Bürger sollen stärker mitbestimmen

von Robert Braumann


Geht es nach der Landesregierung werden die Hürden fr Bürgerbegehren in Zukunft sinken. Symbolbild: Balder
Geht es nach der Landesregierung werden die Hürden fr Bürgerbegehren in Zukunft sinken. Symbolbild: Balder | Foto: Christina Balder



Braunschweig/Hannover. Die niedersächsische Landesregierung hat Anfang Januar den Entwurf zur Novellie­rung des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes beschlossen.  Er wird jetzt zur Verbandsanhörung freigegeben. Diese ist bei der Vorbereitung von Gesetzen und einschneidenden Verordnungen üblich ist.  Der zentraler Punkt: Die Rahmenbedingungen für Bürgerbegehren sollen verbessert werden. Ziel ist es, mehr Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen. Wie sehen die Braunschweiger Ratsfraktionen diese geplanten Änderungen und was ist angedacht? 


Bisher gilt Folgendes: Bürgerbegehren müssen durchgehend von zehn Prozent der Wahlberechtigten schriftlich unterstützt werden, damit es zu einem Bürgerentscheid kommt. Immer wieder habe man Probleme diese Stimmen zu erhalten, heißt es von Seiten der Landesregierung, deshalb soll das Quorum auf bis zu fünf Prozent gesenkt werden. Dazu könnte es in Zukunft ausreichen, wenn die Mehrheit der  gültigen Stimmen dafür stimmen und diese Mehrheit mindestens von 20 Prozent der Wahlberechtigten getragen wird. Bisher gelten 25 Prozent als Hürde.

Geringere Hürden geplant


Wer in Niedersachsen ein Bürgerbegehren auf den Weg bringt, muss dazu einen formellen Kos­tendeckungsvorschlag einreichen. Initiativen müssten bei Vorschlägen, die Kosten verursachen, diese Kosten ermitteln und darlegen, wie sie abgedeckt werden können. Daran würden viele Initiativen Scheitern, kritisiert der Verein "Mehr Demokratie" aus Hannover.

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Niedersachsens Ministerpräsident, Stephan Weil. Foto: Sina Rühland



Die Landesregierung plant diese Regelung ebenfalls zu kippen. Dazu soll eine Sperrwirkung eingeführt werden. Damit soll es nicht mehr während des gesamten Verfahrens bis zur Durchführung des Bürgerentscheids zulässig sein, sich über ein Bürgerbegehren hin­wegzusetzen und vollendete Tatsachen zu schaffen. Ausgenommen sind allerdings Maßnah­men, die von der Kommune wegen bereits bestehender rechtlicher Verpflichtungen vorge­nommen werden müssen. Der Ausschlusskatalog für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide soll aber nicht geändert werden, somit dürfen Fragen der Bauleitplanung nicht Gegenstand solcher Initiativen sein.

CDU stellt sich dagegen


Anke Kaphammel, Stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion: „Artikel 20 unseres Grundgesetzes sagt in Absatz 2 aus, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Doch über die Frage, ob das direkt oder über gewählte Mandatsträger erfolgen soll, gibt es regelmäßig politischen Streit. Die nun von der rot-grünen Landesregierung vorgelegte Novellierung des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes sieht eine deutliche Herabsenkung der Hürden für Bürgerbegehren vor. Mit diesen Plänen stößt die Landesregierung auf große Kritik bei den kommunalen Spitzenverbänden – und auch bei uns!

