Personeller Engpass - Debatte um Verzögerungen bei Bauvorhaben entbrannt

Immer wieder kommt es zu zeitlichen Verschiebungen von Bauprojekten der Stadt, weil das Personal knapp ist. Jetzt ist eine Debatte dazu entbrannt und die politische Meinung geht dabei weit auseinander.

von


Bei der Stadtverwaltung gibt es einen Personalengpass  im Baubereich - zumindest um alle Bauvorhaben ohne Verschiebung abzuarbeiten.
Bei der Stadtverwaltung gibt es einen Personalengpass im Baubereich - zumindest um alle Bauvorhaben ohne Verschiebung abzuarbeiten. | Foto: Matthias Kettling / regionalHeute.de

Wolfenbüttel. Die Stadt Wolfenbüttel hat viele Bauprojekte auf dem Tisch liegen. Einige davon bereits seit Jahren. Und Jahr für Jahr kommen neue hinzu. Das stößt auf Kapazitätsengpässe und so ist eine Debatte um die Leistungsfähigkeit des Baudezernats entbrannt.



Ob die Sanierung des Jugendfreizeitzentrums, des Elster- und Geitelhauses der Großen Schule oder der Toiletten in der Grundschule Karlstraße. All diese Vorhaben können aufgrund personeller Engpässe nicht so schnell umgesetzt werden, wie es sich die Politik und Stadtverwaltung wünschen würden. Im jüngsten Schulausschuss wurde dann auch noch vom Bürgermeister mitgeteilt, dass aus dem im März letzten Jahres beschlossenen Schulhofsanierungsprogramm zumindest in diesem Jahr nichts werden wird.

Unterschiedliche Vorstellungen bei den Beteiligten


All das sorgt für Frust auf allen Seiten, was allem Anschein nach dazu führt, dass sich Politik und Verwaltung jetzt die Schuld untereinander sowie gegenseitig zuweisen. Deutlich wird dies am Vorhaben der Sanierung des Jugendfreizeitzentrums, welche bereits seit etlichen Jahren überfällig ist. Hier hatte die SPD-Fraktion im vergangenen Jahr den Antrag gestellt, dass das auf mittlerweile 2025 terminierte Vorhaben vorgezogen wird. Der Antrag wurde angenommen und entsprechende Finanzen in den städtischen Haushalt eingestellt. Zwar sind seitdem Vorplanungen gelaufen, gar Konkretes ist jedoch weder entwickelt noch beschieden. Am Baubeginn frühestens 2025 hat sich nichts geändert. Wie auch, fragt sich Bürgermeister Ivica Lukanic. Er hatte bereits bei Antragsberatung darauf hingewiesen, dass die Politik dann auch entsprechend personelle Ressourcen schaffen müsse. Dies sei ausgeblieben. Ganz offensichtlich gab es hier unterschiedliche Vorstellungen zwischen Politik und Verwaltung sowie Probleme bei der Kommunikation.

Ralf Achilles, Fraktionsvorsitzender der SPD im Rat der Stadt Wolfenbüttel.
Ralf Achilles, Fraktionsvorsitzender der SPD im Rat der Stadt Wolfenbüttel. Foto: Axel Otto


Im Ausschuss für Bau, Stadtentwicklung und Umwelt warf Leonhard Pröttel, Ratsherr der Grünen, den Fraktionen von SPD und CDU vor, eine Aufstockung von Personal im Baubereich mit dem letzten Haushalt verhindert zu haben und man sich nun nicht wundern dürfe, wenn Projekte nicht umgesetzt werden können. SPD und CDU widersprechen. "Die personelle Aufstellung des Dezernates Stadtentwicklung und Bauen entspricht den Vorgaben, die die Verwaltung für nötig erachtet hat, um die anstehenden Aufgaben bewältigen zu können - um es konkret anzusprechen: Alle Stellen, die die Verwaltung im Stellenplan angemeldet hatte, sind auch bewilligt worden", sagt SPD-Fraktionsvorsitzender Ralf Achilles auf Anfrage von regionalHeute.de. Und auch Marc Angerstein, Fraktionsvorsitzender der CDU, sagt: "SPD und CDU haben im Baubereich keine Stellenkürzungen vorgenommen, sondern gemäß der Anforderung im Plan die Stellen gebilligt."

