licht zu rücken.

Glauben Sie, dass Sie damit tatsächlich die Leute erreichen, die sich rechtsextremen Parteien anschließen?

Das weiß ich nicht und es ist auch nicht messbar, ob das gelingt oder nicht. Trotzdem denke ich, dass es sich lohnt, den Versuch zu machen. In den letzten Jahren haben Debatten, wie jene nach dem Angriff der Hamas, gezeigt, dass das, was ich in unserem Land als selbstverständlich angesehen habe, dass z.B. alle Teile der Gesellschaft die Grenzen und roten Linien antisemitischer Äußerungen oder antisemitischen Handels kennen, überschritten werden. Die Grenzen werden aufgeweicht und bisher unsagbares wird selbstverständlich und alltäglich, wie die Verächtlichmachung von Menschen, die ein Teil unserer Gesellschaft sind.

Ich nutze jede Gelegenheit, um auf die Wichtigkeit des Dialogs hinzuweisen, sei es in öffentlichen Reden oder im privaten Gespräch. Mit meiner 19-jährigen Tochter führe ich beispielsweise Diskussionen darüber, wie man Meinung äußert, ohne zu Verurteilen und ohne Schuldzuweisungen, das ist nämlich gar nicht so einfach. Insgesamt bin ich offen für Gespräche und hoffe, dass diese zu einem besseren gegenseitigen Verständnis beitragen können.

Für mich selbst beanspruche ich nicht, dass ich alle Menschen erreiche. Aber ich mache zumindest die Tür auf und sage: “Wir können reden!” Und wenn ich da bin, dann fordere ich auch das Gespräch ein. Ich glaube, das kann helfen.

Zurück zu Ihren persönlichen Herausforderungen, die Sie als parteiloser Bürgermeister haben. Sind Sie bei Ihrer Arbeit an Grenzen gestoßen, weil Sie kein Parteibuch in der Hand halten und damit keine Partei im Rücken haben?

Das würde ich nicht sagen und das war in Wolfenbüttel auch nicht zu erwarten, dass es Probleme geben könnte, wenn man als parteiloser Antritt. Das liegt aber im Wesentlichen nicht an mir, sondern am Rat, der sich eigentlich sehr sachorientiert den Themen widmet. Insofern waren die 2,5 Jahre großartig.

Was üblich war, ist, dass wir uns am Anfang alle aufeinander einstellen mussten. Und ich denke, für die Fraktionen war das auch nicht so einfach, zumindest für die, die den Wunsch hatten, aus Ihrer Fraktion heraus einen Bürgermeister zu stellen. Aber ich habe in unseren Diskussionen zu Sachthemen davon nichts gespürt.

Was für mich vielleicht etwas herausfordernder ist, dass ich mir natürlich sehr viel mehr Mühe geben muss, mit den Fraktionen intensiv zu sprechen. Das ist grunddemokratisch und deshalb absolut in Ordnung.

Am Anfang wurde mir beispielsweise gesagt: “Wie kriegst du denn ohne Faktionsanschluss deine Mehrheiten zusammen? Das kann ja nicht funktionieren!” Diese Frage geht von der These aus, dass man als einzelne Person (Bürgermeister) die Politik lenken kann und lenken will. Das geht eigentlich gar nicht und ist vermessenes Machtgehabe. Umgekehrt wird da ein Schuh draus und ein Bürgermeister muss mit seiner Mannschaft auch hart daran arbeiten zu überzeugen. Wenn man es mit vielen klugen und vernünftigen Leuten im Rat zu tun hat - und das ist der Fall - dann reden wir über die Sachthemen, wir finden Lösungen und es kommen neue Ideen dazu. Und deshalb kann ich für mich nicht sagen, ich hätte da Schwierigkeiten. Eigentlich werden die Dinge nur besser oder auch besser kommuniziert, wenn man diskutiert. Von daher sehe ich das Problem nicht.

Und wie sah es mit den Verwaltungsmitarbeitern aus? Die mussten sich von Pink auf Lukanic umstellen. Wie gut hat das geklappt? Welche Herausforderungen gab es dort oder gibt es vielleicht auch immer noch?

Ich würde gerne mal Mäuschen spielen, wenn die Kolleginnen und Kollegen miteinander über das sprechen, was hier im Rathaus passiert. Es ist immer schwer. Vorgesetzte machen nicht immer alles richtig und werden hoffentlich auch kritisiert. Es war allen klar, dass wir im Rathaus recht viel umorganisieren müssen, um uns für die Zukunft aufzustellen und dass diese Zeit auch fordernd wird.

