Tübingen/Miltenberg. Der umstrittene Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer legt im Streit um die Migrationspolitik nach. Im Vorfeld eines weiteren geplanten Flüchtlingsgipfels um Ostern richtete er nun zusammen mit dem Miltenberger Landrat Jens Marco Scherf (Grüne) einen Hilferuf direkt an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
"Entweder gelingt es, die Migration zu strukturieren und zu steuern und somit die Zugangszahlen an Geflüchteten in den Kommunen wieder deutlich zu reduzieren, oder es drohen Leistungsstreichungen", schreiben die beiden Politiker in einem sechsseitigen Brief vom Dienstag, über den die "Süddeutsche Zeitung" (Mittwochausgabe) berichtet. Die beiden Politiker, die dem grünen "Realo"-Flügel zugerechnet werden, hatten im Februar bereits mit einigen hundert Gleichgesinnten einen migrationspolitischen Appell an die Grünen-Spitze unterzeichnet und einen Kurswechsel der Partei angemahnt. Die Forderung verhallte allerdings. Nun mahnen sie Korrekturen beim Kanzler an.
Weil viele Gemeinden an ihre Grenzen kämen, sollten Flüchtlinge, die nicht schutzbedürftig sind, gar nicht erst auf die Kommunen verteilt werden, fordern sie. Wer kein Bleiberecht begründen könne, solle "nur Sachleistungen beziehen dürfen" und "in den Aufnahmeeinrichtungen des Bundes und der Länder verbleiben", heißt es. Auch bei der Unterbringung müsse es Veränderungen geben. "Die vorrangige Unterbringung der Geflüchteten" habe bereits eine kritische Größe erreicht, "die zu spürbaren Verdrängungseffekten besonders in unteren Einkommensgruppen führt", heißt es in dem Brief weiter.
Es treffe die Menschen hart, wenn sie ihre eigene Stadt verlassen müssten. Neben der "Reduktion regulärer Migration" fordern die Kommunalpolitiker beschleunigten Zugang der Geflüchteten zum Arbeitsmarkt und damit zu Einkommen, um geförderte Wohnungen "frei machen zu können." Auch die Integration müsse besser werden. Eine mehrmonatige Wartezeit auf Sprach- und Integrationskurse erscheine "unverantwortlich".
Nötig sei eine "ausreichende Zahl von Plätzen" in den Kursen. Bund und Länder müssten die tatsächlichen Kosten der Kommunen künftig eins zu eins erstatten. Nur so könne verhindert werden, dass es wegen der "finanziell bedingten Einschränkung kommunaler Angebote" zu "sozialen Verwerfungen" komme. Bei den Grünen dürften einige der Forderungen erneut für Wirbel sorgen.
Palmer hatte bereits in der Vergangenheit mit umstrittenen Äußerungen zur Migrationspolitik für Gegenwind aus der eigenen Partei gesorgt. Doch derzeit ruht seine Mitgliedschaft wegen eines internen Streits bis zum Jahresende. Scherf, seit 2014 im Amt, hat sich ebenfalls als Kritiker des Parteikurses in der Migrationspolitik einen Namen gemacht.
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