Kommt die Steuer auf Einwegverpackungen in Braunschweig?

Das Bundesverfassungsgericht hat den Weg frei gemacht. So positionieren sich jetzt Verwaltung und politische Parteien in der Löwenstadt.

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Auf solches Geschirr dürfen Kommunen Steuern erheben. Symbolbild
Auf solches Geschirr dürfen Kommunen Steuern erheben. Symbolbild | Foto: Alexander Panknin

Braunschweig. Das Bundesverfassungsgericht hat vergangene Woche eine Entscheidung getroffen, die auch auf die lokale Gastronomie Einfluss haben könnte. Die Erhebung einer Steuer auf Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck für den unmittelbaren Verzehr vor Ort oder als Gericht beziehungsweise Getränk zum Mitnehmen durch Kommunen als örtliche Verbrauchsteuer ist demnach rechtens. regionalHeute.de fragte nach, ob es in Braunschweig jetzt Bestrebungen geben wird, so etwas einzuführen.



Seitens der Verwaltung wird es zunächst keine Initiative in diese Richtung geben. Auf Anfrage heißt es: "Die Stadt Braunschweig wird sich zu dem Thema mit den kommunalen Spitzenverbänden abstimmen. Aktuell ist die Einführung einer solchen Steuer nicht geplant", so Pressesprecher Rainer Keunecke.

Das sagen die Parteien


Doch wie sieht es bei den politischen Parteien aus? regionalHeute.de fragte die im Rat der Stadt vertretenen Fraktionen und Gruppen an. Wie sieht man hier so eine Steuer, und plant man gegebenenfalls die Initiative für eine Einführung? Wir veröffentlichen die Antworten in der Reihenfolge des Eingangs.

"Fonds-Einzahlungen statt Steuer"


Die AfD-Fraktion hält nichts von der Einführung einer neuen Steuer, sieht aber eine Alternative. Ratsherr Stefan Wirtz schreibt:

"Wir hatten im Zusammenhang mit Einwegverpackungen bereits heute vor einem Jahr nach der anstehenden Umsetzung des EWKFondsG in Braunschweig gefragt. Dabei geht es um die Erhebung von Fonds-Einzahlungen bei Herstellern von Einweg-Kunststoffverpackungen insbesondere für `to-go´-Lebensmittelverkäufe in Systemgastronomien und ähnlichem; aus diesem Fond können die Kommunen wiederum Gelder beantragen, um dem erhöhten Reinigungsaufwand gerade im Innenstadtbereich nachkommen zu können.

Wir halten diese zweckgebundene Erhebung für sehr viel sinnvoller als das Eintreiben einer allgemein verwendbaren Steuer, die zudem sämtliche Materialien bei Einwegverpackungen trifft: auch solche aus Holz, Pappe oder verzehrbaren Packungen. Ebenso geben die Verpackungshersteller sicher bereits die Mehrkosten durch diese Fondsabgaben an die Gastronomie weiter, eine städtische Verpackungssatzung wäre da eine Doppelbelastung. Wollen wir wirklich, nach dem Einzelhandel, auch die Innenstadtgastronomie gefährden?

Mehrwegverpackungen eher kritisch


Die auch vom Deutschen Städtebund beabsichtigte Verlagerung zu Mehrwegverpackungen sehen wir hinsichtlich der Hygiene sowie des Transport- und Reinigungsaufwandes eher kritisch: in vielen Fällen bleibt die Abgabe von zumindest gut recyclebaren Einwegverpackungen die beste Wahl und stellt kein Konsumhindernis dar, sofern Müllerzeugung nicht völlig zu vermeiden ist.

Die AfD-Fraktion geht davon aus, dass die Stadtverwaltung entsprechend ihrer damaligen Antwort aktiv den EWK-Fonds nutzen wird und sich damit indirekt auch eine Entwicklung zur Abfallreduzierung beziehungsweise abbaubaren Verpackungen erzielen lässt, ohne eine weitere Steuer einzuführen."



Schon auf das Urteil reagiert


Anders sieht man das bei der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen. Hier hat man auch schon auf das Urteil aus Karlsruhe reagiert und eine Anfrage zum Thema in die Ratsgremien eingebracht. Ratsherr Gordon Schnepel schreibt:

"Die Grüne Ratsfraktion Braunschweig begrüßt das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Erhebung einer Steuer auf Einwegverpackungen als rechtmäßig anerkennt. Dieses Urteil eröffnet auch für Braunschweig die Möglichkeit, durch finanzielle Anreize den Verbrauch von Einwegprodukten zu reduzieren und somit einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.

