Mehr Mitsprachemöglichkeiten - Das sagen die Fraktionen

von Sandra Zecchino


Symbolbild: Bernd Dukiewitz
Symbolbild: Bernd Dukiewitz | Foto: Bernd Dukiewitz

Goslar. Immer wieder fordern die Parteien mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten. In Tübingen in Baden-Württemberg werden dafür nun neue Schritte gegangen. Mit einer neuen App will die Gemeinde allen Wahlberechtigten eine Mitsprachemöglichkeit geben. regionalHeute.de fragte bei den Fraktionen nach, ob das auch ein Möglichkeit für Goslar wäre.


Alle Wahlberechtigten sollen, wenn die App fertiggestellt ist, einen Zugangscode erhalten, über den sie sich registrieren können. Dadurch erhalten sie die Möglichkeit, über verschiedene Themen abzustimmen. Welche Themen genau zur Abstimmung bereitgestellt werden, entscheidet die Gemeinde. Die endgültigen Entscheidungen werden trotz der App auch weiterhin in den politischen Gremien getroffen, die Ergebnisse der App-Abstimmungen sind für die Politiker nicht bindend.

So stehen die Fraktionen zu einer solchen App:


Christian Rehse (FDP)

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Christian Rehse. Foto: regionalHeute.de

Die FPD sieht die Gefahr des Missbrauches durch politische Minderheiten oder Betroffene und möchte deshalb die Erfahrungen abwarten.


Entscheidend wird sein, ob gelingt eine wirklich breite Meinungsäußerung aus der Bürgerschaft zu bekommen. Es besteht die Gefahr, dass sich je nach Thema hauptsächlich Interessenvertreter oder politisch Festgelegte einschalten. Wichtig wäre es, eine objektive Meinungsäußerung der Bevölkerung zu erzielen. Wir warten ab, wie die kommunalen Erfahrungen nach einem Jahr bewertet werden.

Objektive Sachentscheidungen bedingen auch umfassende Sachkenntnisse. Es muss sichergestellt sein, dass alle erforderlichen Informationen in der Abstimmungs-App für den Bürger bereitgestellt werden. Die Gefahr des Missbrauches durch politische Minderheiten oder Betroffene halten wir nach den Erfahrungen in den sozialen Netzwerken für relativ groß. Ohne eine zeitintensive Pflege der Informationen dieser App können keine glaubhaften Ergebnisse erwartet werden.

Zu dem heutigen Zeitpunkt würden wir die App in Goslar nicht einführen, sondern die Erfahrungen der anderen Kommunen abwarten. Danach muss der Arbeitsaufwand dem vielleicht erreichbaren besseren Informationsfluss gegenüber gestellt werden. Erst dann werden wir uns entscheiden können.

Dirk Straten (AfD)

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Dirk Straten. Foto: AfD



In dem Wahlprogramm der AfD sind Volksentscheide ein elementarer Bestandteil. Wir sind die gewählten Vertreter des Volkes und sollen die Standpunkte der Bevölkerung darlegen. Die Entwicklung solch einer App ist eine hervorragende Sache. Hier kann der Bürger elementare Dinge mit entscheiden und mit bestimmen. Dass die Entscheidungen für die Kommunalpolitiker nicht bindend sind, halten wir für eine Farce. Frei nach dem Motto: die Bevölkerung will es zwar nicht; wir machen es aber trotzdem.

Wir halten es für mehr als wichtig, dass endlich wieder die Interessen und vor allem der Wille des Bürgers gehört wird. Demokratie heißt auch Mitbestimmung. Hier kann sich die aktuelle Politik und die handelnden Personen ein Beispiel an der Schweiz nehmen. Dort wird Demokratie gelebt.

Wir wären definitiv für die Einführung solch einer Maßnahme. Leider sind unsere Handlungsmöglichkeiten begrenzt. Denn die Mehrheiten liegen bei anderen Parteien.