CDU-Fraktionsvorsitzender Marc Angerstein.
CDU-Fraktionsvorsitzender Marc Angerstein. Foto: Axel Otto


Auf Nachfrage erklären die Grünen, dass CDU und SPD eine zusätzliche Stelle in der Vergabestelle mit einem Sperrvermerk versehen haben. Außerdem hätten die beiden Fraktionen dafür gesorgt, dass eine vorgesehene Stelle eines Technikers für Spielplätze/Spielgeräte im Grünflächenamt gestrichen wurde. Letztere hatte die Verwaltung tatsächlich bei der Politik angefordert, wobei die Stelle zusätzlich für das Thema Biodiversitätsstrategie hätte zuständig sein sollen. SPD und CDU sahen eine Streichung der Stelle oder alternativ den Kompromiss eines Sperrvermerkes vor, wenn die Verwaltung den Bedarf auf Basis einer Stellenbedarfsermittlung nachweise. In einer überarbeiteten Verwaltungsvorlage wurde die Stelle später gestrichen. Die neue Sachbearbeiterstelle für die Vergabe hingegen wurde zunächst mit einem Sperrvermerk belegt und im Dezember 2022 dann zu 65 Prozent freigegeben. Somit gab es weder im Tief- noch im Hochbau verhinderte Stellen.

Leonhard Pröttel hatte den Vorwurf gegenüber SPD und CDU erhoben.
Leonhard Pröttel hatte den Vorwurf gegenüber SPD und CDU erhoben. Foto: Thomas Stoedter


"Kein Personal angefragt"


Woran liegt es also, dass es immer wieder zu Verzögerungen und Verschiebungen kommt? Wir haben die Fraktionen und Gruppen der im Rat der Stadt Wolfenbüttel vertretenen Parteien zur allgemeinen Problematik befragt. Die Antworten hätten unterschiedlicher nicht ausfallen können.

"Die Stadtverwaltung hat ihren Personalbedarf, auch für den Baubereich, im Stellenplan selbst definiert und um eine Planstelle erhöht. Dieser Stellenplan ist auch mit Zustimmung der CDU gebilligt worden. Da der neue Stadtbaurat Klaus Benscheidt noch nicht im Amt war, können wir davon ausgehen, dass der Bürgermeister Ivica Lukanic, der das Bauamt weiterhin kommissarisch führte, den Bedarf selbst ermittelt und im Stellenplan angemeldet hat. Wenn die Bauverwaltung der Stadt Wolfenbüttel heute darauf verweist, dass es nicht genug Personal gibt, ist dies entweder einer fehlerhaften Planung oder dem allgemein vorherrschenden Fachkräftemangel geschuldet", sagt CDU-Fraktionsvorsitzender Marc Angerstein. Auch der Fraktionsvorsitzende der SPD, Ralf Achilles, wundert sich über die bei Verzögerungen oftmals angeführten Personalengpässe. "Wenn momentan die Personaldecke nicht ausreichen sollte, müsste doch aus dem Baubereich die Bitte kommen, Personal aufzustocken. Ein solches Ansinnen ist mir nicht bekannt!", sagt Achilles.

Andreas Bäumann von der AfD-Fraktion sieht hingegen gar keine knappen Personalressourcen im Baudezernat. Er sagt: "Das Bauamt hat genügend Mitarbeiter und jetzt auch einen fähigen Leiter, die eben nur ordentlich arbeiten müssen. Eine weitere Aufstockung halten wir zur Zeit für nicht notwendig. Die Stadt Wolfenbüttel befindet sich auf einem guten Weg in Bezug auf ihre Weiterentwicklung, seit dem neuen Bürgermeister sogar noch mehr als vorher. Eine Gefährdung dieses Weges durch Personalmangel zeichnet sich für die AfD Ratsfraktion nicht ab!"