Aus Einzelgesprächen bekomme ich jetzt die Rückmeldung, dass es schon eine Zufriedenheit über Kommunikation und Prozesse im Rathaus gibt. Was entschieden wird, ist nicht für alle Kolleginnen und Kollegen immer gut und manchmal sogar belastend. Ich glaube, ein wachsendes Maß Transparenz über Entscheidungen wird von den Kolleginnen und Kollegen gewürdigt. Ob ich den Job gut mache, das müssen andere bewerten. Neben positivem Feedback gibt es kritisches zu hören, das kommt bei mir an und es gibt offensichtlich nicht die Sorge, mir auch mal die Meinung zu sagen. Das finde ich großartig!

Sind die Umstrukturierungen in der Verwaltung jetzt abgeschlossen?

Die größten Organisationsänderungen werden bis zum Ende des Jahres abgeschlossen sein. Kleine Änderungen wird es dann noch Anfang nächsten Jahres geben. Da wird also noch was passieren, aber damit gewinnt man öffentlich keinen Kelch. Die Bürgerinnen und Bürger werden das vermutlich erst zu würdigen wissen, wenn es für sie spürbare Veränderungen geben wird. Das wird noch ein bisschen Zeit in Anspruch nehmen.

Sieht der Bürger noch gar nichts?

Kleinigkeiten, aber da ruft keiner hurra. Eine Sache wird kaum einer merken: das digitale Anmeldeverfahren für Kindertagesstätten. Die, die schon eine Anmeldung hatten, haben das noch analog gemacht und die, die neu dazukommen, wissen nicht, dass es ein ausschließlich analoges Anmeldeverfahren gab.

Seit Anfang des Jahres gibt es zudem das digitale Bauantragsverfahren. Das ist wirklich eine große Herausforderung gewesen, mit erheblichen Datenmengen und Anlagen. Aber nicht jeder baut, sodass es nicht die große Wirkung entfaltet und deshalb einen speziellen Kreis von Kundinnen und Kunden betrifft.

Das große, was dann vielleicht als öffentlichkeitswirksamer Bereich zum Jahresende sichtbar wird, ist unser neuer Bürgerservice. Das Bürgeramt soll aus dem Rathaus ausziehen und in das ehemalige Sportgeschäft im Durchgang zur Kommisse kommen. Das passiert aus verschiedenen Gründen. Einerseits ist das heutige Bürgeramt von der technischen Infrastruktur nicht mehr auf dem aktuellen Stand, andererseits wollen wir eine barrierearme Erreichbarkeit des Bürgerservice ermöglichen.

Die Digitalisierung war ein Bestandteil Ihres Wahlprogramms und die ersten Schritte sind getan. Zuletzt war aber auch zuhören, dass es Schwierigkeiten gab, alle Mitarbeiter mitzunehmen. Wie sehr hemmt das eigene Haus bei der Umsetzung?

Da gibt es verschiedene Punkte, wo man dann merkt, dass es eben nicht so einfach ist. Die sind aber nicht ungewöhnlich. Große Klasse ist zumindest, dass es Fortschritte gibt, für mich aber nicht schnell genug. Das hängt natürlich auch stark mit der Affinität der Kolleginnen und Kollegen zu bestimmten Themen zusammen. Da ist es so, dass bestimmte Digitalisierungsthemen sich schnell entwickeln und andere eben schwieriger umzusetzen sind, weil man ganze Dienststellen mitnehmen muss.

Man muss das natürlich auch als Auftrag für sich annehmen. Wir haben jetzt in zwei Haushalten durchaus die Diskussion gehabt, was uns wichtig ist und wo wir als Stadt Fortschritte machen wollen. Und da hat sich eben durch die starke Aufgabenmehrung, die wir als Kommunen haben, gezeigt, dass man Schwerpunkte setzen muss. Wir können nicht einfach sagen, den Ausbau von Betreuungsplätzen, den legen wir jetzt mal lahm, machen keinen Ganztagsbetrieb und dafür ausschließlich Klimaschutz.

Wenn es nach mir ginge, würde ich mir natürlich wünschen, dass ich massiv drei bis vier Stellen einrichten kann, die sich nur um Transformation kümmern. Aber Changemanagement funktioniert nicht so, dass einer sagt, ich hätte es gern digital und alle machen mit. Es ist tatsächlich ein langwieriger Prozess. Eine Wahlperiode ist viel zu kurz dafür.

Ein anderer Punkt in Ihrem Wahlprogramm war Bürgerbeteiligung. Das wurde merklich zurückgefahren. Auch mit der Bemerkung, dass Mitarbeiter beim Bürgerbeteiligungsformat “TeamDialog” die Lust daran verloren haben. Kann das bei einem so wichtigen Punkt sein?

