Schöningen. Im November wird in Schöningen ein neuer Bürgermeister gewählt. Um den Posten bewerben sich Malte Schneider als parteiloser Kandidat für die SPD und Markus Sobotta,ebenfalls parteilos, für die CDU. regionalHeute.de hat mit den beiden Kandidaten über Ziele, Pläne und die Zukunft der ehemaligen Salinenstadt am Elm gesprochen.
regionalHeute.de: Stellen Sie sich doch erstmal vor. Wer sind Sie, warum wollen Sie Bürgermeister der Stadt Schöningen werden?
Markus Sobotta: Erst einmal vielen Dank an Sie und Ihre Leser, dass ich mich in Ihrer Onlinezeitung vorstellen darf. Ich bin 1962 in Darmstadt geboren, meine Eltern studierten damals dort und waren ein paar Jahre zuvor als Spätaussiedler ins Land gekommen. Ich bin also in sehr einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Nach Ende ihres Studium sind meine Eltern dann mit mir nach Wolfenbüttel gezogen, wo ich dann eine klassische Schulbildung genossen hab. Das ging über die Hauptschule und das Gymnasium, nach dem Abitur bin ich zur Bundeswehr gegangen, war in Braunschweig zwei Jahre Soldat. Letzter Dienstgrad war Hauptmann der Reserve, für die daran interessierten Leser. Danach habe ich in Bayern, im schönen Würzburg, angefangen Jura zu studieren, währenddessen habe ich auch meine jetzige Frau kennengelernt. Dort habe ich auch mein erstes juristisches Staatsexamen abgelegt. Mein Refendariat habe ich dann in Aschaffenburg am Landgericht abgelegt, später dann auch in der Staatsanwaltschaft, im Finanzamt, in der Anwaltswahlstation, dazu noch bei diversen Verwaltungen. 1993 habe ich dann in München mein zweites juristisches Staatsexamen abgelegt und bin dann mit meiner Frau und dem mittlerweile geborenen Sohn nach Wolfenbüttel gezogen. Ab diesem Jahr habe ich dann in Braunschweig in einer großen Anwaltskanzlei angefangen zu arbeiten, meine Frau hatte ihr Medizinstudium mittlerweile auch absolviert. Als 1998 unsere Tochter dazukam, habe ich dann meine Tätigkeit eingestellt, um die Familie zu unterstützen. Meine Frau machte in dieser Zeit ihre Facharztausbildung und übernahm dann 2001 die Praxis von Dr. Majid in Schöningen. 2002 sind wir dann hierher gezogen und leben seitdem in Schöningen. Ich habe auch hier immer nebenbei als Anwalt gearbeitet und habe versucht meiner Frau den Rücken freizuhalten. Das war mit zwei Kindern nicht immer ganz einfach! Vor acht Jahren wurde ich dann gefragt, ob ich für die CDU für den Stadtrat kandidiere und bin seitdem parteiloses Mitglied der Fraktion. Im Stadtrat war ich Vorsitzender im Ausschuss für Technik, bin Mitglied anderer Ausschüsse, Beigeordneter des Hauptausschusses, zweiter stellvertretender Bürgermeister und, was mich besonders freut, Ratsvorsitzender. Hier habe ich die Nachfolge von Siegfried Pause übernommen, den ich sehr schätze.
regionalHeute.de: Sie sind ja schon lange im Rat und man sagt Ihnen eine gewisse Nähe zur Verwaltung nach. Warum sollte man nun Sie wählen, wenn man einen anderen Kurs in der Stadt Schöningen haben möchte?
