"Teves-Werk Teil der Stadtidentität" - Reaktionen auf das Conti-Aus

Das angekündigte Aus des Gifhorner Werks von Continental bewegt die Gemüter. Auch der Bundesarbeitsminister und Gifhorns Bürgermeister melden sich zu Wort.

Bei Continental gab es in der Vergangenheit häufiger "Arbeitskämpfe". Archivbild
Bei Continental gab es in der Vergangenheit häufiger "Arbeitskämpfe". Archivbild | Foto: Sandra Zecchino

Gifhorn. Am heutigen Freitag wurde bekannt, dass die Continental AG ihren Standort in Gifhorn schrittweise bis zum Jahr 2027 schließen will. Nun erreichten die Redaktion erste Reaktionen zum Aus des traditionsreichen "Teves-Werks".



Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Gifhorn-Peine ist, der Gifhorner Landtagsabgeordnete Philipp Raulfs (SPD) und Gifhorns Bürgermeister Matthias Nerlich (CDU) äußern sich in einer gemeinsamen Pressemitteilung.

"Ein einschneidendes Ereignis"


Hubertus Heil erklärt: „Die heutige Entscheidung von Continental zur Einstellung des Geschäftsbetriebes zum Ende des Jahres 2027 am Standort Gifhorn ist ein einschneidendes Ereignis in der Industriegeschichte unserer Heimat und im Leben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Continental in Gifhorn." Jetzt gelte es, klare Perspektiven für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erarbeiten. "Ich begrüße die Bemühungen von Vorstand und Arbeitnehmervertretung, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Qualifizierung und Weiterbildung von Arbeit in Arbeit zu vermitteln. Wir werden dies mit dem vollen Instrumentenkasten der Bundesagentur für Arbeit zur Qualifizierung und Weiterbildung unterstützen", so Heil weiter.

Hubertus Heil
Hubertus Heil Foto: Über dts Nachrichtenagentur


Die Arbeitswelt befinde sich in einem tiefgreifenden Wandel – diese Transformation müsse man gemeinsam so gestalten, dass keine Arbeitnehmerin und kein Arbeitnehmer dabei auf der Strecke bleibe. "Gemeinsam mit Philipp Raulfs und Matthias Nerlich stehe ich an der Seite der Beschäftigten. Wir werden diesen Transformationsprozess, ob durch Qualifizierung und Weiterbildung, Weitervermittlung am Arbeitsmarkt oder die Ansiedlung von neuen Arbeitgebern am heutigen Continental Standort Gifhorn, in enger Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat und der IG Metall politisch begleiten“, so der Bundesarbeitsminister abschließend.

"Gehört seit über 70 Jahren zu Gifhorn"


„Continental Gifhorn gehört seit über 70 Jahren zu Gifhorn, nun zeichnet sich das Ende dieser Ära ab. Für viele Gifhornerinnen und Gifhorner ist das alte Teves-Werk Teil der Stadtidentität", betont Philipp Raulfs. Gemeinsam mit Hubertus Heil stehe er seit vielen Jahren im engen Austausch mit dem Betriebsrat und der IG Metall zur Zukunft des Standortes. Mit der nun beginnenden Verlagerung von Montage und Produktion aus Gifhorn zu anderen Standorten beziehungsweise zu externen Zulieferern stünden viele Kolleginnen und Kollegen vor einschneidenden Veränderungen.

Der Gifhorner Landtagsabgeordnete Philipp Raulfs.
Der Gifhorner Landtagsabgeordnete Philipp Raulfs. Foto: Maximilian König


"Ich erwarte, dass das Unternehmen alles Notwendige dafür tut, jeder betroffenen Kollegin und jedem betroffenen Kollegen eine klare Perspektive auf einen guten Arbeitsplatz zu bieten. Ich werde mich dafür einsetzen, dass das Land Niedersachsen den Transformationsprozess am Standort begleitet und gerade auch Matthias Nerlich und die Stadt Gifhorn da unterstützt, wo Unterstützung notwendig ist", so der Abgeordnete.

"Zutiefst bedauerlich, falsch und unzeitgemäß"


Kritik gibt es von Bürgermeister Matthias Nerlich. „Die Schließung des Werkes ist ein harter Schlag für Gifhorn und die rund 900 Mitarbeitenden. Diese Entscheidung empfinden wir als zutiefst bedauerlich, falsch und unzeitgemäß." Conti-Teves sei nicht irgendein Werk, sondern auch Teil der Gifhorner Geschichte. Das 1948 erbaute Werk sei nicht nur ein großer Arbeitgeber, sondern stehe auch für hohe Ingenieurskunst und die vielen kompetenten Fachkräfte in der Region, die den Automobilzulieferer mit seinen wegweisenden Innovationen vorangebracht hätten.

