Region. Der Blick auf die Preisanzeigen an den Tankstellen lassen derzeit jedem Autofahrer die Haare zu Berge stehen. Spritpreise von 2,20 Euro je Liter sind keine Seltenheit und erhöhen den Verdruss der Bürger auf die Politik. Forderungen nach Steuersenkungen werden laut. Doch ist die Senkung der Benzinsteuer wirklich eine Garantie für sinkende Spritpreise? regionalHeute.de hat sich bei den für die Region zuständigen Bundestagsabgeordneten schlau gemacht.
Wir wollten von den Abgeordneten Dunja Kreiser, Frauke Heilgenstadt, Hubertus Heil, Falko Mohrs und Christos Pantazis (SPD), Carsten Müller (CDU), Frank Bsirske und Karoline Otte (Grüne), Anikó Merten (FDP) und Viktor Perli (Linke) unter anderem wissen, ob sie die horrenden Spritpreise für überhaupt noch zumutbar halten. Zumindest was diese Frage angeht, waren sich die Bundespolitiker einig: Die finanzielle Belastung für den Autofahrer ist zu hoch und die Sorge um immer weiter steigende Spritpreise könne man verstehen.
Und auch die Ursache für die exorbitanten Preise - das teuerste Tankjahr war laut ADAC übrigens bisher das Jahr 2012 mit 159,8 Cent pro Liter Super E10 und 147,8 Cent pro Liter Diesel - wird von allen Politikern gleich kommuniziert. Der Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen gegen Russland hätten maßgeblich zum Preisanstieg geführt.
"Die Hintergründe des Anstiegs sind multifaktoriell bedingt und lassen sich somit nicht auf eine einzige Ursache zurückführen. Einen starken Effekt auf den Anstieg der Spritpreise haben die Ölpreise, die auf Grund des Ausbruchs des Krieges in der Ukraine und die damit zusammenhängenden Sanktionen gegen Russland in die Höhe steigen. Unsere Aufgabe besteht in der aktuellen Situation vor allem darin, dem Krieg Einhalt zu gebieten – darunter auch mithilfe wirtschaftlicher Sanktionen gegenüber Russland", erklärt der Braunschweiger SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Christos Pantazis. Gleiches lassen auch seine Parteikolleginnen Frauke Heiligenstadt und Dunja Kreiser wissen. "Der Preisanstieg bei den Kraftstoffen geht allerdings auf eine aktuelle Verknappung des weltweiten Angebots zurück und wird ausschließlich durch den Rohölpreis getrieben", fügt Frauke Heiligenstadt an.
Victor Perli, Abgeordneter in Berlin für die Linke sagt: "Die Preisentwicklung ist inakzeptabel und erfordert ein sofortiges Gegensteuern der Bundesregierung. Für Menschen, die auf ihr Auto angewiesen sind, ist die aktuelle Situation eine enorme Belastung. Mobilität und eine warme Wohnung dürfen kein Luxusgut werden. Es ist zynisch, wenn regierende Politiker neunmalkluge Verhaltenstipps abgeben, anstatt konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Wer aufs Geld achten muss, spart schon seit vielen Jahren beim Energieverbrauch."
Mehrwertsteuer runter?
Bei dem Warum sind sich die Parteien einig. Doch wie sieht es bei der Frage nach Möglichkeiten der schnellen Entlastung für die Autofahrer aus? Kann beispielsweise die Senkung der Steuer hier ein Mittel sein? Die Meinungen gehen hier nun doch auseinander.
Dr. Christos Pantazis: "Anpassungen müssen sozialverträglich sein"
"Der Koalitionsausschuss hat sich schon vor einigen Wochen darauf geeinigt, die eigentlich für 2024 vorgesehene Erhöhung der Fernpendlerpauschale und der Mobilitätsprämie vorzuziehen. Diese beträgt rückwirkend zum 1. Januar 2022 38 Cent/Kilometer. Angesichts der jüngsten Ereignisse kann auch die Pendlerpauschale diesbezüglich angepasst werden. Die Anpassungen müssen jedoch sozialverträglich sein. Auch sind zeitweise Senkungen der Mehrwert- und Mineralölsteuer denkbar. Derzeit zeigt sich die SPD-Bundestagsfraktion offen gegenüber einer Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent. Diesbezüglich unterstütze ich auch die Initiative des Landes Niedersachsen zur Entlastung der Verbraucherinnen und Verbraucher angesichts der stark steigenden Energiepreise. Eine der vorgeschlagenen Maßnahmen sieht eine Prüfung vor, ob die Mehrwertsteuer auf Energie insbesondere aus Strom, Erdgas, Erdwärme, Fernwärme und Kraftstoffen auf 7 Prozent bereits für die Jahre 2022 und 2023 abgesenkt werden kann. Gleichzeitig soll es zu einer Kompensation der gesamtstaaltlichen Mindereinnahmen durch den Bund kommen. Entscheidend ist für mich, dass vor allem die Verbraucherinnen und Verbraucher mit kleinerem Geldbeutel spürbar entlastet werden. Mobilität sowie der Bezug von Strom und Wärme müssen für alle weiter erschwinglich sein."
