Sparkurs im Öffentlichen Dienst: Geht es Polizei und Bildung weiter an den Kragen?

Drei Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes prangern einen gewaltigen Investitionsstau an. Niedersachsen müsse mehr in den Öffentlichen Dienst investieren.

Symbolbild.
Symbolbild. | Foto: André Ehlers

Niedersachsen. Der aktuelle Vergleich über die Bezahlung der Beamten im Besoldungsreport 2021 des DGB bringt es auf den Punkt: Niedersachsen ist im Bundesvergleich weiterhin mit am Tabellenende zu finden. Einige Beschäftigte wechseln daher zu Bundesbehörden oder in andere Bundesländer, in denen deutlich besser bezahlt wird, andere versuchen im Kommunalbereich unterzukommen. Die Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes (ÖD), also die Gewerkschaft der Polizei, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di mahnen daher in einem Grundsatzpapier im Vorfeld der Haushaltsberatungen für 2022 und 2023 in Niedersachsen an, Sparpolitik nicht weiter auf dem Rücken der im Öffentlichen Dienst tätigen auszutragen.


Grund für diese ungleiche Behandlung der Beamten sei die Föderalismusreform im Jahr 2006. Die Länder können demnach selbstständig Eingriffe in die Besoldung vornehmen und Besoldungsanpassungen später, nur teilweise oder gar nicht vornehmen. Diese „Reform“ sei nach Ansicht der unterzeichnenden Gewerkschaften gerade in Niedersachsen zu einer reinen Sparreform geworden. "Bis dahin war die Besoldung der Beamten in Bund und Ländern nahezu gleich, nach dem Motto: Gleiche Arbeit - Gleiches Geld! Gleiche oder vergleichbare Lebensbedingungen in den Ländern jetzt: Fehlanzeige!", kritisieren die Gewerkschaften.

Lebensleistung wird nicht anerkannt


Diese Situation haben GdP, GEW und Ver.di seit Jahren angemahnt. In den Reden im Landtag erhalten sie dafür von den Fraktionen und auch von den Parteien Bestätigung. Dank und Applaus seien sicher ernstgemeint, gravierendes habe sich aber leider nicht verbessert. Mühsam konnten durch Demonstrationen, intensive Gespräche und Verhandlungen der ÖD - Gewerkschaften und des DGB mit den Parteien SPD und GRÜNE in ihrer Regierungszeit seit 2013 und mit SPD und CDU seit 2017 wieder leichte Verbesserungen erzielt werden. Ein erster Schritt sei die Wiedereinführung einer - wenn auch geringen - Sonderzahlung gewesen, die vor über 15 Jahren von CDU und FDP abgeschafft worden war. Allerdings sei dies nur ein Erfolg für die aktiven Beamten. Bei niedersächsischen Pensionären wurde die Lebensleistung im Gegensatz zu anderen Bundesländern und dem Bund nicht anerkannt. Im Doppelhaushalt 2022/2023 drohe laut den Gewerkschaften nun erneut das Ausbleiben weiterer Anpassungen und Verbesserungen. "Die niedersächsische Landesregierung will erneut auf dem Rücken des öffentlichen Dienstes und der dortigen Beschäftigten einsparen. Die Schere zu den Nachbarländern und zum Bund wird sich dadurch weiter vergrößern, die Attraktivität für den Nachwuchs, in Niedersachsen im öffentlichen Dienst anzufangen, wird weiter sinken", prognostizieren die Arbeitskämpfer.

"Heikle Personalsituation gefährdet Stabilität und Qualität des Gemeinwohls"


Bei den Tarifgehältern sehe es nicht besser aus: Die Entgelte des TVÖD-Bereiches (Bund und Kommunen) sind ungleich höher als die im Bereich des TVL; auch hier geht die Schere immer weiter auseinander.

Dabei wird beim Land in den nächsten Jahren ein Viertel der Beschäftigten in den Ruhestand wechseln. Angesichts dieser Situation schlagen die Gewerkschaften GdP, GEW und Ver.di Alarm. So könne es kaum gelingen, ausreichend Fachkräfte für das Land zu finden. Die Bezahlung hinkt weit hinterher und auch bei den Arbeitsbedingungen steht das Land nicht in der ersten Reihe. Die Landesregierung wird am 11. und 12. Juli 2021 ihre Haushaltsklausur durchführen. Es sollen die Schwerpunkte des Kabinetts für einen Doppelhaushalt 2022/2023 herausgestellt werden. "Schon im Vorfeld gab es viel Stimmungsmache und Propaganda, insbesondere vom Finanzminister Hilbers und der Präsidentin des Landesrechnungshofes von Klaeden. Sie betonen, dass die Schuldenbremse eingehalten und die „Schwarze Null“ beachtet werden müsse, die Schulden weiter abgebaut und auf den öffentliche Dienst Einsparungen zukommen würden", konstatieren die Gewerkschaften.

