BIBS: "Machbarkeit nicht nachgewiesen"


Dr. Wolfgang Büchs (li.) und Niels Salveter. Fotos: BIBS
Dr. Wolfgang Büchs (li.) und Niels Salveter. Fotos: BIBS

Braunschweig. Am Freitag wurde die Machbarkeitsstudie zum Interkommunalen Gewebe- und Industriegebiet Braunschweig-Salzgitter erstmals vorgestellt. Für die BIBS im Rat der Stadt und im Stadtbezirk Timmerlah-Geitelde-Stiddien ist die Studie kaum als Entscheidungsgrundlage geeignet. Die Machbarkeit wurde nicht nachgewiesen, heißt es in einer Pressemitteilung.


Der BIBS-Fraktionsvorsitzende im Rat der Stadt, Dr. Wolfgang Büchs, erklärt dazu:
„Die Machbarkeit konnte nicht nachgewiesen werden. Die Studie ist kaum geeignet als Entscheidungsgrundlage, da es offene Fragen bezüglich des Ausschlusses von nukleartechnischen Betrieben, Ausgleichsflächen für den Artenschutz und Ersatzflächen für Landwirtschaft und Verkehr gibt. Geprägt von Absichtserklärungen und Glaubensbekenntnissen enthält die Studie kaum Konkretes zu vielen Aspekten, die die Bürger vor Ort bewegen. Das Ganze ist eher eine Stoffsammlung für das, was für die Bewertung der Machbarkeit geklärt werden muss.

Wesentliche Knackpunkte sind

  • der rechtssichere Ausschluss nukleartechnischer Betriebe - eine Bedingung des Braunschweiger Rates - planbar nach öffentlichem Recht sei das wohl nicht, aber durch Auswahl der Käufer sowie einzelvertragliche Regelungen (zum Beispiel: über Festlegung persönlicher Dienstbarkeiten, Rückkaufrechte etc.) zum Beispiel mit den Industrie- und Gewerbebetrieben zu regeln. Das gelte auch für Logistik-Unternehmen, die zu verpflichten seien, bestimmte Stoffe dort nicht zu transportieren. Wie das gehen soll, zumal dort der große und längst designierte Übergabebahnhof Beddingen / Stiddien für Schacht Konrad an das Plangebiet angrenzt, blieb unklar.

  • Artenschutz: Keine Aussage zur Machbarkeit gibt die Studie, ob für die Anhang IV Arten der FFH-Liste (hier: Kammmolch und Feldhamster) überhaupt genügend Ausgleichsflächen "im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang" (Naturschutzgesetz) vorhanden sind. Für den Kammmolch ist eine Pufferzone von 1.000 Meter vorzusehen; für den Feldhamster soll die Ausgleichsfläche etwa der Größe der Eingriffsfläche entsprechen. Von einem Kompensationsflächenkonzept ist die Rede - das aber steht in den Sternen.

  • Landwirtschaftliche Ersatzflächen: Die Ackerböden im Planungsgebiet gehören mit zu den besten in Deutschland. Solche Flächen sind daher hoch begehrt und auf dem freien Markt kaum zu bekommen, noch dazu in erreichbarer Nähe für die ortsansässigen Betriebe. Bei der Vorstellung wurde nebulös vom mögl. Ankauf einer Staatsdomäne orakelt, aber auch die Abwägung zwischen einer Handvoll Landwirte gegen die große Zahl von Arbeitsplätzen ins Spiel gebracht. Für uns sind dies keine tragfähigen Argumente für eine Machbarkeit.

  • Verkehr: Sehr optimistisch erscheint, dass bei einem Gewerbe-/Industriegebiet mit direktem Autobahnanschluss 25 Prozent des Verkehrs per Rad oder ÖPNV abgewickelt werden sollen, verbunden mit großen Infrastrukturmaßnahmen (Fahrradschnellstraßen, neue Bahnverbindungen und -haltestellen). Aber auch hier wird die Frage der Machbarkeit in die Zukunft verschoben - auf die Erstellung eines Mobilitätskonzeptes.


Kein Wunder, dass Oberbürgermeister Ulrich Markurth von diesen "Detail"-Fragen jetzt nichts wissen wollte, sondern seine Bewertung der Machbarkeit an so genannten "KO-Kriterien" knüpft wie politische und finanzielle Förderung (40 beziehungsweise 60 Prozent) durch Land und Bund, eine neue Autobahnanschlussstelle, die Aufhebung des Vorranggebietes für Kiesabbau sowie die Genehmigung der Projektbetreibergesellschaft. Das sind jedoch politische Grundvoraussetzungen, die eigentlich geklärt sein müssten, bevor man eine kostenintensive Machbarkeitsstudie in Auftrag gibt.“

Niels Salveter (BIBS), stellvertretender Bezirksbürgermeister des betroffenen Stadtbezirks Timmerlah-Geitelde-Stiddien, erklärt:
„Die Vorstellung der Machbarkeitsstudie ist zwar gerade erst erfolgt, es sind in der Kürze der Zeit aber schon einige markante Punkte zu erkennen, die auch schon in unsereralternativen Machbarkeitsstudie benannt wurden.

  • Als erster, und einer der markantesten Punkte ist natürlich zu nennen, dass der juristische Ausschluss von dem Atomgesetz und der Strahlenschutzverordnung kaum möglich ist, es verbleiben nur zivilrechtliche Mittel aufgrund des politischen Willens der Kommunen.

  • Das Gebiet ist ohne massive Förderung des Landes überhaupt nicht wirtschaftlich, die wirtschaftlichen Risiken trägt der Steuerzahler.

  • Ziel ist es, offenbar ein Industrie-Lärmmonster von >60 dB nachts, 24 Stunden, 7 Tage auf 64 ha zu ermöglichen, umgeben von einem Ring ruhigeren Gewerbes auf 146 ha. Es wurde gesagt, dass sich alles im Rahmen der gesetzlichen Grenzwerte für die angrenzenden Wohngebiete bewegt. Man bedenke aber, dass das trotzdem deutlich lauter ist als bei der jetzigen landwirtschaftlichen Nutzung!

  • Die Stadtklimaanalyse von 2012 findet kaum Eingang. Unsere Argumente werden nicht beachtet, auch nicht durch Nachweise belegt.

  • Es wird offen damit gedroht, den nicht verkaufswilligen Landwirten die Existenzgrundlage durch Baubeginn auf den bereits den Kommunen gehörenden Flächen zu entziehen. Die Aussage, dass die Flächen ohnehin durch die landwirtschaftliche Nutzung stark belastet sind, zeugt von wenig Sensibilität.

  • Das Verkehrskonzept wirkt wenig überzeugend: So dürfte es nach derzeitigem Stand zu einer massiven Zusatzbelastung der anliegenden Ortschaften kommen. Es wurde fast nur Bezug auf den LKW-Verkehr genommen, man geht davon aus, dass 25 Prozent der dort arbeitenden Menschen den ÖPNV nutzen. Bei Schichtbetrieb im ländlichen Raum ist das eher unwahrscheinlich...

  • Ein Sicherheitskonzept fehlt vollständig.

  • Auf die Nachfrage, ob es denn schon konkrete Ausgleichsflächen für die Landwirtschaft und den Artenschutz gäbe, wurde geantwortet, das würde sich schon finden, hier liegt wohl auch noch kein Konzept vor!


Wir sehen uns in vielen Punkten in unseren Befürchtungen bestätigt, werden die Studie intensiv analysieren und in enger Kooperation mit der Bürgerinitiative in Salzgitter unsere Arbeit fortsetzen.“

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