Dunja Kreiser: "Sehe den Weg über Steuererleichterungen kritisch"
"Ich setze mich für eine Entlastung der Pendlerinnen und Pendler ein. Die hohen Preise belasten besonders diejenigen, die eben nicht im Homeoffice bleiben können, weil sie in Dienstleistungsbranchen arbeiten, dem Gesundheitswesen oder der Pflege. Wir sollten jetzt den Ausbau der erneuerbaren Energien sehr schnell voranbringen. Energie aus Wind und Sonne macht uns unabhängig, wird immer günstiger und unterstützt unseren Weg zur Klimaneutralität. Natürlich wird das einige Zeit in Anspruch nehmen und nicht sofort zu Erleichterungen führen. Der verstärkte Einsatz von Biogas ist schneller umzusetzen. Sehr wichtig dabei ist, dass der Ausbau ohne weiteren Flächenverbrauch stattfindet. Stattdessen sollten in den Biogasanlagen Reststoffe verwertet werden und es sollte zu einer weiteren Veredelung mit Wasserstoff für einen besseren Wirkungsgrad kommen. Neben den Spritpreisen sind auch die Preise für Heizung und allgemein die Haustechnik sehr hoch. 50 Prozent unseres Energieverbrauchs deutschlandweit geht in den Gebäudebereich. Hier muss ganz schnell eine Modernisierung stattfinden und der Einsatz von Geothermie und Wärmepumpen sollte stark ausgebaut werden. Dafür werden gerade die entsprechenden Förderprogramme überarbeitet, die sehr bald starten sollten. Ich sehe den Weg über Steuererleichterungen kritisch. Hier wird mir zu sehr mit der Gießkanne gearbeitet und zu wenig gezielt entlastet, wo es dringend notwendig ist. Wir stehen vor notwendigen, großen und auch kostspieligen Transformationsprozessen, die wir voranbringen müssen. Entlastungen müssen da ankommen, wo sie gebraucht werden."
Frauke Heiligenstadt: "Steuersenkung hätte nur einen geringen Einfluss auf die Höhe des Spritpreises"
"Eine Steuersenkung hätte nur einen geringen Einfluss auf die Höhe des Spritpreises. Schaut man sich die Zusammensetzung des Spritpreises an, so erkennt man, dass der reale Steueranteil am Benzinpreis nicht steigt, da nur die Mehrwertsteuer prozentual, die übrigen Abgaben wie Energiesteuer und CO2-Steuer mit Festbeträgen berechnet werden. Außerdem müssen wir befürchten, dass ein eventueller Steuernachlass nicht an die Bürgerinnen und Bürger weitergegeben, sondern von den Produzenten und Zwischenhändlern einbehalten werden könnte. In der derzeitigen Situation wäre es nicht nachvollziehbar, Steuergeschenke an Mineralölkonzerne zu verteilen. Klar ist auch, dass der massive Preisanstieg für viele Bürgerinnen und Bürger eine schwerwiegende zusätzliche finanzielle Belastung darstellt. Deshalb hat die Bundesregierung ein Entlastungspaket in Höhe von 13 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Wir haben die Pendlerpauschale rückwirkend zum 1. Januar 2022 von 35 Cent auf 38 Cent pro Kilometer erhöht. Die EEG-Umlage ist gesunken und wird zum 1. Juli 2022 abgeschafft. Wir haben den Arbeitnehmerpauschbetrag um 200 Euro erhöht und den Grundfreibetrag auf 10.347 Euro angehoben. Hartz-IV-Bezieher und Empfänger der Grundsicherung im Alter erhalten einen Zuschuss von 100 Euro. Für Kinder, die von Armut betroffen sind, wird zum 1. Juli 2022 ein Zuschlag von 20 Euro eingeführt. Außerdem wird es einen einmaligen Heizkostenzuschuss für Wohngeld-Haushalte gestaffelt nach Haushaltsgröße von 135 Euro bzw. 175 Euro bei zwei Wohngeld-Empfängern plus 35 Euro für jede weitere im Haushalt lebende Person geben. Diesen Zuschuss erhalten auch BAföG-Empfänger, Aufstiegsgeförderte mit Unterhaltszuschuss sowie Auszubildende mit Beihilfe oder Ausbildungsgeld in Höhe von 115 Euro. Die Maßnahmen werden zudem um weitere Maßnahmen zur Entlastung insbesondere von Geringverdienern ergänzt, sollten die Energiepreise weiter ansteigen. Das kommt allen Bürgerinnen und Bürgern zugute."