Nein, das kann nicht sein. Ich glaube, dass der Ablauf und die Resonanz, die es in der öffentlichen Wahrnehmung gab, für einzelne Kolleginnen und Kollegen belastend war. Es lief nicht so richtig rund, es lief nicht so an, wie man sich das vorgestellt hat. Teilweise hatten wir aus der Vergangenheit sehr positive Erfahrungen mit solchen Prozessen. Hier lief es nicht ganz so rund. Aber das heißt nicht, dass wir Bürgerbeteiligung nicht wollen. Insofern haben wir die Schwerpunkte verlegt. Wir haben den Rathausdialog umgesetzt, der aus meiner Sicht auch sehr erfolgreich und überraschend gut besucht wird. Darüber hinaus gab und gibt es im neuen Wissensort Wolfenbüttel etliche Veranstaltungen. Beteiligung wird jetzt eher Sachthemen bezogen und zum Teil auch mit persönlicher Einladung angegangen. Das ist dann auch sehr viel fruchtbarer, weil es um konkrete Interessen geht.

Der TeamDialog hat sich mit der Fragestellung befasst, wie Bürgerbeteiligung in Zukunft aussehen kann. Es lief nicht klasse, aber war von Anfang als Versuchslabor angelegt. Eine Zielsetzung ist, dass wir uns die vorhandene Bürgerbeteiligungssatzung noch einmal vornehmen und in die Zukunft transferieren.

Welche Punkte Ihres Wahlprogramms wollen Sie in den kommenden 2,5 Jahren noch unbedingt umsetzen, weil Sie es versprochen haben?

Also das ist eine ganze Menge, was ich versprochen habe, und ich werde, während der 5-jährigen Wahlperiode nicht alles umsetzen können. Vieles wird fertig und manches angelegt und begonnen sein und mit großer Wahrscheinlichkeit erst in der nächsten Wahlperiode umgesetzt sein. Ich bin trotzdem recht zufrieden. Ein paar Themen habe ich jetzt angesprochen. Im Bereich der Digitalisierung, die sind umgesetzt und da wird dann auch in den nächsten zwei Jahren noch viel passieren. Viele Dinge, die erleben wir gerade: der Umbau der Fußgängerzone, der Entlastungsbau des Gymnasiums im Schloss oder das Feuerwehrgerätehaus in Halchter. Wir werden noch in dieser Wahlperiode die nächsten Planungen für die weiteren Feuerwehrgerätehäuser vorlegen, so dass die Maßnahmenbeschlüsse noch gefasst werden können. Der Hochwasserschutz beschäftigt uns. Hier wollen wir das Projekt neu aufstellen.

Man muss sagen, die Schwerpunkte wurden teilweise durch die Entwicklungen der letzten zwei Jahre verlegt, auch was mein Wahlprogramm betrifft. Schließlich stellen auch die Ratsmitglieder und Fraktionen ihre Anträge und setzen ihre Ziele um. Sodass man während der Wahlperiode schauen muss, wo man Abstriche von seinen eigenen Vorschlägen machen muss und schließlich umsetzt, was wirklich für die Bürgerinnen und Bürger wichtig ist.

Wie steht es um den städtischen Haushalt? Zuletzt rief der nun in den Ruhestand verabschiedete Kämmerer Knut Foraita zum Sparen auf und zeichnete ein düsteres Bild für die kommenden Jahre.

Man muss sehr differenziert auf das achten, was er gesagt hat. Wir stehen finanziell hervorragend dar. Wir hatten jetzt zwei Haushalte, die in der Ergebnisplanung, so wie wir das bisher nicht kannten, defizitär aufgestellt worden sind. Die jüngsten Berichte als Vorausschau für das aktuelle Jahresergebnis zeigen, dass es nicht ganz so dicke kommt. Das kennen wir aber auch aus der Vergangenheit.

Das ist nur ein schwacher Trost, weil wir uns natürlich grundsätzlich Gedanken machen müssen. Wir haben eine Auftragslage im Investitionsbereich - ich sage das so salopp - die geht auf keine Kuhhaut. Das ist echt eine ganze Menge, was Ratspolitik und auch ich als Bürgermeister für die Bürgerinnen und Bürger umsetzen möchten.

