Wolfenbüttel. Mit deutlichen Worten äußerten sich Vertreter der Wolfenbütteler Stadtratsfraktionen während ihrer gestrigen Ratssitzung gegen die Abgeordneten der AfD in den eigenen Reihen. Anlass hierzu gaben eine Straf- sowie eine Fachaufsichtsanzeige der AfD-Fraktion gegen Bürgermeister Thomas Pink (wir berichteten).
Die Tagesordnung der Sitzung wurde zu Beginn um den Punkt "Resolution der Mitglieder des Rates der Stadt Wolfenbüttel gegen rechtsradikale Entwicklungen" ergänzt. Eine gemeinsame Erklärung der Ratsmitglieder von Bündnis90/Die Grünen, CDU, FDP, Linke/Piraten und SPD. Also aller im Stadtrat vertretenen Parteien, bis auf die AfD, die dieser bei der Abstimmung darüber jedoch zustimmte.
Resolution nicht neu
Inhalt und Aussagekraft der Resolution waren eigentlich nichts Neues. Zuletzt verabschiedete der Rat der Stadt Wolfenbüttel am 29. März 2017 eine ähnliche Erklärung, die sich explizit gegen fremdenfeindliche Äußerungen von Ratsmitgliedern richtete. Dies geschah seinerzeit ebenfalls in Reaktion auf die hiesigen AfD-Vertreter, nachdem deren Fraktionsvorsitzender Klaus-Dieter Heid mit negativen Äußerungen über Türken auf der Internetseite des AfD-Kreisverbandes aufgefallen war. Hier hatte er sich unter der Überschrift „Da wird man krank“ über „vermummte dickbäuchige Frauen“ im Klinikum Wolfenbüttel, „die mit gebotenem Abstand hinter ihren schlecht rasierten Männern umherschleichen“ sowie deren Sprachfähigkeiten ausgelassen. Dafür erhielt Heid eine Anzeige des "Erinnerers" Jürgen Kumlehn wegen Volksverhetzung, die von der Staatsanwaltschaft Braunschweig jedoch eingestellt wurde.
Eklat während der Ratssitzung
Während der Aussprache zur Resolution kam es damals zum Eklat. Als Klaus-Dieter Heid das Wort ergriff, verließ ein Großteil der Anwesenden den Ratssaal. Möglicherweise deshalb wurden in ungewohnter Weise zu Beginn der Sitzung Auszüge der Geschäftsordnung zum Verhalten verlesen. Doch Heid war nicht anwesend, fehlte laut Verwaltung unentschuldigt.
Rückblick in die Ratssitzung vom 29. März 2017
Und so durften sich dessen Parteikollegen Horst Meyer und Dr. Manfred Wolfrum anhören, wie der Rest des Rates über sie denkt. Der Vierte im Bunde, Christian Kraemer, fehlte entschuldigt.
"Die AfD ist ein Wolf im Schafsfeld. Wer einen aus den eigenen Reihen, den man als Faschist bezeichnen darf, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird, als Kandidaten zum Ministerpräsidenten in Thüringen aufstellen lässt, sollte sich nicht wundern, wenn alle Demokraten sich gegen diese Volksverhetzer stellen", sagte die CDU-Frau und stellvertretenden Bürgermeisterin Kathrin Rühland. Die Demokraten müssten zu Bürgermeister Thomas Pink stehen, denn es könnte auch sie treffen. Und weiter führte sie aus: Wer keinen Zusammenhang zwischen dem Handeln der hiesigen AfD und den Anfeindungen gegen Pink sehen, dem könne sie auch nicht mehr helfen.
Wir, die CDU und alle weiteren Fraktionen, die nach dem Grundgesetz Paragraph 1 leben - damit schließe ich meiner Meinung nach die AfD aus - die verurteilt die Angriffe auf unseren Bürgermeister aufs Schärfste
In Bezug auf die Anzeige wegen Volksverhetzung sagte Rühland zudem: "Dieses 'Nazi-Gequatsche', was er nicht mehr hören kann - das können wir übrigens alle nicht mehr hören."
"Da sind Grenzen überschritten"
Für Florian Röpke (Linke/Piraten) sei das Signal angekommen. "Wir werden uns künftig wieder lauter und stärker gegen diese Umtriebe, diese ekelhafte Art sich hier auszudrücken, stellen. Da sind Grenzen überschritten", sagte er. "Wenn Volksverhetzer einen Bürgermeister wegen Volksverhetzung anzeigen, dann ist das schon lächerlich. Wenn im Zuge dessen aber damit reagiert wird, dass dem Bürgermeister Drohungen auf seinen Anrufbeantworter gesprochen werden, dann ist das nicht mehr lächerlich. Das ist erbärmlich und widerlich", so Röpke.
Ralf Achilles, Fraktionsvorsitzender der SPD, wollte Röpkes Aussage verdeutlichen: "Ich bin nun schon das ein oder andere Jahr hier im Rat und wir haben uns trefflich streiten können. Mit der Verwaltung und auch mal gegen die Verwaltung. Aber es lief immer in einem Rahmen, dass man sich hinterher noch anständig in die Augen schauen konnte und man wusste, da ist jemand der seine Meinung vertreten hat. Wir haben mittlerweile ganz häufig den Eindruck, dass keine Meinung vertreten wird, sondern ganz gezielte Provokationen gestreut werden, um genau dieses Miteinander zwischen Politik, Verwaltung und Bürgerschaft zu stören." Achilles Ansicht nach müsse man aufpassen, dass man sich nicht auseinander dividieren lasse.
"Linksradikalismus haben wir auch"
Wenig Verständnis für die Angriffe äußerte der AfD-Ratsherr Horst Meyer: "Wir stehen vollumfänglich zu dieser Resolution. Wenn das jetzt aber eine Resolution gegen die AfD Fraktion sein soll, dann werde ich mich hier nicht in eine Diskussion einbringen. Wir sind gegen Rechtsradikalismus und bedauern hier natürlich, dass das so einäugig gesehen wird. Linksradikalismus haben wir auch." "Aber nicht hier", unterbricht ihn ein Zwischenruf aus dem Ratssaal.
Die Resolution im Wortlaut
Der Rat der Stadt Wolfenbüttel verurteilt den abscheulichen und heimtückischen Mordanschlag von Hanau, der in einer Kette rechtsterroristischer Straftaten steht. Wieder einmal sind friedliche Mitbürger Opfer eines Verbrechens geworden, dessen rechtsradikaler Hintergrund offensichtlich ist.
Leider hat sich das politische Klima in Deutschland in den letzten Jahren so verändert, dass völkisches Gedankengut und rechtsradikale Gesinnungen offen zur Schau gestellt werden und dass bisher vorhandene Hemmschwellen überschritten werden. Dies geht einher mit einer allgemeinen Verrohung politischer Umgangsformen und der persönlichen Bedrohung von politisch engagierten Bürgern im Haupt- und Ehrenamt.
Der Rat der Stadt Wolfenbüttel appelliert deshalb an die Bürgerinnen und Bürger der Stadt sich Entwicklungen dieser Art entschieden entgegenzustellen, die Hass in unsere Gesellschaft tragen und unsere liberale Demokratie untergraben.
Vertreten wir diesen Tendenzen gegenüber engagiert den Toleranzgedanken Lessings.
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