Matthias Nerlich. Archivbild
Matthias Nerlich. Archivbild Foto: regionalHeute.de


"Wir empfinden es als Anachronismus, dass ein so wichtiger Automobilzulieferer seine zukünftige Entwicklung ins Ausland verlegt, obwohl praktisch vor den Toren der Stadt einer der größten Automobilhersteller der Welt ansässig ist. Das können wir nicht nachvollziehen. Ich bin fest davon überzeugt, dass dieser Standort eine Chance hat, gerade weil wir so viele hochqualifizierte Fachkräfte direkt vor Ort haben", ist sich Nerlich sicher. Deshalb werde die Stadtverwaltung zusammen mit der städtischen Wirtschaftsförderung WiSta eine aktive Rolle übernehmen, um diesen Industrie-Standort und damit Arbeitsplätze zu erhalten - und das in enger Zusammenarbeit mit Hubertus Heil und Philipp Raulfs, mit denen man bereits im Austausch stehe.

"Ergebnis verfehlter Wirtschaftspolitik"


Der Gifhorner AfD-Politiker Stefan Marzischewski-Drewes, der auch Vorsitzender der AfD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag ist, hat die Schuldigen schon ausgemacht: „Die AfD warnt seit geraumer Zeit vor der rot-grünen Deindustrialisierungspolitik. Jetzt sind die Folgen auch hier in Gifhorn zu spüren. Die Schließung kommt für uns nicht unerwartet. Sie ist das traurige Ergebnis der verfehlten Wirtschaftspolitik der letzten Jahre. Diese begann unter der großen Koalition und wird durch die Ampelregierung beschleunigt", so Marzischewski-Drewes in einer Pressemitteilung der AfD-Landtagsfraktion. Man werde sich für eine radikale Wende in der Industriepolitik in Deutschland und in der Region einsetzen.

Stefan Marzischewski-Drewes. Archivbild
Stefan Marzischewski-Drewes. Archivbild Foto: regionalHeute.de



Anzeichen für Lösungsansätze


Die IG Metall fordert derweil "rasche Klarheit über Zukunftsperspektiven für die Beschäftigten". „Das ist zunächst zweifelsohne eine bittere Nachricht und dramatisch für die vielen Beschäftigten. Gleichzeitig gibt es aber zumindest Anzeichen für Lösungsansätze, um die Kolleginnen und Kollegen von Arbeit in Arbeit zu bringen. Dafür haben wir als IG Metall gemeinsam mit dem Betriebsrat für unsere Kolleginnen und Kollegen bei Conti gerungen!“, erklärt Thorsten Gröger, IG Metall Bezirksleiter Niedersachsen und Sachsen-Anhalt in einer Pressemitteilung.

Thorsten Gröger.
Thorsten Gröger. Foto: Rudolf Karliczek


In Gifhorn würden von über 850 Beschäftigten überwiegend hydraulische und pneumatische Komponenten zum Beispiel für Bremssysteme für Automobile hergestellt. Schon seit geraumer Zeit habe es am Gifhorner Standort des Automobilzulieferers Continental gebrodelt: Ein im Jahr 2015 abgeschlossenes Eckpunktepapier mit der IG Metall habe betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2023 ausgeschlossen. Zudem gelte eine Standortgarantie bis 31. Dezember 2025. Nun drohe jedoch mit dem Auslaufen von Conti-Produkten bis 2027 eine schrittweise Reduzierung der Produktion - das sogenannte ramp-down-Szenario.

"Transformation der Automobilbranche verschlafen"


Auch für den Wirtschaftsstandort in Gifhorn wäre der Rückzug des Unternehmens ein großer Verlust. „Offenkundig hat Continental die Transformation der Automobilbranche in Gifhorn verschlafen und es verpasst, nachhaltige Alternativen in Zeiten des Strukturwandels zu schaffen. Wer im Blindflug navigiert, kann nicht sicher durch die Transformation steuern“, kritisiert Gröger. „Nun geht es darum, den Beschäftigten - und damit meinen wir möglichst alle - eine gute Perspektive zu organisieren und schnellstmöglich eine Brücke in die Zukunft zu bauen. Das ist unsere klare Erwartungshaltung an das Unternehmen. Daran hängen Familien und ihre Existenzen!“


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