Fraktion-Mindestgröße: Das sagen die betroffenen Parteien

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Mit dem Verlust des Fraktionsstatus droht auch eine Beschränkung der Rechte. Symbolfoto: Anke Donner
Mit dem Verlust des Fraktionsstatus droht auch eine Beschränkung der Rechte. Symbolfoto: Anke Donner | Foto: Anke Donner

Hannover/Goslar. Die neue niedersächsische Landesregierung hat kürzlich bekannt gegeben, dass sie die Kommunalparlamente effektiver machen wolle. Unter anderem soll die Mindestgröße von Fraktionen von zwei auf drei Mitglieder heraufgesetzt werden. Für die kleineren Parteien könnte das zum Problem werden.


regionalHeute.de fragte bei den Fraktionen an, die derzeit in Stadtrat oder Kreistag nur zwei Mitglieder haben und somit ihren Fraktionsstatus verlieren würden, was die Entscheidung aus Hannover für kleinere Parteien bedeuten würde. Außerdem wollten wir wissen, was ihrer Meinung nach die eigentlichen Beweggründe der Landesregierung für die Gesetzesänderung sein könnten?

Rüdiger Wohltmann, Fraktion Die Linke im Kreistag Goslar




"Wenn sich die kleinen Parteien von FDP und Grünen einer Koalition in Hannover verweigern, darf man sich nicht wundern, wenn die großen Parteien machen was sie wollen. Unter dem Anschein einer Effizienzverbesserung in den kommunalen Vertretungen geht es um Ausgrenzung. In vielen kommunalen Vertretungen werden nicht nur Die Linke, sondern auch FDP und Grüne sowie Bürgerlisten den Fraktionsstatus verlieren und in den Fachausschüssen der Vertretungen kein Stimmrecht mehr haben. Es besteht dann nur noch das Recht, in einem Fachausschuss (ohne Stimmrecht) vertreten zu sein. Das heißt der Fachverstand und auch differierende politische Meinungen können nicht mehr eingebracht werden.

Hier könnten beide große Parteien ungehindert durchregieren. Das wird zwar die Dauer der Sitzungen deutlich reduzieren, aber kann das das Ziel kommunalpolitischer Vielfalt sein? Wohl kaum. Die demokratischen Rechte außerhalb der ‚großen Koalition’ werden drastisch eingeschränkt. Und damit auch das Wählervotum ignoriert. Je nach Größe der kommunalen Vertretung findet mitunter ein Drittel (in einigen Fällen sogar darüber) des Wählervotums keine Berücksichtigung in der fachlichen Debatte."

Henning Wehrmann, Fraktion Bürgerliste im Kreistag Goslar



"Das Vorhaben der Groko in Hannover, die Mindestgröße von Fraktionen in kommunalen Vertretungen auf drei zu erhöhen, ist ein Frontalangriff auf denPluralismus und die Meinungsvielfalt in den niedersächsischen Städten, Gemeinden
und Kreistagen. Weil die hohen Hürden künftig vor allem neu gebildete Wählergruppen davon abschrecken dürften, überhaupt zur Wahl anzutreten, wird eine zunehmende Politikverdrossenheit und eine Stärkung der politischen Rändervon SPD und CDU bewusst in Kauf genommen.

Zu derartigen Auswüchsen der Arroganz der Macht kommt es immer dann, wenn eine absolute Mehrheit oder Große Koalition der sogenannten „Volksparteien“ auf kleinere Partner keine Rücksicht nehmen muss.

FDP und Grüne im Landtag sind an dieser Entwicklung allerdings nicht unschuldig. Die FDP hat mit ihrer Verweigerungshaltung die Groko im Landtag erst ermöglicht. Die Grünen-Kreisvorsitzende Julia Willie Hamburg hat mit dem Verzicht auf gleich zwei grüne Direktkandidaturen im Landkreis Goslar den Durchmarsch von SPD- Kandidaten wie Dr. Alexander Saipa und Petra Emmerich-Kopatsch begünstigt, die jetzt in Hannover nichts Besseres zu tun haben, als Hand an die kommunale Demokratie anzulegen.

Die Auswirkungen einer entsprechenden Gesetzesänderung werden vermutlich erst zur Kommunalwahl 2021 greifen und damit den Kommunalwahlkampf in dem Jahr entsprechend prägen."

Frank Schmidt, Fraktion AfD im Kreisverband Goslar:



„Gemäß Koalitionsvertrag wollen SPD und CDU die Mindestgröße der Fraktionen in den Kommunalen Vertretungen durch eine Änderung des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes von zwei auf drei Abgeordnete heraufsetzen. Wieder einmal zeigt sich, welches Verhältnis die Einheitsparteien SPD und CDU zur Demokratie haben und wie schamlos sie ihre Mehrheiten ausnutzen, um kleinere Parteien oder Wählervereinigungen und damit die Bürger zu entrechten. Diejenigen, die sonst immer von „Vielfalt“ reden, fürchten scheinbar die Meinungsvielfalt in den kommunalen Vertretungen. Nicht anders als ein Mittel zum eigenen Machterhalt ist die geplante Gesetzesänderung zu erklären. Gerade auch im kommunalen Bereich lebt die Demokratie eben auch davon, dass Parteien oder Bürgerlisten mit kleinerem Stimmenanteil Bestandteil der Vertretung sind. Durch die neue Regelung würden diese ggf. ihren Fraktionsstatus verlieren und damit das Recht, Abgeordnete in Ausschüsse zu entsenden und damit Informationen aus dem Ausschuss zu erhalten. Die Ausschüsse würden dann nur noch von den Einheitsparteien beherrscht und die Mitwirkung an der politischen Willensbildung wäre einem Teil der gewählten Abgeordneten versagt.

Die von SPD und CDU geplante Gesetzesänderung ist daher auch ein Angriff auf die Demokratie. Es sei daran erinnert, dass wir in Deutschland schon einmal politische Systeme hatten, in denen der Parteienpluralismus den Machthabern ein Dorn im Auge war. In diesem Sinne sagen wir „Wehret den Anfängen!“ und fordern die Beibehaltung des gegenwärtigen § 57 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes, der eine Fraktionsbildung ab zwei Abgeordneten zuässt."


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