GdP, GEW und Ver.di stellen fest, dass gerade auch die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Niedersachsen, wie schon vor der Pandemie, auch während der Corona-Krise herausragende Arbeit für das Gemeinwesen, für die öffentliche Daseinsvorsorge und für die Gesellschaft geleistet haben. Der öffentliche Dienst ist und bleibe ein Garant für Stabilität und Sicherheit.

Fachkräfte, Ausstattung, Infrastruktur: Investitionen sind erforderlich


In der Pandemie sei auch offensichtlich geworden, dass in den letzten Jahren viel zu wenig Investitionen in den öffentlichen Dienst geflossen sind. Die Digitalisierung ist nicht auf dem neuesten Stand, Mobiles Arbeiten steckt in den Kinderschuhen, die Schulen (hier fehlen rund 7.000 Lehrkräfte) und Kinderbetreuungseinrichtungen hätten laut den Gewerkschaften extremen Nachholbedarf. Bei der Polizei droht Personalabbau, im Extremfall die Schließung von Dienststellen sowie die Verringerung der Präsenz auf der Straße. Es bestehe dringender Bedarf an Sanierungen von Liegenschaften, unter anderem bei der Polizei (Investitionsbedarf von derzeit 225 Millionen Euro), Schulen, Universitäten sowie der sonstigen Infrastruktur (mindestens 300 Millionen Euro). In vielen Verwaltungen fehlen Fachkräfte, was oft zu großen Verzögerungen für wichtige Vorhaben, bei Anträgen und dergleichen führt. "Die Kapitalisierung und Privatisierung von notwendigen Gemeinwohleinrichtungen, zum Beispiel Krankenhäusern, Elektrizität und auch ÖPNV, ist verkehrt und muss zurückabgewickelt werden", schlussfolgert die Gewerkschaft daraus.

Dringend Maßnahmen erforderlich


Für die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes ist klar: "Wenn nicht dringend etwas getan wird, um die Attraktivität für die aktiven Beschäftigten sowie für die Fachkräfte von morgen in Niedersachsen zu verbessern, dann bekommt Niedersachsen ein großes Problem."
Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes (GdP, GEW und Ver.di) fordern die Landesregierung in Niedersachsen dringend dazu auf, für den Doppelhaushalt 2022/2023 ein Zukunftskonzept für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sowie für die sachlichen Probleme im öffentlichen Dienst zu beschließen. Diese offensichtlichen Probleme dürfen und können nicht länger auf die lange Bank geschoben werden.

Tarifrunde der Länder: Defizite zum TVÖD müssen ausgeglichen werden


Ein wichtiger Schritt für die Verbesserung der ungerechten Bezahlung in Niedersachsen ist die anstehende Tarifrunde der Länder (TVL). Die Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes erwarten hier vom Land Niedersachsen mit seinem Verhandlungsführer Finanzminister Reinhold Hilbers ein deutliches Signal für eine Angleichung an die Entgelte und die Besoldung nach den Tarifverhandlungen im Bereich des TVÖD sowie eine zeit- und inhaltsgleiche Übertragung der Ergebnisse der Tarifverhandlungen auf den Beamtenbereich. GdP, GEW und Ver.di wollen sowohl aktuell als auch vor der Landtagswahl im Herbst 2022 die bekannten Probleme immer wieder thematisieren und darauf achten, wer sich hin zu mehr Gerechtigkeit für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bewegt und konkrete Verbesserungen im öffentlichen Dienst durch Investitionen vorschlägt.

"So jedenfalls geht es in Niedersachsen nicht mehr weiter. Für ein gutes Niveau an Innerer Sicherheit, Bildung und Gemeinwesen sowie attraktive Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst braucht Niedersachsen dringend eine Investitionsoffensive und keine weiteren Kürzungsdebatten", so das abschließende Fazit der drei unterzeichnenden Gewerkschaften.


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