"Fehlende Priorisierung" als Problem benannt


Für die Gruppe BuW/FDP rührt das Problem an ganz anderer Stelle. "Die Stadt Wolfenbüttel schiebt seit vielen Jahren Bauprojekte vor sich her, weil zu den in der Vergangenheit beschlossenen immer wieder neue hinzugenommen werden, anstatt die Liste zu priorisieren und dann abzuarbeiten. Ein solches Vorgehen haben wir bei den letzten Haushaltsberatungen vorgeschlagen, ohne jedoch bei CDU, SPD und den Grünen Unterstützung zu finden. In den kommenden Haushaltsberatungen sollten die Machbarkeit und die Priorisierung bei Bauvorhaben
eine größere Rolle spielen", sagt Gruppensprecherin Alexandra Tomerius. Den Bedarf einer weiteren personellen Aufstockung der Stadtverwaltung sieht die Gruppe BuW/FDP aufgrund der inzwischen sehr hohen Folgekosten kritisch. Problematisch sei, das Anschieben von ständig neuen, kostenintensiven Projekten durch SPD/CDU und "in geringerem Umfang" auch durch die Grünen, vor allem vor anstehenden Kommunalwahlen, sagt Tomerius und fügt hinzu: "Dies blockiert beziehungsweise verzögert häufig die Umsetzung bereits beschlossener Projekte."

Dr. Alexandra Tomerius, Gruppensprecherin BuW/FDP
Dr. Alexandra Tomerius, Gruppensprecherin BuW/FDP Foto: Axel Otto


Eine Priorisierung vorzunehmen, hält die Fraktion Bündnis90 / Die Grünen für schwer. Deren Fraktionsvorsitzenden Ulrike Krause und Sascha Poser sagen: "Unser Ziel ist nicht die Umsetzung von Prestigeprojekten, sondern die gute Versorgung der Bürgerinnen mit angemessenem Aufwand. Insbesondere halten wir es für wichtig, keine Beschäftigungsaufgaben wie zum Beispiel einen Mobilitätsentwicklungsplan als Umsetzungshemmnis zu beschließen. Abgesehen davon fällt es natürlich schwer, Priorisierungen vornehmen zu müssen. Gern sähen wir in 2023 eine Modernisierung der Grundschule Karlstraße oder die fahrrad- und fußgängerfreundliche Umgestaltung des Schiffwalls, aber weder die Kapazität der Verwaltung noch das ökonomische Umfeld geben das her. Schließlich sind die nächsten Projekte schon beschlossen: Sanierung der Fußgängerzone, Modernisierung Campus Cranachstraße, um nur zwei Beispiele zu nennen."

Ulrike Krause, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90 / Die Grünen im Rat der Stadt Wolfenbüttel
Ulrike Krause, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90 / Die Grünen im Rat der Stadt Wolfenbüttel Foto: Axel Otto


Der Eindruck der Grünen ist, dass die Verwaltung im Rahmen ihrer Kapazitäten eine angemessene Zahl von Bauprojekten mit großer Sorgfalt plant und realisiert. Mit Blick auf die Wünsche aus der Politik wäre eine höhere Schlagzahl der Verwaltung nur mit deutlich mehr Personal zu machen, sagen sie. Gerade für die Planung und Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen aus dem Masterplan Klimaschutz will die Fraktion der Grünen ausreichend Haushaltsmittel und Stellen bereitstellen. Das Baudezernat sieht die Fraktion damit noch nicht gut genug ausgestattet.

Verwaltung möchte Personal aufstocken


Im Gespräch mit regionalHeute.de kündigt Stadtbaurat Klaus Benscheidt an, dass man der Politik zu den nächsten Haushaltsberatungen eine Aufstockung des Personals vorschlagen werde. Alternativ sowie in Ergänzung, so unterstreicht es auch Bürgermeister Ivica Lukanic, müsse ein gemeinsamer Weg der Priorisierung gefunden werden. Im Ausschuss für Wirtschaft und Finanzen hatte Lukanic bereits auf die in den letzten Wochen aufgekommene Kritik an den Verschiebungen von Bauprojekten reagiert und der Politik eine Präsentation über die Leistungsfähigkeit im Hochbau vorgestellt. Hierbei stellte er auch einen Vergleich der Investitionen im Baubereich zwischen Wolfenbüttel und den größten niedersächsischen Kommunen (ohne Landkreise und kreisfreien Städte) an. Dabei kam heraus, dass jede Kommune im Betrachtungszeitraum 2013 bis 2020 zusammengefasst im Mittelwert 184 Euro je Einwohner in Baumaßnahmen investiert. Die Stadt Wolfenbüttel liegt mit 323 Euro je Einwohner jedoch deutlich darüber. "Ich bin stolz, dass wir das noch können", sagte Lukanic.