In Braunschweig existiert bereits das Mehrwegbecher-Pfandsystem RECUP, das von zahlreichen Cafés und Bäckereien genutzt wird. Dieses System ermöglicht es, Getränke unterwegs in wiederverwendbaren Bechern zu konsumieren und so Müll zu vermeiden.

Erst bisherige Maßnahmen evaluieren


Die Grüne Ratsfraktion kann sich die Einführung einer ähnlichen Steuer wie in Tübingen durchaus vorstellen. Allerdings halten wir es für wichtig, zunächst die bisherigen Maßnahmen, wie das RECUP-System, zu evaluieren, um deren Effektivität zu beurteilen. Auf Basis dieser Erkenntnisse können wir dann entscheiden, ob zusätzliche Maßnahmen, wie eine Einwegverpackungssteuer, erforderlich sind, um den Verbrauch von Einwegprodukten weiter zu reduzieren. Dazu haben wir eine Anfrage für den Finanzausschuss, welcher am 6. Februar tagt, auf den Weg gebracht. Wir werden die Antworten der Verwaltung im Anschluss in der Fraktion diskutieren und dann gegebenenfalls weitere Schritte einleiten."



"Umweltbelastung durch Plastik ein Dauerproblem"


Auch die BIBS-Fraktion begrüßt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Rechtmäßigkeit einer Steuererhebung auf Einwegverpackungen für den unmittelbaren Vor-Ort- und Mitnahme-Verzehr. Ratsfrau Silke Arning schreibt:

"Einwegverpackungen finden sich nach Gebrauch häufig im Stadtbild oder im Straßenseitenbereich wieder, müssen dort auf Kosten von Stadt oder Kommune entfernt werden und verursachen auch bei Entsorgung in den Abfallbehältern der Stadt immer Zusatzkosten. Die generelle Umweltbelastung durch Plastik ist zudem ein Dauerproblem.

Das aktuelle Urteil bietet nun in Verbindung mit der Aktualisierung der Verpackungsgesetzgebung, wonach für die Mitnahme von Speisen auch immer Mehrwegverpackungen zur Verfügung gestellt oder akzeptiert werden müssen, einen rechtssicheren Hebel zur besseren Nutzung dieser umweltfreundlichen Angebote. Die BIBS-Fraktion wird sich dafür einsetzen, dass diese Maßnahme in unserer Stadt etabliert wird."


"Interessenvertretung von Mc Donalds"


Die Gruppe Die FRAKTION BS (Die Linke, Volt und Die PARTEI) steht der Einführung einer Verbrauchssteuer auf Einwegverpackungen ebenfalls positiv gegenüber. Ratsherr Udo Sommerfeld schreibt:

"Dadurch ließe sich Müll vermeiden und die Einnahmesituation verbessern.

Wir sind gleichzeitig skeptisch, dass die Mehrheitsfraktionen von SPD und Grünen einem solchen Antrag zustimmen würden. Vergleichbar ist die Abgabe auf Übernachtungen – die sogenannte Bettensteuer - die in fast jeder Großstadt und mittlerweile auch in Klein- und Mittelstädten erhoben wird. Die Einführung dieser Abgabe wurde von unserer Fraktion seit Jahren und zuletzt beim aktuellen Haushalt beantragt. Der Antrag wurde jeweils abgelehnt, da sich die anderen Fraktionen als Lobbyisten der Hoteliers verstehen. Beim Thema Einwegverpackungen verstehen sie sich wahrscheinlich als Interessenvertretung von Mc Donalds und Co.

Trotz der unwilligen Haltung der Mehrheitsfraktionen werden wir das Thema in den Rat bringen."


