Zukunft Innenstadt: Braunschweiger Verkehrswende - das sagt die Politik

Die Innenstädte verändern sich, nicht nur Einzelhandel und Verkehr. Aber wie damit umgehen? Hier lesen Sie, wie die Fraktionen des Braunschweiger Stadtrates die Fragen der Zukunft beantworten wollen.

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Im Braunschweiger Rathaus wird über die Zukunft des Stadtverkehrs in Braunschweig entschieden. Wie der aussehen soll, darüber sind sich die Parteien jedoch uneins.
Im Braunschweiger Rathaus wird über die Zukunft des Stadtverkehrs in Braunschweig entschieden. Wie der aussehen soll, darüber sind sich die Parteien jedoch uneins. | Foto: Robert Braumann

Braunschweig. Unsere Innenstädte werden sich in den kommenden Jahren verändern, wie schon lange nicht mehr. Amazon und Co laufen dem Einzelhandel den Rang ab, die Verkehrswende stellt den Individualverkehr infrage und von ehemaligen Shoppingtempeln bleiben leere Betonruinen. Was also tun? Diese Fragen haben wir den Fraktionen des Braunschweiger Stadtrates im Rahmen unserer Artikelserie "Zukunft Innenstadt" gestellt. Lesen Sie hier den vierten und letzten Teil.


Einig sind sich die Fraktionen nur in einem: Der Wandel kommt. Wie er zu gestalten ist, darüber sind sie sich natürlicherweise uneinig. Im Folgenden kommen alle Fraktionen, die derzeit im Stadtrat vertreten sind, zu Wort. regionalHeute.de hat die Fraktionen zum Verkehr der Zukunft befragt. Ihre Antworten werden im Folgenden zusammengefasst.

Die Verkehrswende


So einig sich die Parteien über einen Wandel in der Verkehrslandschaft sind, so uneinig sind sie sich über die Konsequenzen, die daraus erwachsen. Beispiel autofreie Innenstadt: Grundlegend einig sind sich die meisten Parteien darüber, dass die Zukunft im Mix der Verkehrsmittel liegt, also Auto, Fahrrad und öffentlicher Nahverkehr. Lediglich BIBS und die Linke sprechen sich für die vollständige Befreiung der Innenstadt vom motorisierten Individualverkehr aus. Eine Forderung, die die BIBS seit Jahren immer wieder erfolglos in den Rat einbringt. Erreichbar soll die Innenstadt dennoch für jedermann bleiben, etwa über Parkhäuser am Rande der Innenstadt und die Mitnutzung größerer Parkplätze von Menschen, die in die Innenstadt wollen, etwa an der Volkswagenhalle.

Parkhäuser, wie hier am Eiermarkt, sind selten voll ausgelastet. Zwischen den Parteien herrscht Uneinigkeit, ob deswegen Parkplätze an der Straße gestrichen werden sollten.
Parkhäuser, wie hier am Eiermarkt, sind selten voll ausgelastet. Zwischen den Parteien herrscht Uneinigkeit, ob deswegen Parkplätze an der Straße gestrichen werden sollten. Foto: regionalHeute.de


Die übrigen Parteien dagegen sind weniger radikal: Zwar spricht niemand der Innenstadt eine höhere Aufenthaltsqualität durch weniger Autoverkehr ab, ganz verbannen wollen sie diesen dann aber doch nicht. Wo die CDU eine bewusste Entscheidung für ein Verkehrsmittel je Zweck vor Augen hat, sieht die AfD eine "historisch langfristig gewachsene" Raumaufteilung, deren Verengung lediglich den Verkehrsfluss stören würde.


Die FDP hält "große, schlecht kommunizierte Revolutionen", wie die autofreie Innenstadt schlicht für falsch. Der Verbrenner sei ohnehin auf dem Rückzug. Das Problem von Motorengeräusch und Abgasen werde sich also von ganz allein erledigen. Man müsse bloß etwas warten. Irgendein Verkehrsmittel zu priorisieren kommt für die Liberalen nicht infrage. Im Gegensatz zur CDU: Die findet gerade durch die zweckgeleitete Fahrzeugwahl, habe das Auto seine Privilegien verdient. Speziell bei schweren Einkäufen.

Die Flächen neu verteilen


Etwas anders sieht das manche Partei links der Mitte. Auch wenn Grüne, SPD und P2 den motorisierten Individualverkehr nicht aus der Innenstadt verbannen wollen, soll er zumindest nicht mehr bevorzugt werden. Die Grünen etwa halten das Auto räumlich gesehen aktuell für "unverhältnismäßig bevorzugt". Deshalb müssten die Verkehrsflächen, die aktuell vom Auto besetzt werden, neu verteilt werden. ÖPNV-Spuren, Fahrrad- und Fußgängerwege müssten zulasten des motorisierten Individualverkehrs entstehen. Für die Grünen ist auch eine teilweise autofreie Innenstadt, etwa im Magniviertel, vorstellbar. Ähnlich lesen sich die Ideen der SPD, die allerdings für eine weitere Einbeziehung der Bürger wirbt. Das sei wichtig für die Akzeptanz. Auch wenn neue Konzepte zunächst auf Widerstand stießen, glauben die Sozialdemokraten, werden die Menschen die höhere Aufenthaltsqualität durch weniger Autos in der Innenstadt zukünftig honorieren.