Wir sind nach wie vor pro Kopf immer noch eine der investitionsstärksten Kommunen in Niedersachsen. Das heißt: Wir bauen Schulen, wir bauen Straßen, bauen die Fußgängerzone aus. Das kann uns natürlich auf lange Sicht in strukturelle Probleme bringen, weil damit die Netto-Neuverschuldung wächst. Aber wir sind derzeit noch in einer sehr gesunden Spanne. Ich mache mir aktuell keine Sorgen, aber wir müssen zusehen, dass wir langfristig strukturell in den Griff bekommen, was als Aufwand künftige Generationen belasten kann. Da kommen viele Punkte dazu. Durch die Inflation sind die Aufwandskosten gestiegen, durch Tarifvereinbarungen ist natürlich der Personalkostenhaushalt hochgegangen. Das muss eine Kommune natürlich bewältigen und verkraften.

Wir werden uns mit dem Rat zusammensetzen und uns unter festgelegten Kriterien anschauen müssen, was wir alles noch umsetzen wollen, und was wir uns leisten können, und das ist nur in einer bestimmten Zeit schaffbar. Man kann natürlich auch hingehen und sagen “das und das beschließe ich”, dann haben wir nur noch eine Chance und müssen alle Aufgaben mit Personal zuschütten, damit auch Menschen da sind, die das neben den Aufgaben erledigen, die gesetzlich auf uns zukommen und zusätzlich von den Kommunen umgesetzt werden sollen. Aber das kann auch nicht die Lösung sein, weil man damit Dauerstrukturen schafft, von denen man nicht mehr herunterkommt. Damit werden wir uns intensiv zur kommenden Haushaltsaufstellung befassen.

Was bedeutet das für das Vorhaben, das Jugendfreizeitzentrum zu sanieren?

Das ist im Haushalt eingeplant und das Geld ist da. Das, was wir nicht bekommen werden, sind die Fördergelder aus dem gekürzten Transformationsfond des Bundes. Daher müssen wir jetzt mit dem Rat noch einmal überlegen, ob es der große Wurf sein soll oder wir am Konzept etwas abspecken können. Was auch angemessen ist, denn wir können ja nicht alles umsetzen. Diese Debatte muss es geben.
Ich sehe nicht das Problem bei der Finanzierung der Projekte, obwohl wir in schlechteres Fahrwasser kommen. Ich sehe mehr das Problem, dass wir die Ressourcen nicht in dem Umfang haben, wie wir sie brauchen, um all das umzusetzen.

Nur ein Beispiel: Wir sanieren jetzt mit rund 8 Millionen Euro das Standesamt. Parallel dazu mit knapp 15 Millionen Euro den Entlastungsbau des Gymnasiums im Schloss (GiS), die Fußgängerzone usw. Das wird intensiv betreut. Jede Woche, jeden Tag arbeiten da Menschen dran bei uns. Dann wird noch das Feuerwehrgerätehaus in Halchter gebaut, während das andere schon geplant wird. Und parallel dazu wird auch noch die Doppelturnhalle am Landeshuter Platz saniert. Wenn ich das im Umfang der Bauaufgaben für das Amt für Hochbau und Versorgungstechnik mal abgesehen von den zusätzlichen Transformationen in der Energietechnik sehe, dann hat das eine Qualität, die mich an eine Phase erinnert. Das war 2013/2014 als wir gleichzeitig das Lessingtheater saniert haben und den ersten GiS-Entlastungsbau gebaut haben. Das ist schon eine enorme Herausforderung. Und wenn man jetzt sagt, man will nochmal ein 7-Millionen-Projekt gleichzeitig umsetzen, dann geht das nur mit Menschen.

Es gab doch aber eine Personalaufstockung mit dem letzten Haushalt, die dem Wunsch der Verwaltung entsprach und von der Politik genehmigt wurde?

Die Stellen, die beantragt und freigegeben wurden, sind für die seinerzeit laufenden Projekte und keine zusätzlichen vorgesehen gewesen. Für neue Projekte braucht es noch mehr Personal, was irgendwann aber auch nicht mehr darstellbar ist.

Dennoch wird immer wieder das Argument genannt, dass beschlossene Projekte aufgrund der personellen Ressourcen derzeit nicht oder nur stark verzögert umgesetzt werden können. Von außen betrachtet ist das nur schwer nachvollziehbar. Nehmen wir die Umsetzung der Kanonen von der Feuerwache vor das Zeughaus als Beispiel. Was für ein Personalaufwand ist denn dafür nötig, dass man das nicht erfüllen kann?

Es geht nicht um Erfüllung, sondern es geht um Prioritätensetzung in dem Fall. Wir haben das Thema einmal aufgearbeitet und allein durch den Hochwasserschutz sind beim Personal des Bauhofes etliche Überstunden angefallen. Damit schmilzt natürlich das Stundenkontingent für den Rest des Jahres und dann überlegt man, wie die Mitarbeiter eingesetzt werden sollen: Kümmern wir uns fünf Tage um die Kanonen oder setzen wir das Personal für die Grünflächenpflege ein, bevor wieder alles zuwächst.