Ergebnis der Prüfung steht noch aus


Bei der SPD-Fraktion hält man sich noch bedeckt. Es müssten noch Prüfungsergebnisse abgewartet werden. Ratsherr Christoph Bratmann schreibt:

„Die Ratsgremien haben sich mit dem Thema `Besteuerung von Einwegverpackungen´ bereits mehrfach befasst: Schon in der vorherigen Wahlperiode hat der Rat im Rahmen der KGSt-Haushaltsoptimierung die Verwaltung beauftragt, den etwaigen Nutzen einer solchen Verpackungssteuer für Braunschweig zu prüfen. Das Ergebnis dieser Prüfung steht aufgrund der bis dato ungeklärten Rechtslage noch aus.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit einer örtlichen Verpackungssteuer nun bestätigt hat, bliebe gleichwohl noch die Frage, ob Aufwand und Nutzen einer solchen Steuer am Ende in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.

Bundesweit einheitliche Regelung?


Diese Prüfung gilt es aus unserer Sicht vor einer politischen Bewertung auf jedem Fall abzuwarten. Entsprechende Bedenken bestehen aktuell durchaus in unserer Fraktion gegenüber der Einführung einer solchen Steuer in Braunschweig – zumal der Deutsche Städtetag empfohlen hat, zu dem Thema eine bundesweit einheitliche Regelung zu finden.

Unabhängig davon haben auch wir als Fraktion natürlich bereits mehrere Initiativen gestartet, um Verpackungsmüll in Braunschweig zu reduzieren und die Nachhaltigkeit in unserer Stadt zu stärken – so zum Beispiel unser Versuch im Jahr 2021, für eine Zero-Waste-Strategie zu sensibilisieren. Gleichzeitig müssen wir auch darauf achten, dass derartige Maßnahmen bei den Bürgerinnen und Bürgern auf eine Grundakzeptanz stoßen und die ohnehin aktuell unter Druck stehende Gastronomiewirtschaft nicht über Gebühr weiter belastet wird. Ein sehr gutes Beispiel, wie beides gelingen kann, war die Einführung des Recup-Bechersystems in Braunschweig im August 2019, das ebenfalls auf eine SPD-Initiative zurückging. Denn als größte Fraktion im Rat müssen wir stets die Interessen der gesamten Stadt im Blick behalten.“



"Zahlreiche Unternehmen in die Insolvenz getrieben"


Die CDU-Fraktion positioniert sich klar gegen eine neue Steuer und befürchtet negative Folgen für die Gastronomie. Ratsherr Oliver Schatta schreibt:

„Nein, eine Verpackungssteuer lehnen wir ab! Die Gastronomie steht bereits seit Jahren unter großem Druck – von steigenden Energiekosten, über den Fachkräftemangel bis hin zu allgemein gestiegenen Kosten. Seit Anfang 2024 gilt auch wieder ein Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent in der Gastronomie, obwohl die SPD die dauerhafte Reduktion auf 7 Prozent zugesagt hatte. Alleine dieses gebrochene Versprechen hat zahlreiche Unternehmen in unserer Region in die Insolvenz getrieben. Dies bestätigte unlängst der Kreisvorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) bei deren Neujahrsempfang.

Eine zusätzliche Steuer würde nicht nur die Kosten für den Gastronomen und den Verbraucher, sondern auch die Bürokratie massiv erhöhen. Deshalb sind wir mit unserer Kritik daran auch nicht alleine: Branchenkenner und Wirtschaftsexperten warnen vor einer unverhältnismäßigen Belastung der Gastronomiebetriebe und einem ausufernden Regelungswahn. Das gefährdet Arbeitsplätze und sorgt am Ende dafür, dass ein Restaurantbesuch für die Braunschweigerinnen und Braunschweiger zu einer teuren Angelegenheit wird.

"Braunschweig auf einem guten Weg"


Wir setzen vielmehr auf weitere Überzeugungsarbeit, sehen Braunschweig bereits auf einem guten Weg und sind dabei an der Seite des DEHOGA. Denn statt neuer Steuern und Belastungen brauchen wir konstruktive und attraktive Lösungen für Mehrweg. Ein Dialog mit den betroffenen Branchen schafft Akzeptanz und erhöht die Nachfrage. Die Menschen brauchen keine weiteren Preissteigerungen, sondern müssen beim Thema Mehrweg mitgenommen werden.

Unsere Forderung ist und bleibt: Weniger Regelungswahn, mehr Dialog und praxisnahe Lösungen, die alle Beteiligten mitnehmen.“



Auch die FDP-Fraktion war angefragt. Eine Antwort innerhalb der gesetzten Frist bekamen wir nicht. Diese wird gegebenenfalls nachgereicht.

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