Zugbegleiter sollen Maskenverstöße ahnden: "Das Personal hat Angst um sein Leben"

Nach dem Beschluss der Telefonkonferenz zwischen Bund und Ländern sollen Zugbegleiter auch ein erhöhtes Beförderungsentgelt gegen Maskenverweigerer erlassen können. Die Eisenbahngewerkschaft protestiert - und erhält Unterstützung aus der Politik.

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Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft sieht die Pflicht zur Durchsetzung eines Bußgeldes bei der Bundespolizei. (Symbolbild)
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft sieht die Pflicht zur Durchsetzung eines Bußgeldes bei der Bundespolizei. (Symbolbild) | Foto: Archiv

Region. Zugbegleiter kontrollieren die Fahrkarten, helfen körperlich eingeschränkten Personen beim Ein- und Ausstieg und stehen den Fahrgästen mit Rat und Tat zur Seite. Zugreisende ohne gültiges Ticket bekommen von ihnen ein erhöhtes Beförderungsentgelt aufgebrummt - künftig könnte genau das nach den Plänen von Bund und Ländern auch bei Verstößen gegen die Maskenpflicht gelten. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG protestiert: Zugbegleiter seien schon genug Angriffen und Pöbeleien ausgesetzt: "Wir halten dieses Vorhaben für unverantwortlich", erklärt Gewerkschaftssprecher Oliver Kaufhold gegenüber regionalHeute.de


"Die Verkehrsminister von Bund und Ländern werden gebeten zu prüfen, wie darüber hinaus für alle Verkehrsträger im Regional- und Fernverkehr die Voraussetzungen dafür geschaffen werden können, dass ein - wie ein Bußgeld wirkendes - erhöhtes Beförderungsentgelt eingeführt werden kann", heißt es in dem Beschluss aus der Telefonschaltkonferenz zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder.

Übergriffe gegen Zugbegleiter nehmen zu


Besonders im Bahnverkehr gab es hier bislang Probleme: Bahnhöfe und das Schienennetz der Deutschen Bahn liegen im Zuständigkeitsbereich des Bundes und der Bundespolizei. Diese musste zum Erlassen eines Bußgeldes zunächst die zuständigen Landesbehörden zum Fertigen einer Ordnungswidrigkeitenanzeige einschalten, die dann - quasi im zweiten Schritt - das Bußgeld erlassen konnte.

Mit der bundeseinheitlichen Festlegung eines Bußgeldes von "mindestens" 50 Euro bei Verstößen gegen die Maskenpflicht könnte die Bundespolizei die Bußgelder im Regional- und Fernverkehr auch selbst erlassen - die EVG will, dass das auch so geschieht. "Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten am Anschlag und sind bereits jetzt extrem belastet", erklärt Kaufhold und berichtet: "Wir erleben seit Wochen, dass die Pöbeleien und Übergriffe gegenüber den Zugbegleiterinnen und Zugbegleitern zunehmen, wenn sie nur auf die Maskenpflicht in Zügen hinweisen. Wenn sie jetzt von Maskenverweigerern ein erhöhtes Beförderungsentgelt verlangen sollen, würde dies das Konfliktpotenzial noch einmal vervielfachen."

Busfahrer nach Maskenpflichthinweis ins Koma geprügelt


Aus Sicht der Gewerkschaft sei es Aufgabe der Bundespolizei, die Maskenpflicht durchzusetzen, da nur sie die entsprechenden hoheitlichen Befugnisse habe. "Schon seit langem fordern wir mehr Präsenz der Bundespolizei in Zügen und Bahnhöfen, weil wir auch unabhängig von Maskenpflichten feststellen müssen, dass Aggressivität und Konfliktsituationen in den Verkehrsmitteln zunehmen. Ein Zustand, beziehungsweise ein Trend, den wir nicht akzeptieren wollen", berichtet Kaufhold weiter und nennt beispielhaft einen Fall aus Frankreich: "Vor wenigen Wochen ist ein Busfahrer in Südfrankreich, der auf die Maskenpflicht hingewiesen hat, so schwer verletzt worden, dass er ins Koma gefallen ist. Solche schweren Vorfälle hatten wir in Deutschland bisher zum Glück nicht. Wir sagen aber ganz klar: Beschäftigte in Verkehrsunternehmen, egal welcher Art, leisten Dienst an der Allgemeinheit. Sie haben unser aller Respekt und Unterstützung verdient." Die Deutsche Bahn teilt diese Auffassung. Eine Konzernsprecherin teilt mit: "Eine Regelung für die Unternehmen der Branche muss dem Schutz der Fahrgäste dienen und ebenso die Sicherheit der Mitarbeiter im Blick behalten."

