Autofrei, sozial und sicher - Braunschweiger haben die Wahl für den Verkehr der Zukunft

Die Bürgerbeteiligungen für das Mobilitätsentwicklungskonzept haben begonnen. Bis zum Jahr 2035 soll sich der Verkehr in Braunschweig grundlegend verändert haben. Wo die Reise hingeht, entscheiden aber die Bürgerinnen und Bürger.

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Das Fahrrad wird in Braunschweig überdurchschnittlich viel genutzt.
Das Fahrrad wird in Braunschweig überdurchschnittlich viel genutzt. | Foto: Marvin König

Braunschweig. Das letzte Verkehrsentwicklungskonzept der Stadt Braunschweig ist in die Jahre gekommen - es stammt aus dem Jahr 1998. Bis zum Jahr 2023 will die Stadt Braunschweig ein neues und umfassenderes Mobilitätsentwicklungskonzept (MIP) "von Braunschweigern, für Braunschweiger" entwickeln, wie MIP-Projektleiterin Claudia Fricke es ausdrückt. Hierbei soll allen wichtigen Zukunftsthemen Rechnung getragen werden. Es gibt keine Denkverbote - Entscheiden sollen aber die Braunschweigerinnen und Braunschweiger. Dafür haben sich die beteiligten kreative Beteiligungsformate ausgedacht. Das erste läuft bereits und lädt dazu ein, Szenarien für den Verkehr in der Löwenstadt im Jahr 2035 zu bewerten.


Nachdem in 2020 in einem öffentlichen Beteiligungsverfahren bereits Stärken und Schwächen im Mobilitätssystem von Braunschweig identifiziert wurden, will die Stadt Braunschweig zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern Leitbilder für die Mobilität der Zukunft entwickeln. In einem umfangreichen Beteiligungsprozess werden im Juni neben einer Online-Beteiligung eine digitale Informationsveranstaltung im Livestream, Informationsstände im Stadtgebiet und eine Ausstellung in der Innenstadt angeboten.

Stadtbaurat Heinz-Georg Leuer.
Stadtbaurat Heinz-Georg Leuer. Foto: Alexander Dontscheff



„Wir stehen am Übergang von der Analysephase zur Entwicklung konkreter Mobilitätsszenarien für Braunschweig“, sagt Stadtbaurat Heinz-Georg Leuer. „Straßen, Schienen, Geh- und Fahrradwege bilden die Hauptschlagadern unserer Stadt. Sie sind Aufenthalts- und Bewegungsraum zugleich. Verschiedenste Ansprüche aus den unterschiedlichsten Richtungen manifestieren sich in diesen Räumen. Zugleich verändern sich diese Ansprüche fortlaufend. Darüber, wie der Status quo in Braunschweig beurteilt wird, haben die Mobilitätswoche und die erste Onlinebeteiligung im vergangenen Jahr bereits wichtige Erkenntnisse geliefert.“

Braunschweig überdurchschnittlich im Radverkehr


Zu den Erkenntnissen der Analyse gehört bislang, dass in Braunschweig der Radverkehr überdurchschnittlich hoch vertreten ist. Gleichzeitig ist die Nutzung des ÖPNV jedoch unterdurchschnittlich, obwohl die wenigsten Bürgerinnen und Bürger weiter als 500 Meter zur nächsten Haltestelle laufen müssen. Beim Radverkehr sehe man sich insgesamt gut aufgestellt: "Auf den meisten Einbahnstraßen ist die Gegenrichtung für den Radverkehr freigegeben", erläutert Claudia Fricke und fährt fort: "Das Radverkehrsnetz besteht überwiegend aus getrennten Geh- und Radwegen. Schutz- und Radfahrstreifen sind weniger verbreitet." Defizite sieht man vor allem beim fußläufigen Verkehr und den Sharing-Angeboten. Manche Örtlichkeiten seien zu Fuß kaum erreichbar und die Sharing-Angebote konzentrieren sich im Stadtkern, obwohl sich gerade in den städtischen Randgebieten auch die ÖPNV-Verbindungen ausdünnen - insbesondere bei den Verbindungen zwischen einzelnen äußeren Stadtteilen. Der motorisierte Individualverkehr (Auto) sei jedoch nach wie vor dominant - Parkplatzprobleme in der Innenstadt gebe es aber nicht, wie sich anhand der akzeptablen Auslastung der Parkhäuser belegen lasse.

Die schlimmsten und besten Zukunftsvisionen


Mit diesen Erkenntnissen zum Ist-Zustand will man sich aber nicht zufriedengeben. Braunschweigerinnen und Braunschweiger können daher seit dem 28. Mai auf der Website mep.braunschweig.de über ihre liebste Zukunftsvision abstimmen. Erzählt werden vier Kurzgeschichten zu Extremszenarien mit den Schwerpunkten "vernetzte Mobilität, sichere Mobilität, soziale Mobilität und umweltgerechte Mobilität." Berücksichtigt werden sollen natürlich alle Aspekte, die Kurzgeschichten stellen jedoch Extremvarianten dar. "Wir wollen wissen, was die Braunschweiger davon halten. Was finden sie gut und was nicht? Oder erzählen sie vielleicht sogar eine ganz andere Geschichte? Daraus können wir feststellen, was ist für die Zukunft wichtig?", erklärt Stadtbaurat Leuer. Ein möglicher Schwerpunkt habe sich jedoch bereits im Vorfeld abgezeichnet: "Eines der wichtigsten Szenarien, würde ich hier vorwegnehmen, wird Klimaschutz sein. Ich sag das hier so deutlich, weil wir in der bisherigen Beteiligung festgestellt haben, dass die Sorgen da ganz groß sind. Viele Bürger haben in der Analysephase schon gesagt: 'Achtet darauf, dass der Klimaschutz ausreichend Berücksichtigung findet'."

Denkverbote soll es dabei nicht geben - deshalb ist die Planung für das MEP bislang auch noch kaum definiert. Alles entscheiden wird die Beteiligungsphase. Aber auch ein Szenario "Autofrei" für die Zukunft ist denkbar. Wobei Leuer hierzu anmerkt, dass Braunschweig ja auch schon eine sehr große Fußgängerzone habe: "Man muss versuchen, den Begriff autofrei zu definieren, wenn eben auch in einer Innenstadt gewohnt wird."

Nächster Schritt für 2022 geplant


Im Jahr 2022 soll die Bürgerbeteiligung abgeschlossen sein. Klaus Benscheidt, Fachbereichsleiter Tiefbau und Verkehr erklärt: "2022 werden wir dann alles zusammenführen, um eine Gesamtlösung abzubilden. Weil es nicht eine Lösung gibt, werden wir mehrere Szenarien entwickeln damit man sich bildhaft vorstellen kann: Wie sieht Mobilität in Braunschweig aus?" Dabei werde man alle ausgearbeiteten Szenarien gegeneinanderstellen und schauen, welches die meisten Aspekte abdeckt oder wo beispielsweise der Klimaschutz ins Hintertreffen gerät. "Mit dieser Gegenüberstellung, die wir dann haben, werden wir ein Szenario ableiten was die Ziele die wir uns gesetzt haben am besten abdeckt."

Ein Ratsbeschluss soll dann - so versichert Leuer abschließend - noch vor den nächsten Haushaltsberatungen im Jahr 2023 kommen.


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