Komasaufen: Sollen die Eltern den Rettungseinsatz zahlen?

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Eine starke Zunahme von Alkoholexzessen sei nicht zu verzeichnen, meint das DRK. Foto: Archiv/Marc Angerstein
Eine starke Zunahme von Alkoholexzessen sei nicht zu verzeichnen, meint das DRK. Foto: Archiv/Marc Angerstein | Foto: Marc Angerstein

Wolfenbüttel. Laut Medienberichten planen die Landkreise Wittmund und Rotenburg Konsequenzen wegen der steigenden Zahl von Jugendlichen, die nach Alkoholexzessen in Kliniken eingeliefert werden. Die Eltern sollen zur Kasse gebeten werden und die Kosten für den Rettungsdiensteinsatz begleichen. Wie sieht es in unserer Region aus? Ist hier Ähnliches geplant?


Im Landkreis Wolfenbüttel gibt eskeine Überlegungen, die Elternan den Kosten zubeteiligen. Das erklärt PressesprecherAndree Wilhelm. Der Rettungsdienst des DRK, der im Auftrag des Landkreises (Träger des Rettungsdienstes) Rettungsfahrten und Krankentransporte durchführt, teilt mit, dass die Kostenträger (also die Krankenkassen) den Einsatzgrund in diesen Fällen nicht hinterfragten. Die Kosten würden immer erstattet. Daher könne sich das DRK eine Reaktion der Kostenträger – beispielsweise durch Weitergabe von Rechnungen an die Eltern - nicht vorstellen, zumal es um besonders schutzbedürftige Minderjährige gehe. Eine bessere Möglichkeit an die Eltern heranzutreten wäre hier etwa, dass Eltern ihre Kinder erst nach einem Beratungsgespräch mit der Polizei aus der Klinik abholen können.

Ähnlich sieht es auch die Präventions- und Jugendschutzbeauftrage des Landkreises Michaela Knabe: Der Rettungsdienst dürfe den Eltern nicht in Rechnung gestellt werden.

DRK plantgesonderte Auswertung nach Einsatzgrund


Doch wie viele Fälle von Rettungsdiensteinsätzen, bei denen Minderjährige aufgrund übermäßigen Alkoholgenusses ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten, gibt es überhaupt?Derzeitsei eine Auswertung nach Einsatzgrund noch nicht möglich, so das DRK. Dochder Rettungsdienst Wolfenbüttel des DRK plane in Zukunft eine gesonderte Auswertung nach Einsatzgrund.

Im Jahr 2016seien durch das DRK insgesamt 505 Patienten zwischen zehnund 19 Jahren behandelt oder transportiert worden. Im Jahr 2017 waren es 427. Hierinseien alle Erkrankungen enthalten auch Alkoholvergiftungen.

Aktuelle Tendenzen


Der Rettungsdienstkönne nach Rücksprache mit dem Fahrpersonal zwei Beobachtungen zu Alkoholnutzung von Jugendlichen nennen:

  • Eine starke Zunahme von Alkoholexzessen und eine damit verbundene Transportsteigerung ist nicht auffällig. Saisonal bedingt (größere Festlichkeiten wie Volksfeste) ausgenommen, kann keine signifikante Zunahme an Transporten Jugendlicher aufgrund Alkohol bemerkt werden.

  • Was jedoch auffällig ist, ist die Tatsache, dass Jugendliche vermehrt alleine betrunken angetroffen werden. Laut DRK liegt das daran, dass ein Wertewandel in der Bevölkerung stattgefunden hat. Die Mentalität den Notruf abzusetzen und die Erwartung, dass die öffentliche Hand ihrer Fürsorgepflicht nachkommt und sich kümmert, hat erheblich zugenommen. Wo früher Freunde den Betrunkenen nach Hause gebracht haben, wird nun der Rettungsdienst herangezogen.


Präventionsarbeit durch den Landkreis


Der Landkreisbegegne dem Problem mit einer Präventions- und Jugendschutzbeauftragen. Die Sozialpädagogin Michaela Knabesei im Familien- und Kinderservicebüro des Jugendamtes tätig. Der Landkreis arbeite zu diesem Thema eng mit vielen Akteuren zusammen, etwa dem Lukas-Werk, der Polizei, Schulen, der Stadt Wolfenbüttel sowie freien Trägern. Die Beauftragte organisiere und finanziere Präventionsmaßnahmen. In der Fachgruppe Sucht treffen sich die genannten Akteure rund sechsmal im Jahr, um den aktuellen Stand zu besprechen und Maßnahmen zu planen.

Das Programm „Klarsicht Mitmachparcours“ richte sich an 13- bis 15-jährige Schülerinnen und Schüler aller 7. und 8. Klassen. Hier würden die Schulkinder zum Thema Alkohol und Zigaretten sensibilisiert. Dieses Programm finde regelmäßig jährlich in allen weiterführenden Schulen statt. Für Jugendliche der Jahrgangsstufe 10 gebe es das Programm „Sex, Drugs and Rock ‘N‘ Roll“ zum Umgang mit Alkohol und Drogen.

Aufwertung des Selbstbewusstseins


Neben diesen Beispielen aus den Präventionsprogrammen gegen Alkohol, Zigaretten und Drogen gebe es weitere Angebote, die der Persönlichkeitsentwicklung dienten. Über eine Aufwertung des Selbstbewusstseins sollen Kinder an Kitas und Schulen eine starke Persönlichkeit entwickeln. Diese Programme finanziere der Landkreis mit.

Ähnliche Angebote gebe es auch für Erwachsene („Starke Eltern, starke Kinder“), die Hilfestellung im Umgang mit dem eigenen Kind geben. Themen seien vor allem Stressreduktion, aber auch der Umgang mit Alkoholoder wenn das eigene Kind Alkohol trinke.

Jugendschutzkontrollen undAlkohol-Testkäufe


Zudem würden in Zusammenarbeit mit der Polizei Jugendschutzkontrollen durchgeführt. Das seien Maßnahmen wie Alkohol-Testkäufe in Supermärkten sowie die Überprüfung des ordnungsgemäßen Aushangs der Jugendschutzbestimmungen.

Für Fragen zum Thema Suchtprävention können Eltern und Erziehungsberechtigte, aber auch Schulen und Kitas sich an Michaela Knabe, Präventions- und Jugendschutzbeauftrage im Landkreis Wolfenbüttel, wenden: m.Knabe@lk-wf.de, 05331 84 183. Die Präventionsprogramme werden als niedrigschwellige, kostenfreie Programme angeboten.


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