Sobotta: Also nur, weil man im Stadtrat sitzt oder Funktionen inne hat, ist man ja nicht gleich Teil des Establishments und trägt alle Entscheidungen mit, die durch die Mehrheit entschieden wurden. Da muss man differenzieren. Wir leben in einem demokratischen Staat, in dem Mehrheiten entscheiden. Und diese Mehrheiten waren bis zur vorherigen Wahl mit absoluten Mehrheiten (der SPD, Anm. d. Red.) sehr eindeutig. Das muss man sehen. Das hat sich erst seit der letzten Kommunalwahl geändert. Es gibt zwar immer noch eine stärkste Fraktion, aber keine absolute Mehrheit mehr. Das hat natürlich große Möglichkeiten für die Opposition eröffnet. Es hat auch schon grundlegende Änderungen gegeben. Federführend war hier die CDU-Fraktion. Wir haben die Hauptsatzung geändert, die Personalentscheidungen liegen jetzt wieder bei den Ratsmitgliedern. Wir nehmen als Rat wieder an Vorstellungs- und Personalgesprächen teil. Dazu haben wir die Einsetzung eines Haushaltsausschusses durchgesetzt, wir haben durchgesetzt, dass eine ordentliche Nutzung von Dienstfahrzeugen passiert und diese Liste könnte ich lange fortsetzten. Es ist also überhaupt nicht so, dass man, nur weil man im Rat sitzt und stellvertretender Bürgermeister ist, nichts erreicht. Wir haben viel gemacht. Aber diese Dinge sind sehr schwer zu vermitteln, es geht hier um viele Verwaltungsinterne Probleme, die wir angegangen sind. Diese Politik der Änderung und des Wechsels hier in der Kommunalpolitik ist etwas, das ich sehr mit meiner Kandidatur verbinde.
regionalHeute.de: Das heißt als Bürgermeister würden Sie die Verwaltung weiter reformieren. Würde es denn grundlegende Änderungen geben?
Sobotta: Ja. Es wird im Verhältnis zur jetzigen Situation Veränderungen geben. Die werden auch sehr spürbar werden. Das fängt mit Personalpolitik in der Verwaltung an. Das fällt mit einer Änderung der Haushaltsführung zusammen. Das ist ein großes Thema für die CDU-Fraktion hier Ordnung hineinzubekommen. Wir hängen mit der Erstellung von Bilanzen fast neun Jahre zurück. Es gibt entsprechende Prüfberichte des Landkreises, die hier Forderungen an die Stadt stellen, die immer noch nicht erfüllt sind. Es gibt noch viele Themen, die noch nicht einmal angefasst wurden. Diese alten Themen belasten weiterhin zukünftige Generationen. Das muss man wissen. Und wenn Sie nun durch Schöningen gehen, dann sehen Sie, nett formuliert, eine belastete Infrastruktur. Mit Straßen, mit Schulen und überhaupt der Infrastrukur, die der Stadt gehört. Sehen Sie sich die Sportstätten an, sehen Sie sich das Haus der Vereine an. Überall, wo die Kommune Leistungen erbracht hat, wurde in den letzten zwanzig Jahren nicht mehr nachhaltig investiert. Die Struktur verfällt. Nun kann man zwar sagen, gut, ich kann die Immobilie nicht mehr halten, dann verkaufe ich, oder möchte ich Sie erhalten? Wenn man erhalten will, muss man investieren. Und dafür brauchen Sie geordnete Finanzverhältnisse, ein Fundament, mit dem Sie agieren können.
regionalHeute.de: Sie sprechen jetzt viel von Investition, maroder Infrastruktur. Geld ist allerdings nicht vorhanden. Sehen Sie dann weiteres Einsparpotential oder wollen Sie irgendwie die Einnahmen erhöhen?
Sobotta: Sagen wir mal so: Zuallererst müssen wir in der Politik eine Diskussion führen. Das entscheidet der Bürgermeister natürlich nicht allein. Da können Sie ja im Grunde nur einen Rahmen vorgeben, in dem sich die Politik bewegen kann. Es muss eine Diskussion geben, welche Dinge wir in den nächsten zehn bis zwölf Jahren im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung auch wirklich angehen möchten. In der letzten Haushaltsauschusssitzung hatten wir eine Diskussion über einen Feuerwehrbedarfsplan. Der geht für die nächsten zwölf Jahre, in denen die Fahrzeugflotte ausgetauscht werden muss. Wenn Sie die Preise kennen, was so ein Feuerwehrfahrzeug kostet, dann werden Sie sehen, dass da mehrere 100.000 Euro im Jahr finanziert werden müssen. Unsere Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr sollen nunmal mit vernünftigen Fahrzeugen arbeiten, das möchte glaube ich auch jeder so haben. Das Geld muss aber irgendwo her kommen. Ich kann zwar einfach sagen, dass ich einen Feuerwehrbedarfsplan beschließe, das wäre natürlich sehr werbewirksam. Aber ich muss auch sagen, wo ich an anderer Stelle spare.
regionalHeute.de: Also muss aus Ihrer Sicht weiterhin eingespart werden?
