Rechte von Behinderten – Einer von vielen Schritten ist getan

von Sina Rühland


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Braunschweig. Mit der 2008 verabschiedeten Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen hat sich Deutschland ein hehres Ziel setzen müssen. Mit dem jüngst im Rat beschlossenen Ergebnis des Leitbildes, will Braunschweig nun die ersten ideellen Schritte in Richtung "Braunschweig inklusiv" gehen. Dass die Stadt noch Verbesserungspotential etwa im Hinblick auf Barrierefreiheit hat, darin sind sich die Fraktionen jedoch auch einig.

Ein Leitbild ist zwar nicht rechtlich bindend, jedoch ein angestrebtes Ziel, auf das sich die politischen Fraktionen einigen. Mit der ersten Beschlussfassung sollen Stadt und Bürger nun gemeinsam in eine Richtung gehen. So sieht das Leitbild unter anderem vor, dass die Leitlinien durch einen Aktionsplan umgesetzt werden. Dem Plan vorausgegangen, ist eine Arbeitsgemeinschaft aus dem Fachbereich Soziales und Gesundheit sowie Vertretern von Einrichtungen und Institutionen, die seit 2013 die Braunschweiger Leitlinie zur Förderung von Inklusion entwickelt haben.

Die Grundlagen des Planes beziehen sich auf Barrierefreiheit, Achtung der Unterschiedlichkeit und Wertschätzung der Vielfalt und individuelle Lebensgestaltung. Lösungsvorschläge, wie die Leitlinien umsetzbar sein könnten, werden im dem Leitbild allerdings nicht erläutert. So solle sich zum Bespiel jeder zukünftig ungehindert und selbstbestimmt von einem Ort zum anderen bewegen können, ein Weg zur Umsetzung ist jedoch, ganz im Sinne eines Leitbildes, nicht vorgeschrieben.

Stadt weist noch Verbesserungspotential auf


Begrüßt wird der Plan von sämtlichen Ratsfraktionen der Stadt. So schreibt die sozialpolitische Sprecherin Jutta Plinke (Grüne): "Es liegt aber in der Natur solcher Leitbilder, dass sie nur das erste Zwischenergebnis eines langen Prozesses sein können. Nun wird es darauf ankommen, den von der Verwaltung angekündigten örtlichen Aktionsplan möglichst schnell zu entwickeln.“ Nun müsse man Ziele und Maßnahmen auf der Grundlage konkretisieren und für eine ausreichende Finanzierung sorgen.

Mit dem Plan könne man die Entwicklung in Richtung echter Inklusion auf den Weg bringen, sagt Claudia Jonda (Piratenpartei). "Braunschweig befindet sich bereits seit langem auf diesem Weg, wie bereits gefasste Beschlüsse des Rats zeigen, dennoch weist die Stadt immer noch erhebliches Verbesserungspotenzial auf. Es fehlen beispielsweise barrierearme beziehungsweise -freie Wohnräume gerade für wirtschaftlich schwächer gestellte Menschen. Generell fehlen Orte, an denen das vielfältige Miteinander tatsächlich gelebt werden kann. Manchmal sind es gezielte Vorhaben wie Bänke mit Rückenlehnen und vermehrte Ruhezonen vom Damm bis zum Altstadtmarkt, manchmal kleine Teilstücke von größeren Projekten wie beispielsweise taktile Trennung zwischen Rad- und Fußwegen bei Straßensanierungen."

Sozialpolitische Sprecherin Annette Schütze (SPD): "Der Beschluss heute kann aber nur ein erster Schritt auf dem Weg Braunschweigs zur 'inklusiven Stadt-(gesellschafft)' sein. Mit der Leitlinie wurde die Basis geschaffen, auf der die nächsten Schritte erfolgen sollten. Es bedarf einer 'Professionalisierung', damit aus der Bestandsaufnahme auch echte Handlungsempfehlungen abgeleitet und diese dann auch umgesetzt werden können. Ebenso bedarf es eines Zeithorizonts, wie die Umsetzung in welchen Schritten angestrebt werden kann."

