Region. Wenn es nach den Landkreisen Helmstedt und Wolfenbüttel, sowie den Städten Braunschweig und Wolfsburg geht, soll am Autobahnkreuz Wolfsburg/Königslutter, nahe dem Dorf Scheppau, ein Gewerbegebiet entstehen. Der wirtschaftlich gebeutelte Landkreis Helmstedt verspricht sich von dem 186 Hektar großen Gelände ökonomischen Aufschwung, während die notorisch platzarmen Städte Wolfsburg und Braunschweig auf flächenmäßige Entlastung hoffen. Doch das Megaprojekt findet nicht nur Freunde.
186 Hektar brutto soll das neue Gewerbegebiet zwischen Scheppau und Cremlingen an der A39 nach ersten Entwürfen umfassen, 120 davon in tatsächlicher Nutzung. Zum Vergleich: Die Gewerbegebiete Barmke und Buschhaus bei Schöningen kommen laut Landkreis Helmstedt zusammen auf eine Nettofläche von gerade einmal 85 Hektar. Dabei rechnet der Regionalverband Großraum Braunschweig bis zum Jahr 2035 mit einem Flächenbedarf von 316 bis 370 Hektar für Gewerbe in seinem Einzugsgebiet. Ein Gewerbegebiet, das an der A39 und damit an der Schnittstelle der Städte Braunschweig und Wolfsburg, sowie den Landkreisen Helmstedt und Wolfenbüttel liegt, käme da gerade recht.
Entsprechend fiel die Unterstützung im Helmstedter Kreistag aus: Bereits im Dezember vergangenen Jahres entschied dieser in Zusammenarbeit mit dem Landkreis Wolfenbüttel und den Städten Braunschweig und Wolfsburg eine Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben - unter dem Protest von etwa 20 Demonstranten. Der Landkreis sieht eine Vielzahl von Potenzialen für das Gewerbegebiet: Mit der Lage an der Autobahn sei der Braunschweiger Hafen in 20 Minuten zu erreichen, der Flughafen in nur zehn, das Gebiet läge im "industriellen Herzen" Niedersachsens, die Region sei die "forschungsintensivste" Europas und sei dadurch gut zu vermarkten, auch als Standort für Zukunftstechnologien. Auch der Wolfsburger Strategieausschuss gab schon im Dezember seine Zustimmung für die Studie. Eine Ratsentscheidung steht jedoch noch aus. Die sollte eigentlich am 16. Dezember fallen, wurde aber kurzfristig von der Tagesordnung gestrichen.
In der kommenden Woche soll im Rat der Stadt Braunschweig nun über die Beteiligung an der Machbarkeitsstudie entschieden werden. Bereits am 19. Januar hatte der Wirtschaftsausschuss mit acht zu drei Stimmen seine Empfehlung für die Studie gegeben. Die Zustimmung im Ratsplenum dürfte daher nur noch Formsache sein. Ein Gewerbegebiet außerhalb der Stadt käme auch deswegen zum passenden Zeitpunkt, weil der Platz in Braunschweig bereits jetzt begrenzt ist. Es besteht also eine Konkurrenz zwischen Wohn- und Gewerbeflächen. Das Projekt außerhalb der Stadt könnte hier für Entlastung sorgen und so den überheizten Immobilienmarkt etwas abkühlen. Wo keine Gewerbegebiete entstehen, so die Ratsvorlage, könnte für bezahlbares Wohnen gesorgt werden. Zumindest in der Theorie.
Gegenwind von Verbänden und Aktivisten
Politischer Gegenwind kommt dabei vor allem von den Grünen. Der Kreisverband Helmstedt hält das Vorhaben für schlicht unnötig. Auf ihrer Website verkündet die Partei, dass die Gewerbegebiete Ochsendorf und Buschhaus "noch nicht annäherungsweise" ausgelastet seien. Zudem, so die Partei weiter, sei es schlicht unmöglich die Flächenversiegelung durch angemessene Naturschutzmaßnahmen auszugleichen. Zudem sei das Gelände lediglich durch die Autobahn zu erreichen. In Zeiten, in denen ÖPNV und Fahrrad den motorisierten Individualverkehr ablösen sollen, sei das schlicht nicht mehr zeitgemäß. Ähnlich halten es etwa die BIBS und die Linke in Braunschweig. Auch sie halten das Gewerbegebiet für unnötig.
Verbände wie der BUND, der NABU und die Aktivisten von Fridays for Future fahren auf einer ähnlichen Schiene. Fridays for Future kritisiert, dass jene, die im neuen Gewerbegebiet angestellt würden, quasi zum Autokauf gezwungen würden, ebenso könnte der Güterverkehr laut der Protestbewegung lediglich über LKW abgewickelt werden. Eine Schienen- oder Fahrradanbindung sei zu teuer. BUND und NABU kritisieren zusätzlich die direkten Folgen für die Natur. Mit einem solchen Gewerbegebiet würden nicht nur die Klimaziele der Bundesregierung gefährdet, man riskiere auch den mühsam ausgehandelten "Niedersächischen Weg" ad absurdum zu führen.
An dieser Stelle sei noch einmal angemerkt, dass es noch nicht um die Realisierung des Gewerbegebiets geht, sondern um die Durchführung einer Machbarkeitsstudie. Die Kosten dafür würden zu je 50.000 Euro zwischen den beteiligen Körperschaften aufgeteilt. Die endgültige Entscheidung hierzu wird aller Voraussicht im März fallen. Dann stimmt der Kreistag Wolfenbüttel über die Studie ab. Sollte der den Antrag annehmen, können bis zur Realisierung des Projektes noch Jahre ins Land gehen.
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