Wir haben auch eine Entschuldungsvereinbarung mit dem Land, in dem wir uns verpflichten ein bestimmtes Defizit nicht zu überschreiten. Das sind 2,1 Millionen Euro. Und wir haben einen Rahmen von einer Million Euro für freiwillige Leistungen. Das dürfen wir nicht überschreiten. Die aktuell sprudelnden Steuereinnahmen erleichtern uns das, aber wer weiß wie lange das noch geht. Da ist dann die Politik gefordert anhand von ordnungsgemäßen Daten, daran fehlt es momentan häufig, einen Bedarfsplan für die mittelfristige Finanzplanung zu erstellen. Und es wird nicht für alle Töpfe reichen. Da muss die Politik entscheiden. Das entscheidet ja nicht der Bürgermeister. Der Haushalt wird vom Rat entschieden, der Rahmen dafür wird vorgegeben. Da muss man sich fragen, ob man alle Großprojekte halten will, die defizitär sind. Jede Familie, jede Hausfrau überlegt im gleichen Prinzip: Ich kann nur ausgeben, was auch da ist. Eine Kommune kann zwar auch Defizite machen, das ist auch nicht immer falsch, man muss nicht alles totsparen. Aber Herausforderung müssen bewältigt werden. Wir haben eine Feuerwehr, wir haben Sportvereine, die einen hohen Finanzbedarf haben, wir haben ein defizitäres Schwimmbad. Da sind Diskussionen zu führen.
regionalHeute.de: Diskussionen über die richtige Priorisierung?
Sobotta: Priorisierung ist das richtige Wort und die entscheidende Herausforderung, die in den nächsten Jahren auf die Kommune und insbesondere auf die Politik, alle Parteien und alle Vertreter im Rat zukommt. Mit dem Denken 'eine Frage, ein Topf', damit kommen wir nicht mehr weiter. Dazu kommt noch die marode Infrastruktur und ein Haufen Schulden, den wir im Bereich Abwasser vor uns her schieben.
regionalHeute.de: Man hört oft die Diskussion zwischen Tourismus und Industrie für die zukünftige Entwicklung der Stadt. Wird Schöningen Industrie- oder Tourismusstandort?
Ich glaube die Frage kann man so gar nicht beantworten. Zu sagen, nur Tourismus, hört sich vielleicht schön an. Aber selbst wenn Sie sich Großstädte angucken, Rom oder Florenz, die Leben auch nicht allein vom Tourismus. Das ist sehr schwer. Also brauchen Sie eine Art von Industrie. Wir haben mit Buschhaus das große Kapital, dass das Gelände für Schwerindustrie ausgewiesen ist. So wurde es ja auch genutzt. Und solche Flächen, in diesem rechtlichen Zustand, sind in Deutschland sehr selten. Wir sollten uns da gut beraten lassen, was wir da ansiedeln wollen, was den Menschen auch Arbeit und Brot gibt. Denn ohne Arbeit und Brot wird vieles nicht funktionieren. Dass man darüber diskutieren muss, welche Belastung ein neuer 'Großbetrieb' mit sich bringt, daran besteht kein Zweifel. Nur die Technik ist eine andere als vor 100 Jahren. Der Schornstein zum Beispiel: Da wird diskutiert ein sogenanntes Aufwindkraftwerk zu entwickeln. Das ist selten! Da werden Kollektoren angebracht, die dann im Grunde die Luft erwärmen, die dann durch den Düseneffekt nach oben in den Schornstein geführt wird, wo dann eine Turbine angetrieben wird. Das hat einen hohen Wirkungsgrad. Ich bin zwar kein Fachmann, aber das kann man nachlesen. Das wäre eine saubere Lösung und eine ökologische Energieform. Das ist aber nur eine Lösung, die diskutiert wird. Oder ein Batteriewerk, das Gerhard Radeck (der Landrat, Anm. d. Red.) fordert. Da müssen Helmstedt, Schöningen und der Landkreis an einem Strang ziehen. Das ist aber nur ein Bereich des Stadtgebietes.