Norbert Schecke (CDU)

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Norbert Schecke. Foto: CDU-Goslar



Die CDU Fraktion Goslar hat eher Bedenken hinsichtlich der Nutzung einer solchen App. Wie stellen wir sicher, dass der Bürger hinreichend über die entscheidende Frage informiert ist? Inwiefern wären Manipulationen, Missbrauch und Meinungsbeeinflussungen tatsächlich ausgeschlossen? Auch wäre sicherzustellen, dass alle Bevölkerungsgruppen die entsprechende Technik nutzen können und nicht vom Meinungsbildungsprozess ausgeschlossen sind.

Weiter sehen wir das freie Mandat der gewählten Ratsmitglieder untergraben und aus guten Gründen haben sich entwickelte Staaten statt für die plebiszitäre Demokatie für die repräsentative Demokratie entschieden.

Zudem ist es aktuell jedem interessierten Bürger möglich, sich über die öffentlichen Ratsinformationssysteme zu informieren und die gewählten Volksvertreter anzusprechen, um im Dialog einen Meinungsaustausch zu führen. Die CDU bietet zudem in Goslar immer wieder öffentliche Bürgersprechstunden an.

Aus den genannten Gründen wird die CDU Goslar derzeit keine Aktivitäten in diese Richtung beantragen.


Martin Mahnkopf (SPD)

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Martin Mahnkopf. Foto: SPD



Wie Willy Brandt schon sagte: "Mehr Demokratie wagen". Ob dies mit einer App funktioniert und ob die Befragung beziehungsweise Abstimmung dann tatsächlich repräsentativ ist, bliebe abzuwarten. Die Frage ist, ob bei Umfragen auch die mitgenommen werden, die kein Smartphone und daher keine App nutzen. Und ob sichergestellt werden kann.

Grundsätzlich sind Meinungsbilder auch per App oder Onlinebefragungen für die Politik interessant um und spielt in einem Diskussionsprozess einer Fraktion selbstverständlich eine Rolle. Nichts anderes macht die SPD Goslar in vielen Bürgerfragestunden und offenen Fraktionssitzungen. Besonders die direkte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an Themen der Kommunalpolitik fördertet Transparenz und im Ergebnis auch Akzeptanz für Entscheidungen.

Gerne werden wir uns die Erfahrungsberichte aus Tübingen oder anderen Kommunen anschauen und mit den Ergebnissen ins Gespräch gehen. Wir sind aber auch unserem Wahlprogramm und damit unseren Aussagen gegenüber unseren Wählern verpflichtet. Das bleibt uns wichtig.


Henning Wehrmann (Bürgerliste)



Grundsätzlich sind alle Mittel zur Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an kommunalpolitischen Entscheidungen sinnvoll und zu unterstützen. Mit einer Abstimmungs-App wird allerdings nur eine begrenzte, netzaffine Nutzergruppe erreicht, die für die Wählerschaft nicht repräsentativ ist. Das Ergebnis solcher Abstimmungen kann damit allenfalls Hilfestellung für die konkreten Ratsabstimmung sein, die nach wie vor auf Abwägungsprozessen in den Fachausschüssen beruhen müssen.

Entscheidend für den Wert solcher Methoden zur Meinungsermittlung ist auch immer die Art der Fragestellung. Wird beispielsweise gefragt, ob die Bürgerinnen und Bürger die Straße X saniert haben möchten, wird es sicher eine überwältigende Zustimmung geben. Ob diese auch noch vorhanden ist, wenn man mit der Frage die Information transportiert, dass dafür das lange geplante Kulturzentrum oder der Kindergartenanbau für einige Jahre zurückstehen müssen, wird das Abstimmungsergebnis vermutlich ganz anders aussehen. Genau diese Entscheidungen müssen Stadträte aber Tag für Tag treffen und da ist der Blick aufs Ganze gefordert.
Wir halten es daher für sinnvoll, die konkreten Erfahrungen mit der Abstimmungs- App in Tübingen erst auszuwerten bevor wir uns in Goslar für eine Einführung stark machen.


Die Statements werden in der Reihenfolge, in der sie bei uns eingegangen sind, veröffentlicht. Sobald uns die Statements weiterer Fraktionen erreichen, werden diese nachgepflegt.


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