Falko Mohrs: "Hilfe muss schnell wirksam sein"
„Die Bundesregierung hat bereits ein erstes Entlastungspaket in Höhe von 13 Milliarden Euro auf den Weg gebracht, das mittel- bis langfristig wirkt und sowohl Verbraucher als auch Unternehmen hilft. Dazu zählen Maßnahmen wie die Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Juli 2022, die insbesondere auch bei den energieintensiven Branchen echte Wirkung zeigt. Außerdem beinhaltet das Paket die Gewährung eines Heizkostenzuschusses für Wohngeldempfangende, Studierende, Schüler sowie Auszubildende. Die dramatisch steigenden Preise, insbesondere im Bereich Energie, treffen viele Menschen und auch die Wirtschaft sehr hart. Wir beraten dazu momentan mit Hochdruck, wie zielgerichtete und über das erste Maßnahmenpaket hinausgehende Entlastungen aussehen sollen. Diese Hilfe muss schnell wirksam sein und bei den Menschen und den Unternehmen ankommen. Einen unüberlegten Schnellschuss, der nur kurzfristig wirkt, ist keine Lösung. Insbesondere Menschen, die wenig Geld zur Verfügung haben, müssen zügig Unterstützung erhalten.“
Carsten Müller: "Maßnahme muss zur schnellen Entlastung umgesetzt werden"
"Die Bundesregierung ist gefordert, hier entschlossen zu handeln und entgegenzusteuern. Viele Menschen in unserem Land sind auf ihr Fahrzeug angewiesen. Dazu zählen vor allem nicht nur die Privathaushalte, sondern auch die zahlreichen kleinen und mittleren Unternehmen, Pflegedienste, Handwerker, Lieferdienste, Logistiker, Spediteure usw. Die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung reichen hier nicht aus. In Zeiten hoher und steigender Steuereinnahmen muss die Bundesregierung diese Einnahmesituation nutzen und die Bürgerinnen und Bürger schnell entlasten. Bereits im Februar hat die CDU/CSU-Fraktion einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht, um der Explosion der Energiepreise entgegenzutreten und wirksame Gegenmaßnahmen umzusetzen. Diesen hat die Ampelkoalition mit ihrer Mehrheit verhindert. Wir werden in diesen Tagen erneut eine Initiative starten, um die Mehrwertsteuer und Mineralölsteuer kurzfristig um insgesamt etwa 40 Cent zu senken und die Entlastung unmittelbar an die Menschen weiterzugeben. Diese Maßnahme muss zur schnellen Entlastung umgesetzt werden.“
Victor Perli: "Mehrwertsteuer auf 7 Prozent senken"
"Der Blick in andere Länder zeigt, dass schnelle Entlastungen möglich sind. Die Linke hat im Bundestag beantragt, kurzfristig die Preise zu regulieren, die Mehrwertsteuer auf 7 Prozent zu senken und die besonders hohe Energiesteuer auf Sprit spürbar zu reduzieren. Wenn die SPD/Grüne/FDP-Regierung mitziehen würde, könnte das noch in diesem Monat beschlossen werden. Auch vor Ort muss etwas passieren. Die Preise für Bus und Bahn sind bei uns in der Region viel zu hoch. Der öffentliche Nahverkehr muss günstiger und besser werden."