Für Tourismus ist der Tagebau da. Da müssen wir sehen, wie wir mit der HSR umgehen, die ist ja noch Grundstückseigentümer. Das ganze unterliegt auch noch dem Bergbaurecht. Da hat es schon ein erstes Gespräch gegeben, aber die HSR gibt sich sehr bedeckt. Da die Stadt aber die Planungshoheit hat, sind wir gut beraten uns frühzeitig mit der Planung zu befassen. Nach meinem Kenntnisstand kann die Stadt die Fläche schon beplanen und dadurch den Eigentümer in die Pflicht nehmen. Ohne, dass die Stadt sich kümmert, macht das die HSR allein mit dem Bergbauamt. Da ist viel Musik in dem Thema, da müssen wir aufpassen und aktiv werden. Ob das Projekt "Wildnis wagen" dafür reicht, weiß ich noch nicht. Das dauert eben auch, bis da etwas kommt, das die Leute sehen wollen. Das hat mich noch nicht ganz überzeugt. Da bin ich auch ganz ehrlich. Die Diskussion ist aber im Fluss und die muss man aufnehmen.
regionalHeute.de: Stichwort Familien: Schöningen ist eine alternde Stadt. Allerdings ziehen mittlerweile wieder mehr Leute her, als weg. Wie wollen Sie in Zukunft dafür sorgen, dass nicht nur mehr Familien herziehen, sondern auch die Jugend bleibt?
Sobotta: Eine der größten Stärken der Stadt Schöningen ist natürlich ihre Lage. Die Stadt Schöningen liegt eingeschlossen zwischen Braunschweig, Wolfsburg und, was seltener erwähnt wird, Magdeburg. Dazu haben wir im Süden den Harz und den Elm vor der Haustür. Wir haben Potential. Eine wichtige Frage in dem Zusammenhang ist die Nachnutzung des Tagebaus. Das wird ja im Grunde gerade diskutiert, etwa mit dem Projekt 'Wildnis wagen'. Da hatten auch wir als CDU Veranstaltungen organisiert, um zu sehen, welche Möglichkeiten es gibt den Schöninger Tagebau nach zu nutzen. Das ist eine wichtige planerische Frage! Die können wir als Kommune allerdings nicht alleine lösen, gerade weil wir auch die Gewerbeflächen um Buschhaus herum haben. Da gehören die Stadt Helmstedt und auch der Landkreis dazu. Wenn es da also um eine Nachnutzung geht, dann muss man das als Aufgabe des Landkreises verstehen, bei der Landkreis, Schöningen und Helmstedt zusammen an einem Strang ziehen müssen. Das ist wichtig! Eine industrielle Entwicklung kann die Stadt Schöningen als kleiner Eigentümer nicht allein stemmen. Beim Tagebau dagegen können wir uns Gedanken um ein Konzept für die Nachnutzung, gerade auch in Verbindung mit dem Paläon machen. Das ist so der Rahmen in dem wir uns bewegen müssen. Was auch wichtig ist: Schöningen hat großes Potential durch den unterbewerteten Immobilienmarkt. Man kann hier sehr preisgünstig wohnen, im Vergleich zu Wolfsburg, Braunschweig oder Wolfenbüttel.
regionalHeute.de: Und wie wollen Sie die Stadt dafür attraktiver machen?