Wolfenbüttels Stadtbaurat Klaus Benscheidt.
Wolfenbüttels Stadtbaurat Klaus Benscheidt. Foto: Werner Heise


Lukanic's Auswertung zeigt zudem, dass die Stadtverwaltung Wolfenbüttel mit weniger Mitarbeitern im Hochbau mehr geleistet habe, als man nach einer Planrechnung in der Privatwirtschaft Personal benötige. Die Berechnung anhand des Investitionsvolumens zeigt dann aber auch deutlich, dass zur Bewältigung der bereits in den Haushaltsplanungen der kommenden Jahre befindlichen Bauprojekte wesentlich mehr Mitarbeiter benötigt werden. Der Bürgermeister hält in seiner Präsentation fest: "Die optimistische Hochrechnung des Personalbedarfs im Amt 65 gemessen an den eingeplanten Investitionen zeigt einen eklatanten seit Jahren anhaltenden Fehlbedarf."

SPD und CDU sind unzufrieden


Es wird also an der Politik liegen, einen Konsens zu finden, wie man künftig damit umgehen will. Viel wird dabei auch an der Kommunikation miteinander hängen. SPD und CDU sehen hier Verbesserungsbedarf. "Hinweise im Vorhinein - für eine Verwaltungsentscheidung - wären manchmal durchaus hilfreich, vor allem, wenn es - wie beim Jugendfreizeitzentrum - einen Antrag zur Beschleunigung gibt, der auch politisch beschlossen wurde, dann aber ohne eine vorherige Ankündigung einfach nicht umgesetzt wird. Das ist unbefriedigend, hier muss
die Kommunikation deutlich verbessert werden", sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Ralf Achilles. Ähnlich sieht es CDU-Mann Angerstein: "Ich denke, die Kommunikation ist insgesamt verbesserungsfähig." Die anderen Fraktionen können sich dem nicht anschließen und attestieren insbesondere Bürgermeister Ivica Lukanic eine gute Kommunikation. Lediglich zum Thema Jugendfreizeitzentrum merken die Grünen an: "Wir sehen mit Bedauern, dass jungen Menschen eine schnellere Sanierung des JFZ versprochen wurde und diese Hoffnung sich ein Mal mehr zerstreut. Vielleicht hätte die Verwaltung im Rahmen der letzten Haushaltsberatungen mit größerer Standhaftigkeit ihren Stellenplan verteidigen müssen. Für eine verlässliche Kommunikation gegenüber den Bürger:innen sehen wir aber alle Akteur:innen in der Pflicht."

Ivica Lukanic wird von fast allen Fraktionen eine gute Kommunikation mit der Politik bescheinigt. Nur SPD und CDU sind da in Teilen anderer Meinung.
Ivica Lukanic wird von fast allen Fraktionen eine gute Kommunikation mit der Politik bescheinigt. Nur SPD und CDU sind da in Teilen anderer Meinung. Foto: Thomas Stödter


Lukanic selbst zeigte sich im Ausschuss für Wirtschaft und Finanzen dankbar, dass diese Diskussion entstanden ist und man nun darüber sprechen könne. Er unterbreitete den Ratsfraktionen das Angebot jederzeit zu ihnen zu kommen, Antworten und Fragen zu geben und für Aufklärung zu sorgen.

Selbst wenn sich Verwaltung und Politik auf eine Aufstockung des Personalansatzes einigen sollten, scheint es fraglich, dass dies die sofortige Lösung zur Beschleunigung bereits beschlossener Projekte ist. Im Gespräch mit regionalHeute.de schildert Wolfenbüttels Stadtbaurat Klaus Benscheidt von den Schwierigkeiten, offene Stellen überhaupt besetzen zu können. Auswahlprozesse zögen sich in Zeiten des Fachkräftemangels teils lange hin und manch ein Bewerber der den Stellenzuschlag bekam sagt kurz vor Jobantritt plötzlich ab.

Fortsetzung spannend.


mehr News aus Wolfenbüttel