EVG erhält Unterstützung aus der Politik



Der Wolfenbütteler Landtagsabgeordnete Frank Oesterhelweg.
Der Wolfenbütteler Landtagsabgeordnete Frank Oesterhelweg. Foto: regionalHeute.de


In der Politik ist man über den Prüfungsauftrag aus der Bund/Länder-Konferenz geteilter Auffassung. Der Landtagsvizepräsident und Wolfenbütteler CDU-Abgeordnete Frank Oesterhelweg sieht in der Durchsetzung der Maskenpflicht durch Zugbegleiter ein enormes Konfliktpotenzial. Größer, als bei Schwarzfahrern. Er betont jedoch auch: "Es geht um die Umsetzung geltenden Rechts. Wenn sich herausstellt, dass das ohnehin schon überlastete Personal das nicht leisten kann, müssen geeignete Maßnahmen wie zusätzliches Personal her. Wir beenden ja auch nicht die Fahrkartenkontrolle oder die Hinweise auf Verhaltensregeln wie beispielsweise Ruhegebote oder Rauchverbote, nur weil es unbequem oder mühsam ist. Klar ist: Die Begleiter dürfen da nicht allein gelassen werden!"

Bahnbedienstete sind keine "Maskenpolizei"


Der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) fand der Bild-Zeitung gegenüber harte Worte für den Vorstoß. Es stelle die Rechtsordnung auf den Kopf, Bahnbedienstete zur "Maskenpolizei" zu erklären: "Schaffner kümmern sich um Fahrkarten, nicht um Strafzettel bei Verstößen gegen die Maskenpflicht. Wenn der Staat die Maskenpflicht in Zügen durchsetzen will, muss er dort für entsprechende Polizeipräsenz sorgen, man kann diese Aufgabe nicht auf Bahnbeschäftigte abwälzen." Dieser Aussage könne der SPD-Landtagsabgeordnete Marcus Bosse so zustimmen: "Ich halte es für denkbar, "Maskenverweigerern" den Zutritt in den Zug zu untersagen, das Kassieren von Bußgeldern jedoch ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht zumutbar." Ebenso sieht der Braunschweiger SPD-Landtagsabgeordnete Dr. Christos Pantazis die Pflicht zur Durchsetzung von Bußgeldern bei den Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei.

Dr. Christos Pantazis. Archivbild
Dr. Christos Pantazis. Archivbild Foto: regionalHeute.de


"Zugbegleiter sollten eine Deeskalationsschulung erhalten"


Einen weiteren Vorschlag unterbreitet die SPD-Landtagsabgeordete Immacolata Glosemeyer: "Ich weiß, was Zugbegleiterinnen und -begleiter tagein tagaus leisten, da ich als Landtagsabgeordnete fast täglich mit der Bahn unterwegs bin. Leider sind manche Menschen uneinsichtig oder reagieren aggressiv, wenn man sie auf die Maskenpflicht hinweist. Dass dem Bahnpersonal Gewalt angedroht wird und es mitunter Angst um sein Leben hat, ist für mich inakzeptabel und darf nicht sein."

Immacolata Glosemeyer lädt Schüler am 23. April in den Niedersächsischen Landtag ein.
Immacolata Glosemeyer lädt Schüler am 23. April in den Niedersächsischen Landtag ein. Foto: SPD


Sie weist jedoch auch darauf hin, dass es neben der Maskenpflicht noch weitere Konfliktfelder im Bahnbetrieb gebe: "Die Zugbegleiter sollten eine umfassende Deeskalationsschulung erhalten. Darüber hinaus müssen sie die Gewissheit haben, dass das Recht, ihr Arbeitgeber und die Politik hinter ihnen stehen." Die Umsetzung der Maskenpflicht werde aus Sicht von Glosemeyer noch einmal viel Fingerspitzengefühl im Umgang mit Verweigern erfordern. "Dabei ist zu überlegen, ob etwaige Schulungen nicht noch stärker dem Bahnbetrieb angepasst werden müssen. Die Zugbegleiter erwarten zu Recht Schutz und klare Richtlinien, an die sie sich halten können."

Was sind die Alternativen?


Dass die Kontrolle der (korrekten) Benutzung einer Mund-Nasen-Bedeckung im ÖPNV schon ein allein personelles Problem ist, liegt bei der Vielzahl der Fahrzeuge auf der Hand. Welche Alternativen gibt es also für eine effektive Kontrolle?

Der SPD-Landtagsabgeordnete Marcus Bosse.
Der SPD-Landtagsabgeordnete Marcus Bosse. Foto: Archiv



"Es wäre denkbar, den Zutritt ohne Maske zu untersagen, so wie es beispielsweise in den meisten Supermärkten der Fall ist. Alternativ könnten eine oder mehrere Personen vom Ordnungsdienst dauerhaft in den einzelnen Zügen präsent sein, wenngleich die Personaldecke so etwas höchstens stichprobenartig zulassen würde", meint Marcus Bosse. Oesterhelweg ergänzt, dass auch eine intensivere Aufklärung über Sinn und Notwendigkeit der Maske hilfreich sein könnte. Weiterhin schlägt er neben der verstärkten Überwachung von Brennpunkten und der konsequenten Ahndung bei Nichteinhaltung auch langfristige Mitfahrverbote für Wiederholungstäter vor.


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