Es gibt auch viele Dinge, die sich zu meinem Leidwesen verzögern. Wenn ich daran denke, wie wir noch vor 15 Jahren Maßnahmen umgesetzt haben und wie das jetzt vonstatten geht. Es ist beispielsweise so, dass wir kein einziges Vergabeverfahren mehr haben, bei dem wir nicht in die zweite Runde gehen müssen, weil z.B. keine Angebote vorliegen oder weil sie außerhalb des Kostenschätzungsrahmens liegen. Wir haben jetzt sogar Fälle, bei denen wir ein drittes Mal ausschreiben müssen. Wenn man sich das selbst bei den knappen Prozessen mit jeweils acht hintereinander geschalteten Wochen anschaut: da ist ein halbes Jahr futsch, da ist gar nichts passiert!

Hinzu kommen Verzögerungen durch Lieferkettenprobleme und fehlendes Personal bei externen Gewerken. Fast jeder, der privat versucht einen Handwerker zu finden, kennt das Problem. Wenn man jetzt sagt, beauftragt doch eine Firma, die die Kanonen umsetzt, selbst das würde mangels kurzfristiger Zusage nicht funktionieren. Oder man zahlt horrende Preise.

Aber es soll ja heute um Sie persönlich und ihre bisherigen sowie die noch verbleibenden 2,5 Jahre Amtszeit gehen. Gibt es etwas, das für Sie am Amt des Bürgermeisters besonders toll ist, für das Sie jeden Termin im Kalender streichen würden, weil Ihnen das am Herzen liegt?

Am liebsten würde ich allen Einladungen folgen, die ich bekomme und das am liebsten persönlich. Das ist total bitter, wenn ich dann mal absagen muss zu einem 150-jährigen Jubiläum der Feuerwehr. Und das nicht, weil ich denke, alle warten auf mich persönlich, sondern weil ich denke, der Bürgermeister muss da eigentlich hin und auch Präsenz zeigen. Das erwarten die Menschen - und dann kann ich nicht. Das ist mir schon wichtig und das macht mir auch Freude, weil man auch in solchen Situationen wirklich viel zurückbekommt. Aber es gibt drei Stellvertreterinnen und Stellvertreter, die diese Termine mit übernehmen. Man kann nicht überall sein.

Und ich freue mich wahnsinnig über Feedback. Das ist zwar gefiltert und ich weiß auch nicht, ob ich immer die Wahrheit höre oder nicht, aber es gibt bei mir kaum negatives Feedback. Manchmal in den Sozialen Medien oder so, aber das ist alles normal und nicht außergewöhnlich. Aber das ich jetzt irgendwo bitterböse angeschrien werde, das ist nicht so häufig der Fall, eher im Gegenteil, es ist sehr ausgewogen. Die Menschen bedanken sich auch einfach mal für eine Grußwortkarte oder für bestimmte Dinge, wie beispielsweise Gesagten in einer Rede. Das finde ich großartig. Das ist das einzige, das einem ein Gefühl geben kann, ob man falsch oder richtig liegt.

Im Gegensatz zu Mandatsträgern andernorts haben Sie also keine Angst vor Attacken auf der Straße gegen Sie?

Wolfenbüttel ist ein absolut sicheres Pflaster. Angst habe ich nicht, nein. Es gibt aber schon Dinge, die bedenklich sind. Es gibt hier und da mal ein Schlaglicht, wo man sagt: Mensch, wozu können Menschen imstande sein, wenn Sie es nur tun könnten.

Ich habe einmal einen Fall erlebt, der schon recht kritisch war, wie man da angefeindet wird, aber ich habe da keine Angst davor. Da gibt es keinen Anlass dafür. Was verbal schlimm klingt, ist nicht unbedingt körperlich bedrohend.

Wie viel Social Media konsumieren Sie noch selbst und lesen und kommentieren das, was dort geschrieben wird?

Ganz wenig, so gut wie gar nicht. Social Media transportiert für mich Nachrichten, die mich interessieren. Ich habe vor kurzem eine Kommentatorin kontaktiert und zum Hintergrundgespräch eingeladen, weil mir ihr Beitrag pauschal verurteilend vorkam. Das bewegt mich, wenn jemand undifferenziert meine Kolleginnen und Kollegen oder die Verwaltung schlecht macht. Da gebe ich nicht auf und bin gesprächsbereit.