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Anke Kaphammel. Foto: CDU



Es bestünde die Befürchtung, dass die ehrenamtliche Tätigkeit in einem kommunalen Parlament – wie beispielsweise dem Rat der Stadt Braunschweig - massiv gegenüber bloßen Partikularinteressen geschwächt werde. Vielfach erlebe man, dass sich Menschen nur dann für ein Projekt interessieren, wenn es sie direkt betrifft. Und nach Beendigung dieses Projektes würden diese Menschen auch jegliches Interesse an der Kommunalpolitik verlieren. "Unsere Arbeit im Rat der Stadt und den Bezirksräten zeichnet sich aber durch ein durchgängiges Engagement aus", so Kaphammel. Mit der Kritik werde Bezug genommen auf eine 20-seitige Stellungnahme kommunaler Spitzenverbände, die ihre Bedenken an das Innenministerium gesandt haben (Siehe auch hier). Dort heißt es, dass das Höchstmaß an bürgerschaftlichem Engagement in den Kommunen die auf Dauer angelegte ehrenamtliche Tätigkeit in den Kommunalvertretungen sei. Kaphammel erinnert daran, dass die erste Bürgerbefragung in der Geschichte der Stadt Braunschweig auf Vorschlag der CDU-Fraktion durchgeführt wurde, am 6. Februar 2011 und zwar zur Frage, ob der Stadionausbau realisiert werden soll. Alle weiteren Vorschläge für Bürgerbefragungen, sei es zur Schullandschaft in Braunschweig oder zum Stadtbahnausbau, seien ebenfalls von der CDU gekommen. Die anderen Fraktionen hätten diese Vorschläge jedoch mit oftmals scheinheiligen Argumenten stets abgelehnt. "Das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz bietet also bereits zahlreiche Instrumente, um die direkte Meinung der Bürger aufzunehmen – sie müssen aber auch angewendet werden. Deshalb sehen wir keinen sinnvollen Grund für eine Novellierung", schließt Kaphammel.

Linke, Piraten, Grüne und BiBS begrüßen Vorstoß


Die anderen Fraktionen im Rat der Stadt sehen die Situation allerdings anders- Udo Sommerfeld, Ratsfraktion, Linke, sagte auf Anfrage von regionalHeute.de:



"Dass die Hürden für die Durchführung eines Bürgerbegehrens abgesenkt werden, war längst überfällig. Insofern begrüßen wir das Vorhaben der Landesregierung grundsätzlich. Nur so kann Politikverdrossenheit abgebaut und eine gewünschte Beteiligung von Einwohnern und Einwohnerinnen erreicht werden."

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Gerald Heere, Foto: Grüne Braunschweig



Auch die Grünen können sich eine Änderungen gut vorstellen. "Wir unterstützen das Vorhaben der rot-grünen Landesregierung voll und ganz, denn es entspricht unseren politischen Grundüberzeugungen. Unseres Erachtens ist es absolut sinnvoll, die hohen Hürden für Bürgerbegehren in Niedersachsen zu senken. Die bisherigen gesetzlichen Regelungen (Stichworte: Zustimmungsquorum, Kostendeckungsvorschlag, Sperrwirkung) haben diese Form der Bürgerbeteiligung so stark behindert, dass sie in unserem Bundesland kaum erfolgreich angewendet werden konnte. In Braunschweig hat es bislang noch nie einen Bürgerentscheid gegeben - trotz der beiden Bürgerbegehren für den Erhalt des Schlossparks und der Stadtteilbäder beziehungsweise gegen den Neubau des ECE-Centers und des „Spaßbades“. Jeweils 30.000 Menschen haben in der Hoffmann-Ära diese Bürgerbegehren unterstützt, doch CDU und FDP wollten bei diesen umstrittenen Großprojekten partout keine Mitsprache der Bevölkerung. Damals konnten sie sich noch auf die restriktive Landesgesetzgebung berufen, zukünftig wird ihnen das nicht mehr möglich sein. Und das ist auch gut so", so Ratsherr Gerald Heere.

"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus."


Auch die BiBs-Fraktion unterstützt die Änderungen. Henning Jenzen betonte: "Die Erleichterung von Elementen direkter Demokratie auf kommunaler Ebene wird von der BIBS-Fraktion ausdrücklich begrüßt. "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." heißt es im Grundgesetz (Art. 20) und weiter: "Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen ... ausgeübt."

