Corona-Gesetz passiert auch Bundesrat: Neue Reichweiten und Grenzen für die Regierung

Großen Protest gab es aus der Opposition. Größter Kritikpunkt sei die mangelnde Beteiligung des Parlamentes bei neuen Verordnungen.

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Der Plenarsaal im Bundestag. (Symbolbild)
Der Plenarsaal im Bundestag. (Symbolbild) | Foto: Rudolf Karliczek

Berlin. Der Bundestag hat am Nachmittag in namentlicher Abstimmung mit einer Mehrheit von 415 Abgeordneten für die Novelle des Infektionsschutzgesetzes gestimmt, um die rechtliche Position der Corona-Schutzmaßnahmen zu stärken. Dagegen stimmten 236 Abgeordnete. Acht enthielten sich. Das Gesetz passierte am späten Nachmittag nach Informationen des Redaktionsnetzwerks Deutschland auch den Bundesrat und ist somit beschlossen.


Gesundheitsminister Jens Spahn betonte, dass es keine Impfpflicht auf Basis dieses Gesetzes geben werden. Das Gesetz soll Reichweite und Grenzen des Regierungshandelns vorgeben, indem Regelbeispiele etwaiger Schutzmaßnahmen benannt werden. "Für den Kulturbereich heißt es etwa, bei Untersagungen oder Beschränkungen müsse der Bedeutung der Kunstfreiheit ausreichend Rechnung getragen werden", erläutert die Bundesregierung auf der Website des Bundestags dazu. Adrian Haack, CDU-Bürgermeisterkandidat in Wolfenbüttel und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Bundestag erklärte gegenüber regionalHeute.de: "Die größte Neuerung ist, dass der Bund gegenüber den Ländern eine aktivere Rolle einnimmt. Nach meiner Wahrnehmung war die Koordination der Landesregierungen durch die Bundesregierung in den letzten Monaten dringend notwendig. Dies wird nun unter Beteiligung des Bundestages auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Die Pandemie-Maßnahmen werden nur Akzeptanz finden, wenn die Menschen ein abgestimmtes Vorgehen erkennen können."

Versammlungsverbote nur "Ultima Ratio"


Weiter heißt es, Beschränkungen von religiösen Zusammenkünften seien auch dann streng zu prüfen, wenn der Eingriff in die Glaubensfreiheit dazu diene, eine übertragbare Krankheit zu bekämpfen. Eingriffe in die Versammlungsfreiheit seien nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig. Ein Verbot der Versammlung komme nur als Ultima Ratio im Einzelfall in Betracht.

Anspruch auf Impfung, Testung, Schutzmasken


Im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) wird darüber hinaus geregelt, dass, soweit dies im Rahmen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite erforderlich ist, sowohl Versicherte als auch Nichtversicherte einen Anspruch auf Schutzimpfung, Testung und Schutzmasken haben können, wenn eine Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums dies vorsieht. Die Rechtsverordnung soll für die entsprechenden Leistungen auch die Vergütung und Abrechnung regeln können. Geplant sei die Einrichtung von Impfzentren. Die Impfkosten sollen ohne Einzelfallabrechnung pauschal finanziert werden.

Erstes und zweites Bevölkerungsschutzgesetz


Die Koalitionsfraktionen erinnern an das am 25. März 2020 vom Bundestag verabschiedete Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, das sogenannte erste Bevölkerungsschutzgesetz, und an das am 14. Mai 2020 verabschiedete zweite Bevölkerungsschutzgesetz. Die darin getroffenen Maßnahmen sollten zum einen das Funktionieren des Gesundheitswesens in der Coronavirus Sars-CoV-2-Pandemie sicherstellen und zum anderen die mit dieser besonderen Situation verbundenen negativen finanziellen Folgewirkungen abmildern.

Das Bundesgesundheitsministerium sei mit der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom Bundestag ermächtigt worden, durch Anordnung oder Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie zu ergreifen, die im Wesentlichen bis zum 31. März 2021 beschränkt sind. Mit dem zweiten Bevölkerungsschutzgesetz seien die Regelungen und Maßnahmen weiterentwickelt und ergänzt worden. Neu ist auch, dass für alle Maßnahmen eine Dauer von vier Wochen festgesetzt wurde. Diese können zwar verlängert werden, hierfür muss aber eine erneute Begründung erfolgen. Diese "Begründung", welche das Dritte Bevölkerungsschutzgesetz für alle Verordnungen vorsieht, soll auch vor Gericht herangezogen werden.

Protest aus der Opposition


Unter anderem die Linksfraktion hatte gegen die Novelle des Infektionsschutzgesetzes gestimmt. Eine erste Stellungnahme dazu gab der Wolfenbütteler Linken-Bundestagsabgeordnete Victor Perli auf Facebook ab: "Union und SPD haben die Chance verpasst, die Federführung bei den rechtlichen Grundlagen für die Bekämpfung der Pandemie an die Parlamente zu geben und den Regierungen wieder ihre rein exekutive Rolle zuzuweisen", argumentiert der Parlamentarier und fährt fort: "Es ist falsch, dass es zeitweise Einschränkungen von Grundrechten gibt, die nicht vom Parlament entschieden, streng und demokratisch kontrolliert werden. Debatten müssen transparent und in öffentlicher Sitzung geführt und entschieden werden. Die Bevölkerung hat ein Recht darauf." Auch die AfD habe nach Angaben des Goslarer Bundestagsabgeordneten Jens Kestner geschlossen gegen das Gesetz gestimmt.

Ein Eklat mit Besucherausweis


In den sozialen Medien sorgten derweil Videos für Irritationen, in denen unter anderem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier von Personen mit Handykameras bedrängt und beleidigt wurde. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle verdächtigt die AfD, die Störer "eingeschleust" zu haben. Fraktionen und einzelne Mitglieder des Bundestages (MdB) haben die Möglichkeit, Besucher mit ins Reichstagsgebäude zu bringen. Kuhle sei laut eines Beitrags auf Twitter ebenfalls von einer Person angesprochen worden. Da diese einen Besucherausweis getragen habe, müsse sie entsprechend angemeldet worden sein.


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