Deutliche Mehrheit: Landkreis geht gegen Asklepios in Berufung

Für die Fortsetzung des Rechtsstreits werden weitere 890.000 Euro zur Verfügung gestellt. Der Landkreis war in erster Instanz in allen Klagepunkten gescheitert.

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Mit 27 Dafürstimmen hat der Kreistag in einer Sondersitzung der Berufung im Verfahren des Landkreises Goslar gegen Asklepios zugestimmt. 16 Kreitagsmitglieder (CDU und AfD) stimmten dagegen.
Mit 27 Dafürstimmen hat der Kreistag in einer Sondersitzung der Berufung im Verfahren des Landkreises Goslar gegen Asklepios zugestimmt. 16 Kreitagsmitglieder (CDU und AfD) stimmten dagegen. | Foto: Marvin König

Goslar. Eine Sondersitzung des Kreistages Goslar hat sich am heutigen Montag mit deutlicher Mehrheit für ein Berufungsverfahren im Rechtsstreit zwischen dem Landkreis Goslar und dem Krankenhausbetreiber Asklepios entschieden. Im Zivilprozess über eine Verletzung des Privatisierungsvertrages am Standort Clausthal-Zellerfeld war der Landkreis am 22. Januar vor dem Landgericht Braunschweig gescheitert. Ein Änderungsantrag der Linken zur Beauftragung einer anderen Anwaltskanzlei mit dem Berufungsverfahren fand keine Mehrheit.


Es war eine Entscheidung "auf den letzten Drücker." Denn wie Landrat Thomas Brych (SPD) gleich eingangs hervorhebt, endet die Frist zum Einlegen einer Berufung bereits am heutigen 22. Januar um 24 Uhr. Nach langen Gesprächen sei er sich nun sicher: "Ich bin überzeugt, dass es sich bei dem vorliegenden Urteil um ein Fehlurteil handelt und wir den weiteren Rechtsweg beschreiten sollten". Aus Sicht des Landrates bestünden "deutlich größere Chancen zu obsiegen, als zu verlieren". Im Antrag heißt es: "Das Urteil enthält eine Vielzahl von handwerklichen, sachlichen und rechtlichen Fehlern. Die Argumente des Landkreises wurden mehrheitlich ignoriert."

Landrat Thomas Brych.
Landrat Thomas Brych. Foto: Marvin König



Erstmals geklagt hatte der Landkreis Goslar auf einhelligen Beschluss des Kreistages im April 2019. Asklepios habe aus Sicht des Landkreises den Privatisierungsvertrag aus dem Jahre 2003 verletzt. Dreh- und Angelpunkt des Rechtsstreites sei die vertraglich festgeschriebene Verpflichtung zur "Weiterentwicklung" der Krankenhäuser durch den Asklepios-Konzern, was durch die fortschreitende Reduzierung von Betten in der Einrichtung nicht gegeben sei. Nach dem Privatisierungsvertrag sind Strafen von bis zu einer Million Euro pro Jahr möglich, die der Landkreis Goslar vor Gericht erstreiten wollte.


"Asklepios wäre in Berufung gegangen"


SPD-Landratskandidat Dr. Alexander Saipa (SPD) stimmt seinem Parteikollegen Brych zu. "Es ist gut angelegtes Geld für die Rechte der Bürgerinnen und Bürger zu kämpfen", meint Saipa und macht dabei nicht nur seinem Unmut über das Urteil Luft: "Das Braunschweiger Landgericht sagte, dass Clausthal-Zellerfeld wohl bald kein Krankenhaus mehr brauche. Dieses Urteil obliegt der Judikative wahrlich nicht." Er argumentiert weiter, dass die Gegenseite ein Urteil zugunsten des Landkreises niemals hingenommen hätte und wohl sofort in Berufung gegangen wäre.


"Vor Gericht und auf hoher See ist man mit dem lieben Gott alleine", leitet Detlev Vollheyde (Bürgerliste) seine Rede ein und sagt den Bestrebungen des Landrates im Namen seiner Fraktion die volle Unterstützung zu. Vollheyde erinnert: "Wir wollten diese Klage, weil sie möglicherweise das letzte Mittel ist das uns bleibt, um in der Konzernspitze bei Asklepios überhaupt etwas zu erreichen."

CDU gegen Berufungsverfahren


Bernd Rotzek (CDU) plädiert hingegen - wie angekündigt - dafür, sich geschlagen zu geben: "Die Verpflichtungen des Vertrages sind so unkonkret, dass uns das Gericht bestätigt hat, dass wir daraus keine vertraglichen Ansprüche ableiten können." Er greift auf die Metapher Vollheydes zurück: "Vor dem Landgericht in Braunschweig haben wir nicht nur Mast- und Schotbruch erlitten, wir sind untergegangen." Die vorliegende Situation sei die "Krux der Privatisierung" im Krankenhauswesen, die zu Zeiten der Privatisierung nicht abzusehen gewesen sei. "Es hieß, ein Beamter kann kein Krankenhaus führen und wir waren in der Notlage, dass wir die finanziellen Voraussetzungen nicht mehr schaffen konnten, um es weiterzuführen." Asklepios hatte sich im Jahr 2003 dazu bereit erklärt, alle drei Standorte zu übernehmen. Der Landkreis selbst hatte als damaliger Träger der Krankenhäuser aufgrund fehlender Refinanzierung der Investitionen in die Kliniken jährlich Fehlbeträge zwischen drei und fünf Millionen Euro auszuweisen.