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Henning Jenzen, BIBS-Fraktion. Foto: BIBS



Die Verfassung sieht also neben der Machtausübung durch gewählte Vertreter, neben der "repräsentativen Demokratie", ausdrücklich auch die Machtausübung durch "Abstimmungen" über Sachfragen, sieht die "direkte Demokratie" als gleichwertige Möglichkeit demokratischer Machtausübung vor. Deshalb kann nur begrüßt werden, wenn die zu hohen Eingangsvoraussetzungen für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in den Kommunen nun gesetzlich gesenkt werden sollen." Auch der Wegfall des kaum realistisch durchzuführenden Kostendeckungsvorschlages für von Bürgern gewünschten Projekten und Einrichtungen sei nur zu begrüßen.

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Jens-Wolfhard Schicke-Uffmann. Foto: Piratenfraktion Braunschweig



Jens-Wolfhard Schicke-Uffmann, Piraten-Fraktion, sieht keine Schwächung der Demokratie: "Die geplante Novellierung wird von der Piratenfraktion befürwortet, denn sie senkt die Hürden zur Bürgerbeteiligung und macht somit direktere Demokratie einfacher. Bürgerbeteiligung ist eine der Kernforderungen, mit der wir bereits 2011 erfolgreich im Kommunalwahlkampf waren. Daher begrüßen wir es, dass die Landesregierung diese Forderung - zumindest teilweise - umzusetzen gedenkt.

Schließlich heißt es in Artikel 20 des Grundgesetzes, dass alle Staatsmacht vom Volk ausgeht. Das bezieht sich nicht nur auf die Wahlen, sondern ebenfalls auf Volksabstimmungen als Mittel der demokratischen Teilhabe. Eine Schwächung der Demokratie, wie die ein oder andere kritische Stimme behauptet, ist das mitnichten. Der Entwurf geht uns Piraten jedoch noch nicht weit genug. Zu kritisieren ist vor allem, dass keine Ausweitung des Themenkataloges stattfinden soll. Damit bleiben viele Themen, die unmittelbar im Interesse der Bevölkerung liegen, von einem Bügerbegehren ausgeschlossen. Wir erwarten von der Landesregierung -- SPD und Grünen -- mehr Mut zum Ändern."

Auch die SPD-Fraktion begrüßt die Novellierung des Kommunalverfassungsgesetzes im Hinblick auf verbesserte Rahmenbedingungen für Bürgerbegehren. "In Niedersachsen waren die Hürden für einen Bürgerentscheid bisher unverhältnismäßig hoch, sodass es in Braunschweig trotz mehrerer Bürgerbegehren noch nie zu einem Bürgerentscheid kam, sondern lediglich zu einer Bürgerbefragung hinsichtlich der Sanierung des Eintracht-Stadions. Bürgerbefragungen sind aber im Ergebnis nicht bindend und werden eingesetzt, um ein Meinungsbild der Bevölkerung einzuholen. Die CDU hat das Instrument der Bürgerbefragung in der Vergangenheit auch oft ins Spiel gebracht, wenn sie sich Ergebnisse in ihrem Sinne erhofft hat. Das ersetzt aber keinen Bürgerentscheid, zu dem der Impuls in der Regel aus der Bevölkerung und nicht aus der Politik kommt.


Grundsätzlich ist es begrüßenswert, wenn mehr Bürgerbeteiligung und damit mehr direkte Demokratie möglich ist. Eine Schwächung der Ratspolitik kann ich nicht erkennen, schließlich ist es Aufgabe der Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, sich mit den Anliegen eines Bürgerbegehrens auseinanderzusetzen, sich zu positionieren und Überzeugungsarbeit in die eine oder andere Richtung zu leisten. Dadurch werden sie stärker wahrgenommen und insgesamt wird dadurch der Politikverdrossenheit entgegen gewirkt", so Christoph Bratmann, MdL. 


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