Wenn unendlich viel Geld im Pott des Haushaltes wäre, was würden Sie sich dann für Wolfenbüttel wünschen, um die Stadt weiterzuentwickeln? Gibt es etwas, von dem Sie sagen, das würde Wolfenbüttel ein nationales oder internationales Alleinstellungsmerkmal geben?

Ich bin ein recht bescheidener Mensch. Insofern würde ich für die Stadt nichts umsetzen, womit wir vielleicht in die Medien kämen, die Bürgerinnen und Bürger aber nichts davon hätten. Wir haben eigentlich alles als Thema auf der Liste stehen, was große Klasse ist.

Ich kann jetzt zum Beispiel noch nicht sagen, wie es mit der Landesgartenschau weiter geht, da werden noch Beratungen erforderlich sein. Aber mal angenommen, das kommt, dann haben wir ein Riesenprojekt vor uns. Das kann man sich gar nicht vorstellen, was das für einen Aufwand erzeugt, aber was es vielleicht auch für die Stadt bringen kann. Und eigentlich kann der Rat auch heute noch aus finanzieller Sicht seinen Bürgerinnen und Bürgern fast alle Wünsche erfüllen.

Das, was ich mir wünschen würde, ist, dass man mal eine Perspektive bekommt und erlebt, dass die Vorhaben fertig werden. Ich freue mich auf den Tag, wenn beispielsweise die drei Feuerwehrgerätehäuser fertig sind. Das finde ich große Klasse, das können wenige Kommunen. Das ist doch für unsere Stadt unglaublich, was wir jetzt beim GiS-Entlastungsbau machen.

Was für mich ein großes Thema ist, ist das Elster- und Geitelhaus der Großen Schule. Da bin ich seit Jahren unzufrieden, weil sich immer wieder neue Aufgaben aufdrängen. Das hängt immer noch. Und wenn ich das alles erleben dürfte, was auf dem Zettel steht, dann wäre ich glücklich.

Fehlt es Wolfenbüttel an internationalem Ruf? Wir haben die Herzog-August-Bibliothek, die wirklich nur Kulturbegeisterte kennen und wir haben den Jägermeister, von dem die meisten nicht wissen, dass er aus Wolfenbüttel kommt. Muss Wolfenbüttel mehr Bekanntheit erlangen?

Das hängt immer von der Selbstwahrnehmung ab. Ich finde, die Wolfenbüttelerinnen und Wolfenbütteler können unheimlich stolz auf ihre Stadt sein. Die Frage ist, woran macht man den Maßstab der Bekanntheit fest. An New York oder Berlin? Das sind natürlich Städte anderer Kategorien und Größenordnungen. Aber ich finde, wir haben schon einiges aufzubieten. Wir führen jetzt intern gerade eine Debatte, wie wir im Tourismus etwas entwickeln können. Hoch spannendes Thema. Ich weiß jetzt gar nicht, ob ich das spoilern soll, aber ich sage mal so, es gibt ja auch immaterielles Kulturerbe und ich denke, mit Lessing kann man was machen. Insofern muss man sehen, ob wir da die Fahnen hissen und etwas hinbekommen. Das ist ein Thema, was mich bewegt, aber dann war es das auch.

Reicht das an den Wunsch heran, dass wir international viel stärker auftreten müssen und haben wir damit alles erreicht? Das glaube ich nicht, sondern was für uns entscheiden ist, ist, dass die Menschen hier in der Stadt zufrieden sind und sich auch stolz als Wolfenbüttelerinnen und Wolfenbütteler bekennen. Und da, glaube ich, haben wir Luft nach oben. Die Bürgerinnen und Bürger dürfen stolz auf Ihre Stadt sein und dürfen natürlich auch kritisieren, wenn etwas nicht gut läuft, gar kein Thema. Aber ein bisschen mehr Stolz können sie noch mitbringen. Das dürfen sie auch, sie haben allen Grund dazu.

Wolfenbüttel ist als fahrradfreundliche Kommune zertifiziert und das, obwohl der ADFC im letzten Fahrradklimatest zu einem doch eher abweichenden Urteil kam. Wie beurteilen Sie als bekennender Radfahrer die Fahrradfreundlichkeit der Stadt? Muss sich hier etwas verändern und falls ja, was und wann?

Da muss man den Mut haben, auch einen Perspektivwechsel zu machen. Ich finde es große Klasse, dass der ADFC seinen Fahrradklimatest macht und dass er da eben auch bei einem bestimmten Kreis von Leuten nachfragt, die sehr intensiv auf das Thema schauen. Ich selbst maße mir nicht an, dieses Zertifikat, das wir bekommen haben, zu hinterfragen. Das Gremium, das das vergibt, ist breit aufgestellt und wird auch vom Landesverband des ADFC mitgetragen. Wir vergeben uns als Stadt ja nicht selbst ein Zertifikat, sondern es sind engagierte Verbände und Menschen, die zu dem Ergebnis kommen und das Zertifikat vergeben.