Linke will Berufungsverfahren mit anderem Anwalt



Rüdiger Wohltmann, Kreistagsabgeordneter der Linken (Archivbild)
Rüdiger Wohltmann, Kreistagsabgeordneter der Linken (Archivbild) Foto: Robert Braumann



Die Linke hat zur Sitzung einen Änderungsantrag eingebracht, nachdem die bislang mit der Vertretung des Landkreises beauftragte Kanzlei Latham & Watkins - die auch für den Privatisierungsvertrag verantwortlich zeichnete - für das Berufungsverfahren durch eine neue Rechtsvertretung abgelöst werden soll. Für die Kanzlei in der Kreistagssondersitzung anwesend war der Anwalt Dr. Henning Schneider. "Wir müssen heute feststellen, was für einen schlechten Vertrag wir seinerzeit abgeschlossen haben. Die Ausführungen von Dr. Schneider waren für uns in keiner weise überzeugend".

Wohltmann meint, dass es schon sehr wagemutig gewesen sei, ohne eine Abmahnung eine Strafzahlung in Höhe von 16 Millionen Euro zu fordern. "Auch die Frage des Weiterentwickelns - für viele mag das ja so sein, dass man das mit etwas positivem verbindet, man kann aber auch in etwas Negatives weiterentwickeln und so hat es das Gericht am Ende auch gesehen", argumentiert der Linke. Dass der Vertrag "schlecht formuliert" sei, meint auch das FDP-Kreistagsmitglied Dr. Jürgen Lauterbach. Das sei jedoch auch der damaligen Zeit geschuldet: "Wenn sich zwei Vertragsparteien sicher sind, wird nicht groß darüber geschrieben, was eigentlich ein Krankenhaus ist. Damals gab es auch noch keine MVZ. Die Zeiten haben sich gewaltig geändert." Lauterbach fragt sich, ob die Politik sich behaupten kann: "Ich bin sehr nachdenklich geworden auch durch das, was in Seesen passiert ist. Es gab massive Auseinandersetzungen und die haben einfach die Reha geschlossen, obwohl es riesigen politischen Widerstand gab."

Landkreis hat keinen Einfluss auf Asklepios


Die AfD-Fraktion kündigt an, wie schon beim ursprünglichen Verfahren auch für die Berufung keine Zustimmung zu geben. "Die Feindseligkeiten zwischen beiden Parteien sind außer Kontrolle geraten", meint der AfD-Kreistagsabgeordnete Dr. Tyge Claussen und zitiert aus einer nichtöffentlichen Vorlage, ein Einschätzungspapier aus dem Jahre 2018, verfasst von Dr. Henning Schneider. "Dabei geht es um die Einflussmöglichkeiten des Landkreises auf die Asklepios-Kliniken. Das Ergebnis war, dass die Einflussmöglichkeiten weder vertraglich noch gesellschaftsrechtlich möglich sind. Der Landkreis hat kein Mitbestimmungsrecht im Hinblick auf die operative Geschäftsführung." Die Kreistagsvorsitzende Renate Luksch (CDU) stoppt den AfD-Abgeordneten. Er dürfe nicht aus einer nichtöffentlichen Vorlage in öffentlicher Sitzung zitieren. Claussen zieht sein Fazit: "Als einzige sinnvolle Möglichkeit sehen wir nur weitere Verhandlungen." Als "völlig weltfremd" verstanden und interpretiert sieht Claussen seitens der Kanzlei den Begriff der "Weiterentwicklung".

Gute Chancen in der nächsten Instanz?


In der ersten Instanz gescheitert zu sein, sei aus Sicht von Anwalt Dr. Schneider keine Schande - dafür gebe es schließlich mehrere Instanzen.
Er zeigt sich weiterhin überzeugt, dass eine Fortführung des Verfahrens das richtige ist. "Der Begriff Weiterentwicklung ist im Vertrag auch weiter beschrieben. Man kann sich gewiss bei allgemeineren Begriffen darüber streiten, wie die konkret bedeuten. Aber ich stelle mich hier hin und sage, eine Weiterentwicklung des Krankenhauses ist nicht das, was wir an diesem Standort gesehen haben. Das ist eine faktische Schließung. Ich glaube, dass wir sehr gute Chancen haben in der nächsten Instanz weiterzukommen. Jeder andere Mandant würde sofort in Berufung gehen."

Anwalt Dr. Henning Schneider sieht in einem Berufungsverfahren gute Chancen.
Anwalt Dr. Henning Schneider sieht in einem Berufungsverfahren gute Chancen. Foto: Marvin König



Die Abstimmung fällt nach der Diskussion deutlich aus. 27 Dafürstimmen aus den Fraktionen der SPD, Bürgerliste, der Linken und den Grünen sichern bei den 45 anwesenden stimmberechtigten Kreistagsmitgliedern eine Mehrheit. 16 Kreistagsmitglieder stimmen gegen ein Berufungsverfahren, hauptsächlich CDU und AfD. Der Änderungsantrag der Linken fällt durch.


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