Es fehlen preiswerte und barrierefreie Wohnungen


Gisela Ohnesorge (Linke): "In den letzten Jahren gibt es in Braunschweig verstärkte Bemühungen von öffentlicher Seite, Barrierefreiheit herzustellen. So wurden Niederflurbahnhaltestellen mit Sichtstreifen eingerichtet, Bordsteine abgesenkt, Ampeln mit entsprechenden Signalen für Blinde installiert. Auf unseren Antrag hin wurde das Rathaus und das Gesundheitsamt barrierefrei umgebaut. Aber es gibt noch sehr viel zu tun. Hier ist aber nicht allein die Stadt in der Pflicht, sondern es handelt sich um eine Aufgabe aller. Die Linke hat in dem Zusammenhang auch einen Antrag gestellt, Plätze mit Kopfsteinpflaster, auf denen Wochenmärkte stattfinden, so umzugestalten, dass auch Menschen mit Gehbehinderungen sich dort bewegen können. Das alles ist aber nur ein kleiner Anfang. Die Leitlinie strebt ein hohes Ziel an. Der örtliche Aktionsplan umfasst eine Fülle von Aufgaben, beispielsweise zum Thema 'Wohnen'. In Braunschweig fehlen preiswerte und barrierefreie Wohnungen auf dem Markt. Es wird unter anderem viel Geld kosten, um den Zielen der Leitlinie näher zu kommen. Dennoch ist es wichtig, dass der Rat am 2. Juni diese Leitlinie beschlossen hat, denn zum Erreichen des Zieles gehört auch eine Bewusstseinsänderung aller."

Grundsätze gelten für die gesamte menschliche Vielfalt


Die Grundsätze des Leitbildes basieren auf der UN-Behindertenrechtskonventionen, beinhalten somit auch die Grundphilosophien des Zusammenlebens von Menschen unter Berücksichtigung und vor allem unter Anerkennung ihrer Verschiedenheit, gleich welcher Art diese ist. Dr. Wolfgang Büchs (BIBS): "Hier heißt es zum Beispiel 'Inklusion gilt..als...Anspruch und Leitidee für jeden Menschen, der die Verschiedenheit von Menschen anerkennen will' oder um Anerkennung der...' Gleichberechtigung jedes Menschen als Grundvoraussetzung für seine Teilhabe an der Gemeinschaft in Braunschweig' und dass wir 'uns die Lebenssituation unseres Gegenüber mit Fairness, Solidarität, Offenheit und Respekt bewusst machen', dass wir anstreben 'Barrieren abzubauen - seien sie gedanklicher, sprachlicher baulicher oder anderer Natur' und schließlich, dass wir Braunschweig so gestalten, 'dass alle Menschen, unabhängig von Können, Leistung und individueller Befähigung, ethnischer und sozialer Herkunft....in ihrer Vielfalt und Unterschiedlichkeit am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.' Das sind Grundsätze, die wir als BIBS dahingehend interpretieren, dass sie nicht nur für Menschen mit Behinderungen gelten, sondern auch bei allen anderen gesellschaftlichen Gruppen Anwendung finden, die von der sogenannten 'Norm' abweichen, also eine Andersartigkeit aufweisen wie zum Beispiel. Flüchtlinge und Asylbewerber, ganz egal woher und aus welchen Motiven sie zu uns kommen. Diese Tragweite der Leitliniengrundsätze sollte auch bei der Ausgestaltung des Aktionsplanes berücksichtigt werden, das jetzt ausgearbeitet werden soll.“

CDU sieht Braunschweig auf einem guten Weg


Claas Merfort (CDU): "Bereits seit einigen Jahren finden beispielsweise bei Neu- oder Umbauten die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen besondere Berücksichtigung. Das drückt sich beispielsweise dadurch aus, dass der Vorsitzende des Behindertenbeirates als Sachverständiger an den Sitzungen des Bauausschusses teilnimmt und dort schon frühzeitig auf die Erfordernisse derjenigen mit Handycap eingehen kann. Durch die Verabschiedung der Leitlinie Braunschweig inklusiv wird dieser Blick endlich auf viele andere Teile des politischen und öffentlichen Lebens ausgedehnt und erstmals durch den Rat der Stadt Braunschweig eine Definition, Grundsätze und die mögliche Umsetzung in unserer Stadt festgelegt. Der Fokus liegt dabei auf einer gleichberechtigten Teilhabe und Zugang aller Menschen an der Gesellschaft. Wir sind bereits auf einem guten Weg und können diesen nun auch zügig und mit klaren Vorgaben weitergehen. Mein Dank gilt deshalb allen, die sich aktiv an der Erarbeitung der Leitlinie beteiligt haben und ich freue mich auf den weiteren Weg, der sicher noch lange nicht abgeschlossen ist.“


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