Der Stoff in Atombomben: Plutonium bei Braunschweiger gefunden

Die Staatsanwaltschaft hält sich zu Details bedeckt. Auf Basis der verfügbaren Informationen lässt sich aber feststellen, wie gefährlich der Fund war.

(Symbolbild)
(Symbolbild) | Foto: Archiv

Braunschweig / Gifhorn. Schusswaffen, Chemikalien und diverse radioaktive Stoffe waren das Ergebnis der Durchsuchung der Wohnung und des Elternhauses eines 43-jährigen Braunschweigers, der von der Polizei Ende Oktober eigentlich aus einem anderen Grund festgenommen wurde. Er hatte gedroht, seine Vorgesetzten umbringen zu wollen (regionalHeute.de berichtete). Unter den gefundenen Elementen habe sich auch eine geringe Menge Plutonium befunden. Der Stoff, der die Nagasaki-Atombombe zünden ließ. Doch wie gefährlich ist Plutonium wirklich? Und wieso ist die Menge so entscheidend?



"Ich kann Ihnen bestätigen, dass im Rahmen der Durchsuchung im Landkreis Gifhorn am 26. Oktober neben dem bereits benannten radioaktiven Stoff Nickel-63 auch ein Plutonium-Isotop aufgefunden worden ist. Es handelt sich insoweit aber nicht um waffenfähiges Plutonium, sondern ein Plutonium-Isotop, das regelmäßig zur Kalibrierung bestimmter Messgeräte eingesetzt wird", erklärt Staatsanwaltschaftssprecher Christian Wolters gegenüber regionalHeute.de. Wolters weiter: "Das Plutonium war entsprechend des Strahlenschutzgesetzes ständig von einer dichten, festen, nicht zerstörungsfrei zu öffnenden, inaktiven Hülle umschlossen, durch die bei üblicher betriebsmäßiger Beanspruchung ein Austritt radioaktiver Stoffe mit Sicherheit verhindert wurde. Es lag keine Beschädigung dieses Behälters vor, sodass zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für die Umwelt oder die Öffentlichkeit bestanden hat."


Welches Plutonium?


Zur genauen Menge des aufgefundenen Plutoniums äußerte sich die Staatsanwaltschaft nicht. Auch nicht dazu, welches Isotop sich im Besitz des Beschuldigten befand. Bei Isotopen handelt es sich um unterschiedliche Formen eines Elements mit einer unterschiedlichen Zahl von Neutronen im Atomkern, wodurch das Atom nicht nur "schwerer", sondern meist auch instabil wird. Bei seinem Zerfall in andere Elemente geben diese Isotope dann radioaktive Strahlung ab. Isotope, die das nicht tun, werden "stabil" genannt. Sogar in Bananen kommt neben "stabilem" Kalium übrigens auch das radioaktive Isotop Kalium-40 vor - und das so zuverlässig, dass es sogar den Begriff "Bananendosenäquivalent" gibt. Bananen geben damit übrigens mehr ionisierende Strahlung ab als Handys.

Was ist "waffenfähiges Plutonium?"


Im Gegensatz zu Kalium-40 kommt Plutonium in allen Varianten in der Natur quasi nicht vor. Es wurde vor dem Auffinden in einigen natürlichen Mineralien zuerst im Labor entdeckt und wird bis heute hauptsächlich durch die Aufspaltung von Kernbrennstoff in Atomreaktoren produziert, wobei schwerere Uranisotope zu leichteren Plutoniumisotopen zerfallen. Das gezielte Herstellen von anderen radioaktiven Isotopen durch Kernspaltung wird "Brüten" genannt. Als "waffenfähiges Plutonium" gilt dabei das Isotop Plutonium-239, das aber nur in größeren Mengen erzeugt wird, wenn man es sozusagen darauf anlegt. Deutlich häufiger wird durch den radioaktiven Zerfall von Kernbrennstoff in Atomreaktoren das Isotop Plutonium-240 erzeugt, das zwar als "Reaktorfähig", aber nicht als "Waffenfähig" gilt.

Welche Gefahren birgt Plutonium?


Die Isotope unterscheiden sich in der Intensität ihrer Strahlung dramatisch. Während bei Plutonium-240 nach "nur" 6.563 Jahren die Hälfte der Atomkerne zerfallen sind und sich die Radioaktivität somit reduziert (die sogenannte Halbwertzeit) sind es bei Plutonium-239 ganze 24.110 Jahre. Welches Isotop der Braunschweiger Beschuldigte aus seinem Unternehmen schmuggeln konnte, ist unbekannt. Laut einem Papier der Braunschweiger Firma Eckert & Ziegler werden die Isotope Plutonium-238 und 239 für die industrielle Kalibrierung von Messgeräten angeboten - also auch waffenfähiges Plutonium. Waffenfähig ist das allerdings erst, wenn es mehr als 92 Prozent Plutonium 239 enthält. Wenn man es nicht - wie erwähnt - darauf anlegt, sind die Verunreinigungen in der Regel größer. Unter Anwendung von Materialien wie Beryllium oder Wolframcarbid könne man bei Plutonium allerdings eine "überkritische Masse" hervorgerufen werden, da diese Materialien Neutronen reflektieren - also vom Plutonium abgegebene Neutronen zurück in die "Masse" werfen und so weitere Kernspaltungen provozieren. Bei einer überkritischen Masse wird durch eine Spaltung mehr als eine Spaltung hervorgerufen - die Reaktivität steigert sich ins Unermessliche. Bei einem Unfall dieser Art tötete ein als "Demon Core" getaufter Plutoniumkern bei Experimenten in den 40er Jahren in den USA zwei Wissenschaftler und verletzte weitere schwer. Doch auch dieser Fall scheidet bei den Besitztümern des Verdächtigen aus Braunschweig aus - damit so etwas gelingen kann, bräuchte man mehrere Kilogramm Plutonium. Ebenso für einen Reaktor - also, keine Atomkraft, keine tödlichen Strahlungsblitze.

Es bleibt die Strahlung


Bleibt also noch die "gewöhnliche" Strahlung. Ionisierende Strahlung ist in unserer Welt allgegenwärtig. Plutoniumisotope senden vor allem Alphastrahlung aus, in geringeren Mengen Gammastrahlung. Gammastrahlung ist am gefährlichsten, weil sie auch feste Materie durchdringt und so im Körper schwere Schäden verursachen kann. Alphastrahlung hingegen wird schon von der menschlichen Haut aufgehalten und wird teilweise sogar von unserem Straßenpflaster produziert. Man müsste einen Alphastrahler schon essen, um sich ernsthafte Schäden zuzufügen. Vollkommen ungefährlich ist Strahlung allerdings nie - nach den Maßgaben des Strahlenschutzgesetzes ist sie immer zu vermeiden, wenn von ihr "kein Nutzen" für die Bevölkerung ausgeht, wie zum Beispiel in der medizinischen Anwendung. Allerdings schätzt das Ärzteblatt die Strahlengefahr von Radon in unseren Häusern als die größte in unserer Umgebung ein.



Wie geht es weiter?


Die Staatsanwaltschaft setzt indes ihre Ermittlungen gegen den 43-jährigen Braunschweiger fort. Insbesondere zur Herkunft des Plutoniums werde noch ermittelt. Dem Beschuldigten wird der unerlaubte Umgang mit radioaktiven Stoffen vorgeworfen. Das Gesetz sieht für derartige Verstöße Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren vor.


mehr News aus der Region


Themen zu diesem Artikel


Polizei