Wolfenbüttel / Hannover: "Es war eine sensationell tolle Zeit!" - WolfenbüttelHeute.de im Gespräch mit Jörg Röhmann

von Marc Angerstein


| Foto: Marc Angerstein



Seit Dienstagnachmittag ist er Staatssekretär im niedersächsischen Ministerium für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration in Hannover: Jörg Röhmann. Er, der sich selbst als Quälgeist und polterig bezeichnet, ist nicht länger Landrat in Wolfenbüttel. Der Abschied, vor allem von seinen engsten Mitarbeitern, ist ihm schwergefallen und er gibt zu, dass er feuchte Hände vor der Übernahme seines neuen Amtes hatte. In Wolfenbüttel lässt er einen unaufgeräumten Schreibtisch zurück. In einem heute geführten Gespräch mit unserer Online-Zeitung blickt Jörg Röhmann vor und zurück.
Plötzlich und unerwartet, zumindest für die breite Öffentlichkeit, haben Sie Wolfenbüttel als Landrat verlassen, wie kam es hierzu?

"Der erste Grund war, dass die Sozialdemokraten durch den Wähler die Gelegenheit bekommen haben die Regierung zu stellen, aber da war ich noch ganz weit weg und noch glücklich als Landrat. Das wäre ich im Übrigen auch noch weiter gewesen. Es gab auch zuvor Gespräche für eine weitere Verwendung, was sich aber nicht realisieren ließ. Positiv geschockt war ich dann, als mich vor wenigen Wochen die heutige Ministerin, Cornelia Rundt, ansprach, ob ich nicht Lust hätte Staatssekretär zu werden. Es gab keinen Grund diesen Wunsch auszuschlagen. Zuerst musste jedoch der zukünftige Ministerpräsident die Staatssekretäre präsentieren und vor allem gewählt sein, bevor man die Möglichkeit hat darüber zu sprechen. Deswegen konnte ich das natürlich nicht langfristig vorbereiten.

Was mir am meisten zusetzt sind zwei Dinge: Ich habe einen überaus unaufgeräumten Schreibtisch hinterlassen. Herrn Hortig, dem ersten Kreisrat, habe ich damit einiges zugemutet. Und eines trifft mich noch mehr. Das Verhältnis zu meinen engsten Mitarbeitern, die ich zurücklassen muss. Hier ist mir der Abschied persönlich sehr schwer gefallen. Sie werden aber motiviert ohne den Quälgeist zurecht kommen."

Haben Sie die Ziele die Sie sich für Ihr Amt als Landrat gesetzt haben erfüllt oder sind Dinge offen geblieben?

"Ich bin ein Glückspilz. Ich habe zu einer Zeit eine Aufgabe übernommen, in der es sehr leicht war Ziele zu definieren und zu erreichen. Viele Kollegen haben mich in der letzten Wahlperiode darauf angesprochen, das ich ja keine parlamentarische Mehrheit hätte. Aber gerade das habe ich als sehr positiv empfunden, da alle Fraktionen mit einem hohen Maß an Motivation Politik gemacht haben. Ich wurde nicht gebremst und alle Fraktionen haben Verantwortung für den Kreis übernommen.

In Sachen Bildung - und da bin ich stolz drauf, wenn was bleibt - dass das Dogma, das Thema Gesamtschule, ein praktisches Thema ist. Und ich bin nach wie vor auch riesig überzeugt davon, dass es eine gute Entscheidung des Kreistages war auf eigene Initiative - auch finanziell gesehen - eigenständig das Internet-Breitband auszubauen. Das ist einmalig in Deutschland.

Wir haben viele Dinge in den letzten Jahren gemeinsam gemacht. Die Rahmenbedingungen hierfür sind sehr kompetente Mitarbeiter. 600 Leute die sich jeden Tag dafür einsetzen, dass es den Leuten im Landkreis besser geht. Es hat von dieser Seite sehr viel Rückenwind für mich gegeben und es war eine sensationell tolle Zeit.

Aber auch ohne mich wird es genau so weiter gehen. Es wird Menschen geben, die neue Akzente setzen und es genau so weiter machen. Eines hat mich natürlich besonders hin und her gelenkt. Das ist die Thematik um die Asse. Natürlich habe ich einen Anteil an der Gründung der Asse II Begleitgruppe, aber auch hier gilt mitgewirkt, nicht ich alleine, sondern wir. Wir sind durch die Umstände in die Öffentlichkeit gekommen. Besonders stolz bin ich, dass die Bürgerinitiativen nicht nur kritisiert haben, sondern Verantwortung für das was kommt, natürlich nicht für das was war, übernommen haben. Das wird weitergehen und da bin ich beruhigt.