Natürlich ist es nicht so, dass bei uns alles Gold ist, was glänzt. Das Zertifikat ist auch nur ein Teilzertifikat, das zeigt, dass wir was tun und auf einem guten Weg sind und dass bei uns die Voraussetzungen gut sind. Aber wenn man aufs Einzelne guckt, müssen wir eben noch viele Dinge umsetzen. Und da passiert ja auch was. Wir haben den Beschluss zur Einrichtung von Fahrradzonen gefasst und es wird intensiv geplant.

Dann gibt es natürlich stellenweise auch Schwierigkeiten. Mir gefällt beispielsweise die Qualität der Fahrradwege in der Adersheimer Straße nicht. Das ist alles nicht so prickelnd. Aber Sie haben mich ja gefragt, wie ich das selbst erlebe: Ich freue mich, in Wolfenbüttel Fahrrad zu fahren. Ich persönlich habe wenig Ängste im Straßenverkehr und auf unseren Radwegen. Und die Wege, die ich mir wünsche, müssen noch gebaut werden.

Es passiert einiges. Die Landesstraßenbauverwaltung baut jetzt die Verbindung nach Wendessen und wir bauen dort eine Querung und werden quer zur Spange auch selbst die Radwege an der B79 noch einmal ausbauen.

Also, ich bin zufrieden. Ich kann aber auch verstehen, dass beispielsweise der ADFC genau auf viele Knackpunkte schaut, die ich selbst sehe und ich nicht gut finde, aber mein Glück am Radfahren ist dadurch nicht beeinträchtigt.

Also, Sie fühlen sich sicher beim Radfahren?

Ich fühle mich schon sicher, ja. Wenngleich ich weiß, wo Unsicherheit auftreten kann. Und ich bin dann eher noch der sichere Radfahrer. Aber es gibt Menschen, junge Kinder oder auch ältere Menschen, die ein viel höheres Sicherheitsbedürfnis - und auch einen Anspruch darauf - haben. Da müssen wir etwas tun. Es gibt immer noch so ein paar Radwege, die durch irgendwelche Masten eingeschränkt werden. Und so einen Mast zu versetzen ist genauso eine Aufgabe wie Kanonen umzusetzen. Aber da müssen wir ran.

Das wird auch nie fertig sein. Wenn wir uns in 30 Jahren wieder treffen würden, dann ist seither bestimmt viel passiert und trotzdem wird es nicht fertig sein.

In 30 Jahren: Sind Sie dann noch Bürgermeister? Oder um die ernsthafte Frage zu stellen: Wollen Sie nach dieser Amtszeit weitermachen und kandidieren noch einmal?

Das kann ich so abschließend gar nicht beantworten. Natürlich will ich! Ich will auch erleben, dass ich die Dinge, die ich jetzt anstoße, auch ins Ziel trage. Das ist immer so in der öffentlichen Debatte, dass eine Wahlzeit nicht reicht, um die Dinge, die man sich vorgenommen hat, auch alle abzuschließen und umzusetzen. Es gibt Projekte, die fünf, sechs Jahre dauern, die wirklich sehr komplex sind. Die will man natürlich erleben. Insofern hätte ich auch meine Freude, sowas im Amt erleben zu können. Aber ich habe den Antritt für mich noch nicht entschieden.

Ich bin mitten im Tun. Wir haben jetzt Halbzeit. Ich habe total viel Freude daran, jetzt das, was ich noch leisten kann, zu bewegen und mein Fokus ist eigentlich auf den Alltag gerichtet. Auf das, was wir jeden Montag in der Dezernentenrunde besprechen und in der anschließenden Woche erledigen. Daher habe ich mir noch nicht allzu viele Gedanken gemacht. Für mich wird wahrscheinlich, ganz am Ende, wenn ich dann irgendwann entscheide, ob ich noch einmal antrete oder nicht, sehr davon abhängen, was ich aus der Bürgerschaft an Resonanz bekomme. Ob mir Leute sagen: Mensch, das wäre doch Klasse, wenn du es nochmal machst. Wenn ich den Eindruck habe, dass Bürgerinnen und Bürger zufrieden sind. Das kann ich natürlich nicht statistisch erfassen, aber wenn dieser Eindruck entsteht. Dafür gebe ich jetzt meinen Alltag hin, Davon wird es dann abhängen, ob ich noch einmal antrete.