Frank Bsirske: "Senkung der Mehrwertsteuer falsche Antwort"
"Eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Sprit, wie sie aktuell von Teilen der Union gefordert wird, halte ich für die falsche Antwort. Unklar ist, ob sie am Ende tatsächlich an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben wird. Zudem wäre eine einfache Senkung zeitlich zu undifferenziert und würde, wenn die Spritpreise wieder sinken, eine schwer zu kalkulierende Lenkungswirkung haben. Wir brauchen jetzt schnelle, zielgerichtete Maßnahmen, die bei den Menschen tatsächlich ankommen. Es war wichtig, dass die Ampelkoalition bereits ein erstes 10-Punkte-Entlastungspaket beschlossen hat, um den Menschen unter die Arme zu greifen. Die Ministerien arbeiten derzeit mit Hochdruck daran, die beschlossenen Maßnahmen umzusetzen. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine hat sich die Situation weiter verschärft. Deswegen müssen wir nun nachsteuern. Für mich wäre eine zügige Umsetzung des Klimageldes ein guter Weg. Der Staat könnte die Mehreinnahmen bei der Besteuerung von Energie über das Klimageld direkt an die Menschen weitergeben und somit gezielt entlasten, ohne falsche Anreize zu setzen. Damit könnten die höheren Spritpreise zumindest teilweise kompensiert werden.“
Anikó Merten: "Mit den Ursachen des Problems auseinandersetzten"
"Als FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag nehmen wir diese Sorge ernst, beobachten die Marktentwicklung und die steigenden Spritpreise sehr genau und prüfen Reaktionen. Ich weiß, dass steigende Energie- und Kraftstoffpreise für viele Menschen eine große Belastung bedeuten. Dies war bereits vor Putins Angriff auf die Ukraine ein ernstzunehmendes Problem, welches immer wieder staatliches Handeln erforderte. Mit dieser Woche hat sich die Situation jedoch drastisch verschärft. Betriebe haben die Möglichkeit, ihre Betriebskosten steuerlich geltend zu machen und darüber hinaus die Preise an ihre Kunden weiterzugeben. Bei steigenden Weltmarktpreisen sind die nationalen finanziellen Handlungsoptionen sehr begrenzt. Wir müssen uns also mit den Ursachen des Problems auseinandersetzten und Versorgungsengpässe vermeiden. Darüber hinaus entlastet die Ampel-Koalition geführte Bundesregierung bereits jetzt die Verbraucher an anderen Stellen. Mit dem Heizkostenzuschuss ermöglichen wir den am schwersten Betroffenen, die Situation zu überbrücken. Mit der vorgezogenen Abschaffung der EEG-Umlage entlasten wir die Verbraucher beim Strompreis und mit der Erhöhung der Fernpendlerpauschale helfen wir jenen, die durch die gestiegenen Benzinpreise besonders finanziell belastet sind. Die Bundesregierung prüft weitere Schritte zur Entlastung der Verbraucher bei steigenden Energiekosten. Langfristig müssen wir uns aber die Frage stellen, wie wir in Mitteleuropa unabhängiger von Energie aus autokratisch geführten Staaten werden."
Karoline Otto: "Pauschale "Steuersenkung nicht zielführend"
"Eine wichtige Möglichkeit zurzeit ist den Import von Energie aus verschiedenen Teilen der Welt zu erhöhen und den Ausbau von erneuerbaren Energie voranzutreiben. Um Menschen jedoch direkt zu entlasten ist es wichtig, dass die Bundesregierung die Pendlerpauschale erhöhen wird und für Menschen mit geringem, oder ohne Einkommen Direktzahlungen plant. Diese Maßnahmen befinden sich in der Umsetzung. Weitere Maßnahmen sind in der Vorbereitung. Die Bundesregierung hat außerdem eigene staatliche Ölreserven freigegeben, um den Preis mit höherem Angebot zu drücken. Es sind bereits steuerliche Entlastungen in Form einer Erhöhung des Arbeitnehmerpauschbetrag (Werbekostenpauschale) und des Grundfreibetrags um mehrere hundert Euro geplant. Eine pauschale "Steuersenkung" ist aber nicht zielführend, da dies die staatlichen Möglichkeiten, durch Investitionen langfristig Energiepreise zu verbessern, einschränken würde. Außerdem sind Steuersenkungen nicht zielgerichtete Maßnahmen und haben auf Haushalte mit geringen Einkommen, kaum einen entlastenden Effekt. Aber gerade diese Haushalte müssen wir verstärkt im Blick haben und unterstützen."
Auch der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil (SPD,) wurde um ein Statement gebeten. Bis zur Veröffentlichung dieses Artikels lag dieses jedoch noch nicht vor. Sollte die Antwort zu einem späteren Zeitpunkt eingehen, wird der Artikel aktualisiert.
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