Braunschweig. Ob die Zulassung des Unkrautvernichters Glyphosat verlängert wird, befindet sich noch immer in der Schwebe. In der zuständigen Fachkommission in Brüssel kam es erneut zu keiner Entscheidung, die nun durch eine Vermittlungskommission herbeigeführt werden soll. regionalHeute.de bat nun Vertreter der Braunschweiger Politik um eine Stellungnahme.
Die Zulassung des vielkritisierten Unkrautvernichters, welches weltweit äußerst effektiv auf alle grünen Pflanzen wirkt und im Verdacht steht, krebserregend zu sein, läuft bis zum 15. Dezember dieses Jahres. Die Frage, ob die Zulassung nun einfach ausläuft oder um fünf Jahre verlängert wird, beschäftigt die EU-Kommission nun schon seit geraumer Zeit. Doch Einigkeit konnte bislang nicht erzielt werden, weil keine klaren Mehrheiten erzielt wurden. Grund genug, der Braunschweiger Politik auf den Zahn zu fühlen. Selbstverständlich fragten wir alle regionalen Landtags- und Bundestagsabgeordneten an, doch liegen bislang noch nicht alle Statements vor. Wir fragten: Wie stehen Sie dazu, dass die Entscheidung erneut vertagt wurde? Welche Entscheidung würden Sie bevorzugen?
Dr. Carola Reimann, SPD-Bundestagsabgeordnete
„Der Expertenstreit um Glyphosat muss endlich aufhören. Alle Akteure brauchen eine verlässliche Planbarkeit. Die SPD-Bundestagsfraktion will einen umweltverträglicheren und nachhaltigen Pflanzenschutz. Das Insektensterben ist eine Warnung auch für die Landwirtschaft. Ein schrittweiser Glyphosatausstieg schafft Chancen für eine zukunftsfähige, innovative und nachhaltige Landwirtschaft. Wir fordern deshalb, dass in einem nationalen Ausstiegsplan verstärkt auf die Forschung für alternative Bewirtschaftungsmethoden und ökologisch verträglichere Pflanzenschutzmittel gesetzt wird. Die Landwirte brauchen Informationen und Beratung. Dafür muss die Bundesregierung Mittel bereitstellen.“
Carsten Müller, CDU-Bundestagsabgeordneter
„Der Wirkstoff Glyphosat ist seit 40 Jahren in Deutschland zugelassen und wird in der Landwirtschaft zum Beispiel zur Bekämpfung von Unkräutern eingesetzt. Glyphosat ist einer der am besten untersuchten Wirkstoffe weltweit. Nach Einschätzung deutscher, europäischer und internationaler Bewertungsbehörden gibt es kein Argument, das bei ordnungsgemäßer Anwendung gegen die Zulassung von Glyphosat spricht. Grundlegende Bedingung für die weitere Zulassung sind wissenschaftliche Fakten, wobei Gesundheits- und Umweltschutz gewährleistet sein müssen. Die aktuelle Diskussion zeigt aber, dass nachgebessert muss, was Transparenz und die Erklärung wissenschaftlicher Fakten betrifft. Hier hat die Kommission auf Änderungen hinzuwirken.“
Susanne Schütz, FDP-Landtagsabgeordnete
„Eine erneute Vertagung der Entscheidung über die weitere Zulassung von Glyphosat finde ich unglücklich, da alle Beteiligten endlich Planungssicherheit brauchen. Die Fronten scheinen mittlerweile ziemlich verhärtet, was eine sachliche Diskussion sicherlich erschwert. Dabei wäre es dringend notwendig, die Vor- und Nachteile der Glyphosat-Alternativen genauso intensiv abzuwägen wie die vorliegenden Expertenmeinungen. Die Bewertung des vermuteten Risikos in Abwägung mit den möglichen Alternativen (chemischer Art genauso wie die Nachteile häufigeren Pflügens für die Bodenlebewesen) lassen mich für eine vorerst weitere Zulassung plädieren, verbunden mit der verstärkten Suche nach verträglicheren Alternativen.“
Stefan Wirtz, AfD-Landtagsabgeordneter
"Glyphosat ist seit über 40 Jahren eins der wirksamsten Herbizide. Es wirkt jedoch wahllos gegen alle Pflanzenarten, daher ist seine Verwendung in der Landwirtschaft vor allem möglich, wenn es beispielsweise noch vor der Ausbringung von Saatgut oder an gentechnisch veränderten, glyphosatresistenten Nutzpflanzen eingesetzt wird. Seit einiger Zeit steht das Mittel unter dem Verdacht, Krebs zu erregen. Sollte Glyphosat in der EU nicht mehr zugelassen werden, kommen ersatzweise wahrscheinlich in gleicher Menge andere Herbizide auf die Felder, deren Schädlichkeit sogar höher ausfallen könnte.
Vor diesem Hintergrund ist es keine Überraschung, dass innerhalb der EU, aber auch in den etablierten Parteien keine Einigkeit zu einem Glyphosat-Verbot herrscht. Zwar ist bisher keine eindeutige Krebsgefahr durch das Mittel nachweisbar, jedoch argumentieren Parteipolitiker und in jüngster Zeit sogar das Bundesinstitut für Risikobewertung unkritisch und praktisch wörtlich mit den Unbedenklichkeitserkärungen des Herstellers Monsanto. Es handelt sich offenbar um einen schwerwiegenden Konflikt zwischen dem Lobbyismus und verschiedenen parteiideologischen Strömungen, und nicht so sehr um politisches Handeln im Sinne der Bürger.
Da auch die EU-Behörden keine kanzerogenen Wirkungen des Mittels feststellen konnten, riskiert die EU-Kommission eine Klage von Herstellern auf Zulassung ihrer Produkte bzw. Schadenersatz. Dennoch sollte Glyphosat nicht wieder zugelassen werden, bis die Unschädlichkeit des Wirkstoffs eindeutig wissenschaftlich nachgewiesen ist und mit Sicherheit keine Gefahren für Europas Bürger bestehen können."
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