Das klingt so, als würden Sie nach der Gunst der Bürger buhlen wollen.

Das ist mein Job! Sie haben mich gewählt. Das ist nicht Gunst, das ist das Gefühl, das ich für mich haben muss, dass ich den Job in ihrem Sinne gemacht habe. Und da gibt es einen Resonanzboden, der aus Bürgerinnen und Bürgern, den Ratsmitgliedern und allen anderen besteht. Und wenn die Dinge nicht laufen…2,5 Jahre sind eine lange Zeit, da kann noch viel passieren.

Denken Sie ans Hochwasser. Wir haben es bei allen Problemen das erste Mal in der Geschichte geschafft, dass das Wasser bei dieser Hochwasserlage nicht in die Innenstadt oder über den gesamten Rosenwall gelaufen ist. Das ist gut gelaufen. Es hätte auch anders laufen können und vielleicht hätte man das an mir festgemacht. Das sind alles so Punkte, da steckt man nicht drin. Es hätte auch sein können, wie es vielen Kommunen derzeit geht, in denen die Kliniken vor einer gefährdenden finanziellen Schieflage stehen. Bei uns passiert das nicht. Auch so etwas kann man auch am Bürgermeister festmachen. Wir kriegen das hier hin und haben für unser Klinikum ein Zukunftsprogramm aufgelegt und entwickeln gegen den Trend in der Republik.

Insofern sind 2,5 Jahre vor Ende der Wahlperiode einfach viel zu früh. Da kommt es auf Ergebnisse an und daran misst man den Bürgermeister. Die Menschen sehen das auch.

Die niedersächsische Landesregierung berät derzeit eine Verlängerung der bislang 5-jährigen Amtszeit für Hauptverwaltungsbeamte. Wie lange sollte die Amtszeit des Bürgermeisters aus Ihrer Sicht idealerweise sein?

Fünf Jahre sind zu kurz. Ich würde mir tendenziell wünschen, dass meine Amtszeit drei Jahre länger dauern würde. Genau das ist das Problem: Ich muss zur Wahl antreten und viele Dinge sind noch nicht fertig. Das wusste ich aber auch vorher. Daraus habe ich keinen Hehl gemacht. Das ist natürlich undankbar, wenn man sich für so ein Amt bewirbt, weil eben auch klar ist, dass man die Zeit braucht.

Jetzt kommt aber ein spannender Punkt: Es wird auf Landesebene diskutiert, dass es acht Jahre werden sollen. Was passiert, wenn man nach acht Jahren noch einmal antritt? Dann sind es 16 Jahre - und da habe ich eine eigene Haltung. Ich würde es für mich als zu lang empfinden. Ich weiß, es ist ein aufreibender Job. Es kann auch ein Job sein, der den Menschen verändert. Ein Job, der auch auf Dauer anstrengend ist und ich kann - Stand heute - nicht behaupten, dass wenn man diesen Job zehn Jahre und länger gemacht hat, dass man ihn auch dann noch gut ausfüllt. Es gibt Leute, die können das. Andere, die können das vielleicht nicht. Ich habe da meine Zweifel. Ich finde das gar nicht so schlecht, wenn man sagen würde, es gibt zwar eine längere Amtszeit, aber insgesamt gibt es auch eine Gesamtgrenze. Das wünsche ich allen Städten, die Bürgermeisterinnen oder Bürgermeister haben.

Stellen Sie sich vor: für 20 Jahre ein und derselbe Bürgermeister. Ist das so gut? Ich weiß es nicht.

Hat das Amt Sie verändert?

Bisher glaube ich nicht. Ich habe auch im Wahlkampf gesagt: Der Tag wo ich die Entscheidung fälle, dass ich nicht weiter mache, wird der Tag sein, wo ich in den Spiegel gucke - vielleicht morgen, vielleicht abends oder vielleicht sitze ich auch mit meiner Frau an irgendeinem Tisch - und feststellen müsste, dass ich meine Seele für einen Beschluss verkauft habe oder irgendwas gemacht habe was mit meinen Werten nicht vereinbar ist. Das würde dann der Tag sein, an dem ich eine eindeutige Entscheidung fälle. Und das ist bisher nicht passiert. Insofern würde ich sagen, dass mich das Amt noch nicht verändert hat. Aber es ist nicht einfach. Man kann es nicht allen recht machen. Das muss man aushalten. Und man muss Glück mit Menschen haben, die einen durch den Arbeitsalltag begleiten. Das ist der Fall hier im Rathaus und das schützt einen auch davor, sich zu verändern.


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