Wir brauchen eine Innenstadtentwicklung. Der Fokus muss weg von den Leuchtturmprojekten und mehr auf die Innenstadt. Das ist ein komplexes, schwieriges Thema. Wir haben großen Leerstand. Die Eigentümer der leerstehenden Immobilien an einen Tisch zu kriegen wird eine weitere wichtige Herausforderung sein. Vielleicht muss man auch darüber nachdenken eine Gesellschaft zu gründen, die im Grunde Leerstand aufkauft, ihn im Notfall abreißt oder eben neu renoviert und dann gewinnbringend verkauft. Das kann die Kommune zwar nicht einfach so anordnen, aber das ist eben ein Projekt, in dem man darüber nachdenkt, wie man die Innenstadt entwickeln kann. Dann kriegen Sie auch attraktiven Wohnraum. Es wohnt sich ja auch schön in Schöningen! Es ist nicht so, dass das hier nicht angenehm ist. Sie haben hier ja auch vieles am Ort. Wir müssen uns aber auch sehr dem Thema Grundschule widmen. Das ist ein weiteres wichtiges, aber vernachlässigtes Thema. Nicht nur über den Zustand der Schule, sondern auch was darin passiert. Und da habe ich große Sorge.
regionalHeute.de: Da muss ich einhaken. Wie meinen Sie das?
Es gibt ja nun Bestrebungen eine Privatschule zu gründen. Ich habe nichts gegen Privatschulen, sie sind eine gute Ergänzung zum staatlichen Schulangebot. Aber wenn bei einer Veranstaltung (Der Privatschule, Anm. d. Red.) 80 Eltern sitzen, deren Kinder in die Schöninger Grundschule gehen und sagen, dass sie nun auf privat schwenken wollen, dann hat das erhebliche Konsequenzen für eine staatliche Schule. Da muss man sich fragen, ob das, was in der Schöninger Schule angeboten wird noch wettbewerbsfähig ist. Mit dem Thema muss man sich auseinandersetzen, ob es da nicht Dinge gibt, die verbessert werden können, wo eben die Schule unterstützt werden kann, damit ein solcher Exodus nicht eintritt. Eine Grundschule ist eigentlich als Volksschule konzipiert worden, in der die Schüler aller Schichten über vier bis fünf Jahre ein gemeinsames Erlebnis haben. Das Ganze sollte also eine integrative Aufgabe haben. Das gerät in Deutschland zunehmend in Schieflage. Momentan wird in Deutschland jede Woche eine neue Privatschule gegründet, wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe. Da geht dann diese Volksschule verloren. Es ist momentan für kommunale Grundschulen nicht einfach den Anforderungen gerecht zu werden. Wenn Eltern sagen, dass sie das nicht mehr als das Beste für ihr Kind empfinden, dann können sie das natürlich tun. Aber die staatlichen Schulen müssen sich da trotzdem dem Wettbewerb stellen. Die Schule ist zunehmend Aufgabe der Kommune, auch wenn ihr nicht obliegt, was in den Klassenräumen passiert. Wenn junge Familien keine Schule sehen, in die sie ihr Kind schicken wollen, dann ist das also neben der medizinischen Versorgung ein ganz wichtiger Standortfaktor.
regionalHeute.de: Muss also dann das Angebot an Grundschulen erhöht werden? Immerhin wird die Hoiersdorfer Grundschule geschlossen, während ein neues Baugebiet ausgewiesen wurde. Wie passt das zusammen?
Ich persönlich habe mich ja immer dagegen ausgesprochen. Ich glaube, dass wir hier eine sehr gute Schullandschaft haben, mit einem sehr abwechslungsreichen Schulangebot in den unterschiedlichen Schulformen. Wenn die Zahlen der Kinder zurückgehen, muss man handeln. Das musste man auch so akzeptieren, dann kann man nicht mehr alles anbieten. Aber der Plan von gestern ist heute schon wieder überholt. Schule und deren Qualität ist für Eltern ein zunehmend wichtiger Faktor, weil der Druck, die bestmögliche Bildung für mein Kind zu haben wächst. Und wenn sie da nicht ein flexibles Angebot haben, verliert der ländliche Raum. Da sagen die Familien, dass sie eben nach Braunschweig oder Wolfenbüttel gehen, wo sie alles haben. Man darf eben auch nicht vergessen, dass Eltern das Recht haben zwischen allen Schulformen zu wählen. Wenn es also in Schöningen kein verlässliches Halbtagsangebot für Grundschulkinder mehr gibt, dann können Sie ihr Kind nach Helmstedt bringen. Da fehlt dann nicht nur hier ein Kind, sondern Schöningen müsste Helmstedt eine Ausgleichszahlung für das Kind zahlen. Da hängt also noch mehr dran.
regionalHeute: Wo wir gerade über Schulen sprechen: Das Gymnasium am Bötschenberg soll nach Königslutter ziehen. Eine Gefahr für das Schöninger Gymnasium?
