Kritik an Gedenkveranstaltungen – Parteien sind gespalten

von Robert Braumann


| Foto: Anke Donner)



Braunschweig. Die Linken üben Kritik am Umgang der Stadt mit Gedenkveranstaltungen. Bereits im vergangenen Jahr sorgte eine geplante Kranzniederlegung an  der Gedenkstätte Roselies zum Volkstrauertag für Diskussionen (BraunschweigHeute.de berichtete). Jetzt wollte die Linksfraktion eine neue, engere Regelung erwirken. Doch der Vorschlag fiel im Ausschuss für Kultur und Wissenschaft und im Verwaltungsausschuss durch. Wie kam es dazu und was sagen die Fraktionen? BraunschweigHeute.de hat für Sie einmal genau nachgefragt. 

Werfen wir aber zuerst einen genauen Antrag auf den Antrag der Linken. Er lautete wie folgt:"Der Rat bittet den Oberbürgermeister zu veranlassen, dass die Stadt am Volkstrauertag zukünftig von der Teilnahme an Veranstaltungen absieht, in bei denen der Militärtradition beziehungsweise dem Wirken von militärischen Verbänden der Wehrmacht, Truppenteilen der kaiserlichen Armee und/oder der Kolonialtruppen gedacht wird." Dazu erklärt die kulturpolitische Sprecherin der Linken, Gisela Ohnesorge: "Schon die Liste der Orte, an denen am Volkstrauertag städtische Kranzniederlegungen stattfinden, zeigt, dass dies auch an Gedenksteinen der oben aufgezählten militärischen Verbände geschieht. Für mich ist völlig unverständlich, dass man einem solchen Antrag nicht zustimmen will, der ein eindeutiges Signal setzt, gerade auch in der momentanen Situation mit dem Wiederaufleben rechtsextremen Gedankenguts." Die Ablehnung kritisierte sie deutlich und sagte, die großen Parteien wollten darüber wohl keine öffentliche Diskussion führen.

Grüne und BIBS stimmten zu




Doch wie sehen es die anderen Fraktionen überhaupt? Elke Flake (kulturpolitische Sprecherin, Grüne) sagte zu BraunschweigHeute.de:"Wir haben dem Linken Antrag im Ausschuss für Kultur und Wissenschaft und im Verwaltungsausschuss zugestimmt. Mit diesem Antrag wird eine schlichte Selbstverständlichkeit formuliert - das wird klar, wenn man sich den genauen - modifizierten - Wortlaut vor Augen führt: 'Der Rat bittet den Oberbürgermeister zu veranlassen, dass die Stadt zukünftig von der Teilnahme an Veranstaltungen absieht, bei denen dem Wirken von militärischen Verbänden der Wehrmacht, Truppenteilen der kaiserlichen Armee und / oder der Kolonialtruppen gedacht wird.' Wir interpretieren diesen Antrag so, dass es den Linken hauptsächlich darum geht, einer verharmlosenden oder verfälschenden Erinnerungskultur entgegenzuwirken. Das deutsche Militär steht bekanntlich sowohl im Kaiserreich (Kolonialismus, Erster Weltkrieg) als auch in der NS-Zeit (Zweiter Weltkrieg) für eine grauenhafte und verbrecherische Kriegsführung. Opfer dieser Kriegsführung wurden bekanntlich auch die eigenen Soldaten, die in beiden Weltkriegen von den Machthabern als "Kanonenfutter" missbraucht und verheizt wurden."

"Militärischen Verbänden soll dabei nicht gedacht werden"


Auch Sebastian Barnstorf (BIBS) schlägt sich auf die Seite der Linken: "Der Antrag der Linken geht auf einen weiterführenden, vom Grundtenor jedoch entsprechenden Antrag der BIBS-Fraktion zur Ratssitzung am 27.11.2014 (Ds. 3713/14) zurück. Dieser Antrag entstand im Zusammenhang mit der Aufdeckung der Vorgänge in der belgischen Kleinstadt Roselies im Ersten Weltkrieg mit einem Massaker unter der Zivilbevölkerung unter Beteiligung des Braunschweiger Infanterie-Regiments 92 im August 1914 sowie den anachronistischen Ehrungen des Wirkens der im Antrag benannten militärischen Verbände am so genannten "Ehrenhain" im Neubaugebiet "Roselies" in Braunschweig insbesondere am Volkstrauertag unter



regelmäßiger Beteiligung offizieller Vertreter der Stadt Braunschweig. Vor diesem Hintergrund unterstützte die BIBS-Fraktion den vorliegenden Änderungsantrag, weil wir gerade im Zusammenhang mit den beginnenden Bemühungen, eine Erinnerungspatenschaft mit den betroffenen belgischen Gemeinden anzustreben, die dringende Notwendigkeit sehen, das Wirken der genannten militärischen Verbände aus Braunschweig mit kritischer Distanz zu betrachten und zu analysieren. Deswegen ist eine Teilnahme städtischer Vertreter an solchen Veranstaltungen unpassend. Gedenken und Ehrungen, an denen die Stadt mit offiziellen Vertretern teilnimmt, können nach unserer Auffassung ausschließlich die Opfer der Kriegshandlungen (Zivilisten wie Soldaten) betreffen. Militärischen Verbänden soll dabei nicht gedacht werden."