Staus, wie hier am Bohlweg, sind in Braunschweig kein seltenes Bild. Für viele ist das ein Problem der Raumaufteilung.
Staus, wie hier am Bohlweg, sind in Braunschweig kein seltenes Bild. Für viele ist das ein Problem der Raumaufteilung. Foto: Sina Rühland


P2, also die Fraktion aus der Partei DIE PARTEI und den Piraten, will den "umweltfreundlichen Verkehr" bevorzugen, was allerdings keinen Ausschluss des motorisierten Individualverkehrs bedeute. Für die Autos allein seien die Straßen zu groß, deshalb müssten ÖPNV und Fahrräder bevorzugt werden. Und je mehr damit führen, desto leerer würden die Straßen. Das bedeute mehr Platz für andere Fahrzeuge. Das bedeute aber auch, dass die Abstellmöglichkeiten für Fahrräder erweitert und der ÖPNV ausgebaut werden müssten.

Konzeptlose Stadt?


Einig sind sich alle Parteien übrigens über drei Dinge: Erstens müssten die Parkhäuser in jedem Fall erreichbar bleiben. Zweitens müssten "Park + Ride" Angebote ausgebaut werden, bei denen außerhalb der Innenstadt geparkt und dann mit Bus und Bahn hineingefahren werden könne. Und Drittens: Die Stadt Braunschweig hat nach Meinung aller Fraktionen im Stadtrat kein ausreichendes Verkehrskonzept. Zwar sei der Mobilitätsentwicklungsplan (MEP) im Aufbau, wann genau der Plan fertig sei, stünde allerdings noch nicht fest. Er solle jedoch das alte Konzept ersetzen, das aktuell 22 Jahre auf dem Buckel hat.

Wie dieses Konzept konkret aussieht, steht noch nicht fest. Die Linken sehen jedoch vielversprechende Ansätze, ebenso die Grünen, die hoffen, dass der Status quo mit dem MEP "zum Positiven" überwunden werde und das "hoffentlich bald". Die P2 rechnet nicht vor 2022 mit dem Konzept, während die AfD glaubt, dass die ersten Ansätze "nur aus Allgemeinformeln" bestünde und damit noch in den Kinderschuhen stecke. Die FDP blickt dem Konzept "voller Erwartung" entgegen, habe aber aktuell wenig zu klagen. Die freien Demokraten warnen vor Schnellschüssen, die die Planung behindern könnten.

Ein neues Konzept - aber wie?


Aber was soll rein in das neue Konzept? Die CDU etwa fordert intelligentere Ampelschaltungen, um den Verkehrsfluss zu optimieren, ebenso Pop Up-Lanes, also temporäre Fahrradwege für die wärmeren Jahreszeiten, wenn mehr Menschen das Auto ohnehin stehen ließen. Die FDP dagegen auch den Liefer- und Entsorgungsverkehr mit in die Rechnung nehmen. Immerhin könnte das Schienennetz der Stadtbahn auch dafür verwendet werden, um so die anderen Spuren zu entlasten. Die AfD will dagegen den Autoverkehr entlasten, auch in Hinblick auf die Unfälle zwischen Straßenbahn und anderen Verkehrsteilnehmern, wie etwa am Schloss im vergangenen August.

Weniger Autos, mehr Fahrräder und ÖPNV? Noch ist die Zukunft des Verkehrs nicht entschieden.
Weniger Autos, mehr Fahrräder und ÖPNV? Noch ist die Zukunft des Verkehrs nicht entschieden. Foto: pixabay


P2, die Grünen, Linke und BIBS sind sich grundlegend einig, dass vor allem Fuß- und Fahrradverkehr gestärkt werden müssen, unterscheiden sich jedoch in ihrer Radikalität. Während die P2 mit Verweis auf unausgelastete Parkhäuser Parkplätze streichen will, will die BIBS neue Stadtquartiere gleich vollkommen autofrei gestalten. Die Grünen wollen dagegen den Durchgangsverkehr schwächen und "ungenutztes Potenzial" durch Umverteilung der Verkehrsfläche nutzen. Die SPD fügt an, dass Car- und auch Bikesharingsysteme zu einem "intelligenten Verkehrsmix" beitragen könnten. Fokus müsse aber auf Fahrrad- und öffentlichen Nahverkehr liegen.

Die Vorschläge sind also divers. Seit 2019 ist das Konzept in Arbeit und soll in naher Zukunft fertiggestellt werden. Wie es am Ende aussieht und welche Vorstellung mit einfließen, kann nur die Zukunft zeigen. Umstritten, damit ist jedenfalls zu rechnen, wird die Zukunft des Braunschweiger Innenstadtverkehrs allemal.


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