Wir haben ein Gespräch mit Michael Kluge (Der Direkter des Anna-Sophianeum, Anm. d. Red.) geführt. Da war auch mein Mitbewerber Malte Schneider zugegen. Herr Kluge wollte seine Meinung dazu kundtun und er sieht das sehr kritisch. Ich tue das auch. Ich habe Herrn Kluge gefragt, ob das Schöninger Gymnasium als kleines Gymnasium weiter bestehen könnte, wenn die Kinder aus Königslutter wegfallen und da war seine Antwort 'Nein'. Da war ich auch erst überrascht, aber er hat es dann erklärt: Er hat deutlich gemacht, dass man eine Mindestanzahl an Schülern braucht, um ein konkurrenzfähiges Angebot stellen zu können. Wenn man also nur eine Klasse pro Jahrgang hat, dann reicht das nicht. Das wird auch auf Dauer nicht funktionieren. Da wird das Schöninger Gymnasium auf Dauer verlieren und das wäre ein echter Verlust für Schöningen. Das muss man ganz klar sagen. Alle Schöninger Kommunalpolitiker sind aufgefordert sich da einzusetzen, damit das in Schöningen bleibt. Man darf aber auch nicht die Augen davor verschließen, dass die Kommunen bei solchen Leistungen in einem Wettbewerb stehen. Es reicht nicht zu sagen 'Wir haben hier eine tolle Stadt, wir fühlen uns hier wohl'. Das reicht einfach nicht. Man muss lernen, das mit einem Blick von außen zu sehen. Da muss Schöningen ein bisschen nacharbeiten. Darum will ich mich kümmern.
regionalHeute.de: Anderes Thema: Die Kohlekommission. 90 Millionen gehen nach meiner Kenntnis in den Landkreis Helmstedt. Wie kann Schöningen davon profitieren?
Das Beste wäre natürlich, wenn wir die 90 Millionen einfach bekommen würden, dann könnten wir sie auch sinnvoll ausgeben (lacht). Aber das wird ja nicht passieren. Schöningen muss entsprechende Projekte entwickeln. Das wird eine Herausforderung sein. Ich habe mich im Wahlkampf schon oft dafür ausgesprochen. Die innerstädtische Entwicklung wäre so ein Projekt, damit meine ich wieder den Leerstand. Den zu beseitigen wäre ein Projekt, für das ich mich einsetzen würde. Eben auch, weil es in direktem Zusammenhang mit der Aufgabe des Tagebaus steht. Dadurch kam der Wegzug, Arbeitsplätze gingen verloren. Das wäre eigentlich im Sinne der Neustrukturierung des Braunkohlereviers ein tolles Projekt. Es gibt da noch ein weiteres Projekt, das ist die Nachnutzung des Klosterguts. Das ist auch ein tolles Projekt, da ist die Stadt aber noch nicht so richtig aufgestellt. Da hat man das letzte Jahr vielleicht ein wenig verschlafen.
regionalHeute.de: Landeswirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) sprach sich auf der Homepage seines Ministeriums dafür aus, dass das Geld der Kommission an besonders innovative Projekte verteilt wird. Es gibt die viel besprochene Phosphorrückgewinnung, in Helmstedt gibt es einen Co-Working-Space, der Minister hat selbst ein Digitalhub für den Helmstedter Südkreis vorgeschlagen. Wie sehen Sie das? Schöningen als Leuchtturm der Digitalisierung?