Es gibt auch andere Sichtweisen


Doch es gibt auch Gegenstimmen, die zur Ablehnung des Antrags geführt haben. Jens-W. Schicke-Uffmann (Piraten) gab gegenüber BraunschweigHeute.de an: "Der Antrag der Linken lautete: 'Der Rat bittet den Oberbürgermeister zu veranlassen, dass die Stadt zukünftig



von der Teilnahme an Veranstaltungen absieht, bei denen dem Wirken von militärischen Verbänden der Wehrmacht, Truppenteilen der kaiserlichen Armee und/oder der Kolonialtruppen gedacht wird.' Diesen Antrag lehen wird ab. Das heutige städtische Gedenken am Volkstrauertag stellt unseres Wissens immer heraus, dass wesentliche Folge aller Kriege die schwere Verletzung und der vermeidbare Tod zahlloser Menschen gewesen ist. Trotzdem wird heute auch von deutschem Boden aus wieder Krieg geführt; teilweise mit Beteiligung der Bundeswehr und aus wirtschaftlichen Interessen. Wir täten gut daran, uns mehr – und nicht weniger – an die offensichtliche und dennoch offenbar wieder in Vergessenheit geratene Lektion der Geschichte zu erinnern. Man muss sich die Frage stellen, wie nachfolgende Generationen unsere heutigen Kriege bewerten werden."

CDU und SPD positionieren sich


Dr. Sebastian Kretschmann (CDU, Mitglied im Ausschuss für Kultur und Wissenschaft) gab an: "Unsere Ablehnung dieses Antrages begründet sich dreifach. Wir sind zum einen der Auffassung, dass die Verwaltung bereits in der Vergangenheit sehr verantwortungsvoll vorgegangen ist, wenn zu



entscheiden war, an welchen Veranstaltungen ein offizieller Vertreter der Stadt Braunschweig teilnehmen soll und an welchen nicht. Deshalb bedarf es an dieser Stelle keines Beschlusses. Zum anderen ist die im Antrag gewählte Formulierung, wonach dem Wirken der Wehrmacht oder anderer militärischer Truppen gedacht wird, schlichtweg falsch! Es wird heute – und besonders angesprochen sind hier ja die Gedenkveranstaltungen zum Volkstrauertag – ausschließlich der Opfer von Krieg und Gewalt gedacht. Dabei ist unerheblich, wie diese Menschen zu Opfern wurden. Der Volkstrauertag mahnt uns jedes Jahr aufs Neue, welch schlimme Folgen ein Krieg hat; eine von den Linken wie auch immer dort reingedichtete Glorifizierung militärischer Verbände schließt sich damit von vorneherein aus und entspringt vermutlich nur der ideologischen Verklärtheit einiger Linker. Und darüber hinaus, dies als rein formaler Grund, kann der Rat der Stadt Braunschweig dem Oberbürgermeister gar keine Vorschriften machen, zu welchen Veranstaltungen er geht beziehungsweise bei welchen er sich wann, wo und durch wen vertreten lässt."

 Auch der Fraktionsvorsitzenden Manfred Pesditschek äußerte sich gegenüber BraunschweigHeute.de: "Soweit der Antrag der Linksfraktion unterstellt, dass die Stadt Braunschweig in unangemessener Weise an Veranstaltungen zum staatlichen Volkstrauertag teilnehme, teilt die SPD-Fraktion diese Auffassung in keinster Weise und lehnt schon aus diesem Grunde den Antrag ab.


Bei allen Veranstaltungen in Braunschweig zum Volkstrauertag, an denen ich persönlich teilgenommen habe, stand im Mittelpunkt das sehr differenzierte Totengedenken, dessen Text zu diesem Anlass regelmäßig auch vom Bundespräsidenten im Bundestag verlesen wird (Text siehe zum Beispiel unter http://www.volksbund.de/volksbund-volkstrauertag/totengedenken-volkstrauertag.html). Wenn die Linksfraktion im Kulturausschuss Wert legt auf die Feststellung, dass sie ganz bewusst noch nie an einer Veranstaltung zum Volkstrauertag teilgenommen hat, frage ich mich ernsthaft, wie sie zu der Einschätzung kommt, dass hier Änderungsbedarf besteht.“ Da der Antrag bereits in einer früheren Ratssitzung behandelt wurde, hat der Verwaltungsausschuss am 17. Februar 2015 in der Sache abschließend über den Antrag DS 3719/14 entschieden: Der Antrag wurde im Verwaltungsausschuss abgelehnt."


Gisela Ohnesorge kündigte an, das Thema auch in Zukunft nicht aus den Augen verlieren zu wollen. Die Linken wollen weiter an dem Thema dran bleiben.


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