Ich weiß auch, dass um mich herum in der Regierung Leute sitzen, die bei der Meinung bleiben, das der Müll raus muss. Wir wissen, das es keine andere Rechtskonform und keinen anderen zukunftssicheren Weg gibt. Es ist von uns allen so gut auf den Weg gebracht, dass ich mich nicht dafür rechtfertigen muss jetzt zu gehen, zumal ich die Möglichkeit habe auch von hier zu wirken. Ich fand es so toll, das der neue Umweltminister, Stafan Wenzel, nach seiner Vereidigung von sich aus sofort zu mir kam und äußerte, dass er weiterhin den Rat Röhmanns wünscht. Das hat mich sehr gerührt."

Wie waren Ihre ersten Tage als Staatssekretär?

"Spannend und mit sehr viel positiven Dingen. Ich gebe zu, dass ich feuchte Hände vor der Übernahme des Amtes hatte. Aber wie ich hier aufgenommen wurde war sehr schön. Ich habe auch hier wieder Glück, dass mein Vorgänger Staatssekretär Heiner Pott und die ausgeschiedene Sozialministerin Aygül Özkan, mir die Übernahme sehr erleichtert haben. Die Zusammenarbeit war sehr durch Sachlichkeit und Vertraulichkeit geprägt und nicht durch politische Differenzen. Auch von dieser Seite wurde ich durch Wohlwollen und mit Wärme aufgenommen."

Wolfenbüttels selbsternannter Erinnerer, Jürgen Kumlehn, hat Ihnen, wenige Minuten vor unserem Interview, einen offenen Abschiedsbrief geschrieben. Er spricht darin die Arbeitsplätze in kirchlichen Einrichtungen an, welche nicht allen Menschen offen stehen würden und sieht ihr Ministerium in der Verantwortung diese Situation zu ändern, indem Sie Einfluss darauf nehmen die Arbeitsplätze für Nichtchristen zu öffnen und auch in den Kirchen das Arbeitsrecht des einundzwanzigsten Jahrhunderts einzuführen. In diesem Zusammenhang verweist er auf die Stiftung Neuerkerode. Was möchten Sie hierzu sagen?

"Ich kenne den Brief noch nicht. Sie werden verstehen, dass ich dazu jetzt noch nichts im Detail sagen kann. Ich finde es toll das Herr Kumlehn mir ein paar Gedanken schenkt. Ich finde Herr Kumlehn hat eine wichtige Aufgabe. Er ist jemand der unbequem ist. Ich wünsche mir das er diese Unbequemlichkeit lange behält und das er weiterhin kommunalpolitische Themen mit wachen Augen im Blick behält. Ihm gebührt Respekt, da es auch nicht immer gesundheitlich einfach ist sich in den Wind zu stellen. Die Würdigung der Stadt Wolfenbüttel aus dem letzten Jahr hat er verdient. Ich werde mich in die von ihm angesprochene Sache einarbeiten. Er bekommt einen geschlossenen Brief auf seinen offenen zurück."

Lesen Sie dazu: Jürgen Kumlehn: “Röhmann soll halsstarrige Diskriminierung durch Kirchen beenden”
Wer sollte auf Sie im Landratsamt folgen? Wer ist Ihr Wunschkandidat?

"Das ist etwas, was ich nicht einmal der eigenen Ehefrau sagen werde. Ich werde mich gerne mit einbringen, allerdings nicht in die Kandidatenkür. Ich habe noch nie etwas über meinen Vorgänger Herrn Drake gesagt und so ist es auch anders herum."

Wie steht es um die Verbindung zwischen der Privatperson Jörg Röhmann und dem Landkreis Wolfenbüttel. Bleiben Sie hier wohnhaft?

"Aber natürlich. Ich bin in Kissenbrück geboren und wohne dort. Die Fahrerei ist nicht schlimm. Heute bin ich zum Beispiel ganz entspannt mit dem Zug gefahren. Meine Heimat bleibt der Landkreis Wolfenbüttel. Ich gebe zu, dass ich nicht mehr 70 Feste in zweieinhalb Monaten besuchen werde, da ich viel im Land unterwegs bin, aber man wird mich sehen."

Welche Botschaft geben Sie als jetzt ausgeschiedener Landrat den Abgeordneten des Wolfenbütteler Kreistages und den Wolfenbütteler Kreisbewohnern mit auf den Weg?

"Den Kreistagsabgeordneten danke ich für die Güte, die sie mir immer erwiesen haben. Ich garantiere ihnen, dass sie es jetzt etwas leichter haben. Ich glaube der nächste Landrat wird nicht so polterig wie ich sein. Und die Bevölkerung wird das tun, was sie auch in der Vergangenheit getan hat: sich als Wolfenbütteler fühlen. Es ist eine Identität für uns uns alle. Und wir werden unsere Heimatverbundenheit nicht verlieren, wenn wir unsere Kommunen dadurch stärken, das wir größere Einheiten oberhalb der Kommunen schaffen.Wenn das gelingt werden wir moderne Strukturen haben, vor denen keiner Angst haben braucht. Wer glaubt, dass die Regierung vom hohen Ross aus eine landesweite Strukturveränderung vorsieht wird sich täuschen."


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