Also bei Leuchtturm der Digitalisierung ist vielleicht die Formulierung etwas unglücklich. Ich wäre ja schon zufrieden, wenn es hier stabiles Internet gäbe. Es belastet auch zunehmend kleine Betriebe, dass das Internet nicht sicher funktioniert. Das ist so. Das merkt meine Frau auch in ihrer Praxis. Auch eine Arztpraxis braucht aufgrund neuer Strukturen eine stabile Internetverbindung, da mittlerweile jede Chipkarte mit einem Zentrum, etwa in Frankfurt, verbunden ist und kontrolliert wird. Wenn diese Verbindung nicht steht, kann der Chip nicht ausgelesen werden. Das ist ein ganz banales Thema. Und für junge Familien kann kein schnelles Internet nicht sein! Ich war letztens in Dänemark, da haben Sie auf dem Wasser besseres Internet als in der Stadt Schöningen. Das geht nicht mehr. Das akzeptiert kein Betrieb mehr, keine jungen Leute. Das wollen die nicht mehr. Natürlich muss man dann das Geld in innovative Sachen stecken. Das ist immer ganz wichtig und schön formuliert, aber man muss die Probleme sehen, die aktuell existieren: Infrastruktur und Leerstand. Das kann natürlich auch ein innovatives Projekt sein, aber am Ende muss der Blick etwas bodenständiger sein.
regionalHeute.de: Die Infrastruktur, Thema ÖPNV: Gerade für junge Menschen ist das ein wichtiges Thema. In den sozialen Medien sieht man immer wieder das Thema Bahnverbindung, die Busverbindungen, gerade auch nach Helmstedt zum Bahnhof. Dazu kommen jetzt die zunehmenden Investitionen von Bund, Ländern und Bahn in Infrastruktur. Sehen Sie da Möglichkeiten für Schöningen, zum Beispiel für eine erneute Bahnanbindung?
Der öffentliche Nahverkehr ist wichtig. Es ist ein Standortvorteil, wenn man modern angeschlossen ist. Es nutzt aber nichts gleich einen neuen Bahnhof zu bauen und eine hervorragende Verbindung zu haben, die dann niemand nutzt. Man muss also erstmal die Nachfrage nach dieser Dienstleistung erzeugen. Mein Kinder selbst sind noch mit dem Zug von Helmstedt oder Schöppenstedt gefahren, wenn dann aber nur zwei Leute hier aussteigen, dann kann man das nicht mehr finanzieren. Da muss man Realist bleiben. Eine andere Frage stellt sich, wenn sich die Bevölkerungsentwicklung in Schöningen verändert und wir viele Pendler haben, die nach Helmstedt, Wolfsburg, Braunschweig oder Magdeburg pendeln, weil sie dort arbeiten und hier billig wohnen, dann lohnt es sich neu darüber nachzudenken.
regionalHeute.de: Sehe ich das richtig, dass sie das also eher als Frage für die Zukunft sehen?
Naja, Sie können als Kommune immer Bedarf anmelden. Sie können auch sagen, dass Sie jetzt einen halbstündigen Takt nach Helmstedt wollen. Wäre natürlich eine schöne Sache. Wenn man den Bus aktuell verpasst, weiß man, wie lange man dann steht. Ich weiß das. Ich kenne die Situation. Oftmals ist die Verbindung vom einfahrenden Bus zum ausfahrenden Zug sehr eng getaktet. Ich kenne das Problem. Das ist mir bewusst. Aber wenn Sie als Kommune Forderungen stellen, müssen Sie sich auch die Frage gefallen lassen, wer das bezahlt. Dann geht es eben nach dem Aufkommen, das die Kommune erwartet. Das ist erstmal eine rein kaufmännische Überlegung. Ich würde mich sehr gern dafür einsetzen, dass wir hier einen Bahnhof und mehr Busse haben, aber wenn es nicht bezahlbar ist, dann muss man das auch akzeptieren. Da müssen wir unsere Stadt erst schöner und attraktiver machen, mehr Zuzug, mehr Menschen und dann kann man das auf die Agenda bringen. Dann wird das ein ganz ganz wichtiges Thema.
regionalHeute.de: Wir haben ja nun viel über Schulen gesprochen. Aber was die Leute auch interessiert sind die Kita-Plätze. Davon gibt es in Schöningen viele. Sollen die zukünftig erhalten werden oder sehen Sie da auch Nachbesserungsbedarf?
Na Moment. In der Kindertagesstättenplanung hat es ja immer Prognosen gegeben. Die Prognosen von vor einigen Jahre gingen immer von einem Bevölkerungsrückgang aus, immer weniger Kindern auch. Das war ja damals auch so. Wird heute auch in offiziellen Medien so publiziert, die Bertelsmann-Stiftung sagt, dass Schöningen sich in den nächsten Jahren auf 8.000 Einwohner reduziert. Die Realität sieht aber anders aus. Durch eine große Zahl Neubürger, die hergekommen sind, mit neuen Kindern und neuen Regeln im Schulsystem, reicht der Bedarf nicht mehr. Das stellte sich so im letzten Jahr heraus. Der Kita-Neubau des DRK im Hopfengarten verzögert sich. Jetzt ist die Stadt aufgefordert, wenn sie den Rechtsanspruch auf Kindergartenplätze umsetzen will, rasch zu handeln. Deswegen haben wir momentan eine Diskussion, ob sich die aufgegebene Hoiersdorfer Grundschule nicht als Kita eignet. Das ist akut. Da wird gerade in den Gremien eine Containerlösung diskutiert oder eben die Grundschule Hoiersdorf, die ja vielleicht doch nicht so schlecht war, wie man uns das vor zwei Jahren gesagt hat. Das ginge mit relativ wenig Aufwand. Aber daran sieht man, dass eine Kommune immer gut beraten ist, Immobilien in Reserve zu haben.
regionalHeute.de: Wieder ein Themenwechsel. Wie stehen Sie zu kommunalen Fusionen?
Das steckt viel Potential drin, wenn es handwerklich gut gemacht wird. Die gescheiterte Fusion mit Büddenstedt und dem Südkreis, also Jerxheim, ist mittel- bis langfristig ein großer Fehler. Da bin ich fest von überzeugt, dabei bleibe ich auch. Das sieht man schon daran, dass große Teile des Buschhausgeländes zu Büddenstedt gehören, die Schöningen dadurch verloren gehen. Wir könnten in dem Thema ganz anders auftreten, wenn Büddenstedt zu Schöningen gekommen wäre. Es wäre gut, wenn man eine Diskussion führen würde, warum das damals gescheitert ist. Das ist ein sehr spannendes Thema, weil die beteiligten Kommunen offensichtlich ihre Hausaufgaben in der Beziehung nicht gemacht haben. Fläche wird zunehmend wichtig! Ich würde auch in der Beziehung gerne versuchen nochmal mit der Gemeinde Jerxheim in Gespräche zu treten, die man sehr entspannt führen kann. Nicht unter Zeitdruck, sehr ruhig. Man muss sehen, ob man das nicht Synergieeffekte erzeugen kann. Nicht übers Knie gebrochen, nicht in zwei bis drei Jahren, sondern ganz in Ruhe.
regionalHeute.de: Sie wollen den ganzen Prozess also nochmal von null starten lassen?
Ich sage mal so: Als Bürgermeister würde ich Gespräche führen, ob das überhaupt möglich ist. Ich weiß ja auch gar nicht, ob da auf der Gegenseite noch Interesse besteht. Es gäbe da unterschiedliche Möglichkeiten. Das darf man nicht vergessen. Fusion heißt nicht, dass irgendjemand seine Selbständigkeit verliert oder die kommunale Selbverwaltung aufgibt. Das muss man sehen. Aber man muss sehr solide arbeiten, sonst funktioniert sowas nicht.
regionalHeute.de: Zwei Fragen noch zum Schluss! Erstens: Das Programm von Marcus Sobotta in drei Sätzen.
Das ist für einen Politiker schwer (lacht). Eine grundlegende Neuausrichtung der Schöninger Kommunalpolitik zum Wohle aller.
regionalHeute.de: Und zuletzt: Haben Sie einen Lieblingsort in Schöningen?
Im Grunde ist es das Haus der Vereine, wenn ich freitags mit dem Männergesangsverein übe. Da kann ich die Seele baumeln lassen, wenn Sie mich so fragen.
regionalHeute.de: Herr Sobotta, vielen Dank für das Interview!
mehr News aus der Region