Nach Großbrand: Grube Ida im Kreuzfeuer der Behörden

Durch den Großbrand am vergangenen Sonntag erregte die Grube Ida in Othfresen wieder einmal öffentliches Aufsehen - in den letzten Jahren kein Sonderfall. Das Grubengelände und sein Betreiber stehen schon lange unter der Kritik von Anwohnern, Umweltverbänden, Politik und Behörden.

von Annabell Pommerehne


Wertstoffdepot oder Schrottplatz?
Wertstoffdepot oder Schrottplatz? | Foto: Annabell Pommerehne

Othfresen. Das ehemalige Gelände der Grube Ida und sein derzeitiger Betreiber schafften es in der Vergangenheit häufig in die Schlagzeilen. Erst am vergangenen Sonntag sorgte der Brand auf dem eigentlich historischen Grundstück wieder einmal für ein Großaufgebot an Feuerwehr, Polizei und Fernsehen. Man könnte meinen, die Grube ist berühmter als zu ihren besten Zeiten. Die besten Zeiten sind augenscheinlich vorbei, denn: Etliche Jahre lang machte der Betreiber auf dem Gelände, was er wollte. Was zunächst einmal als sein gutes Recht erscheint, brachte den Eigentümer immer wieder ins Kreuzfeuer von Anwohnern, Umweltverbänden, Politik und Behörden. Wir haben recherchiert und tragen die Geschehnisse der vergangenen Jahre zusammen.


Was auf dem Grubengrundstück passierte, wusste niemand so genau. Was aber offensichtlich war: Es häuften sich im wahrsten Sinne des Wortes Berge an. Berge an - ja, was eigentlich? Berichtet wurde von einer Vielzahl an Autos, Baumaschinen, Kühl- und Gefriergeräten, von Fässern, Holz und Möbeln, von Bauschutt und von Lkw-Ladungen dubioser Materialien. Die Begutachtung des Geländes zeigt: Das alles gibt es dort und noch mehr. Also Grund genug für die Dorfbewohner, misstrauisch zu werden. Undurchsichtigkeit und Unkenntnis über Absichten und Abläufe mit und auf dem Grundstück veranlassten aber auch höhere Instanzen, sich einzuschalten. Immer wieder kam es zu Vorkommnissen auf Geländen, die mit dem Betreiber in Verbindung gebracht werden können.

Die Werkshalle früher und heute. Ein Foto aus derselben Perspektive ist nicht mehr möglich, da sich vor der Halle ein
Die Werkshalle früher und heute. Ein Foto aus derselben Perspektive ist nicht mehr möglich, da sich vor der Halle ein "Schrottberg" gebildet hat. Foto: Werner Wenke/Annabell Pommerehne


Was bisher geschah


Obwohl die Feuerwehr Othfresen schon von früheren Einsätzen berichtet, beginnen wir am 12. April 2015. Die Feuerwehr wurde aufgrund von brennendem Unrat auf dem Grubengelände alarmiert. Etwas mehr als ein Jahr später, im September 2016, machte der Betreiber mit einer seiner weiteren "Sammlungen" in der Presse auf sich aufmerksam. Die Salzgitter Zeitung berichtete, dass der Grubenbetreiber ein Gelände in Salzgitter-Bad von der Stadt gepachtet habe. Der Fachdienst Tiefbau und Verkehr sei dort auf einen Misthaufen sowie "andere im Graben eingebaute Hindernisse" gestoßen und habe den Pächter aufgefordert, diese Hindernisse zu entfernen. Willens gezeigt habe sich der Pächter aber erst, als man ihm ein Zwangsgeld angedroht habe. Besagtes Gelände in Salzgitter sollte drei Jahre später noch einmal in den Fokus der Öffentlichkeit rücken: Am 19. Januar 2019 kam es dort zum Großbrand eines Gebäudes (regionalHeute.de berichtete). Über 70 Feuerwehrleute waren mehrere Stunden im Einsatz. Mit dem Gebäude brannten zwei Oldtimer nieder.

Drei Großbrände auf Grundstücken des Betreibers


Schon vor diesem Brand ging es auf dem Grubengelände in Othfresen wieder heiß her. Am 29. Mai 2017 kam es auch hier zum ersten Großbrand (regionalHeute.de berichtete). Alle Feuerwehren der Gemeinde Liebenburg waren stundenlang mit 183 Kameraden im Einsatz. Die Feuerwehr Othfresen berichtet von Containern und Fahrzeugen, die brannten. Explodierende Druckgasflaschen wurden zur zusätzlichen Gefahr für die Einsatzkräfte und trugen sicher dazu bei, dass die Fraktion Bündnis 90/Grüne einen Umweltskandal und sogar eine "Deponie Morgenstern im Kleinen" vermutete. Kurz darauf, im Juni 2017, stellte die Fraktion eine Anfrage an den Landkreis Goslar (regionalHeute.de berichtete).

Illegale Abfallentsorgung


Bestandteil dieser Anfrage war neben umweltlichen Aspekten auch die Frage nach einer Gewerbegenehmigung des Betreibers. Dieser bezeichnete seine Sammlung nicht wie jeder andere als Schrott, sondern als "Wertstoffdepot". Unklar war jedoch, welchem Gewerbe der Mann eigentlich nachging. Auch Anwohner meldeten sich zu Wort (regionalHeute.de berichtete). Anfragen der Anwohner und der Grünen ergaben, dass die Behörden bereits auf "Mann und Machenschaften" aufmerksam geworden waren. Der Landkreis habe laut BUND Westharz in seiner Antwort bestätigt, dass für das Grundstück keine Gewerbegenehmigungen existierten, weder vom Landkreis noch vom Gewerbeaufsichtsamt in Braunschweig. Allerdings bemängelte der BUND Westharz die "Untätigkeit" der Behörden auch noch im Jahr 2019 (regionalHeute.de berichtete). Die mittlerweile beteiligten Behörden umfassten die Gemeinde, den Landkreis, das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig sowie die Staatsanwaltschaft Braunschweig und die Polizei.

Keine Gewerbegenehmigungen


Laut der Goslarschen Zeitung vom 18. April 2018 habe auch Andreas Aplowski, zu diesem Zeitpunkt Leiter des Gewerbeaufsichtsamtes, bestätigt, dass "was sich dort angesammelt habe, vom Umfang so viel sei, dass es nach dem Immissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftig sei", diese Genehmigung aber nicht vorliege. Das Grubengelände entwickelte sich zur "Dauerbaustelle". Anwohner haben immer wieder von Verbrennungen auf dem Gelände berichtet. Am 9. September 2019 erstattete der BUND schließlich Strafanzeige. Zum einen zeigte der Umweltverband den Betreiber an, gegen den ohnehin schon mehrere Verfahren eingeleitet worden seien. Die Vorwürfe: Verdacht auf Gewässerverunreinigung, Bodenverunreinigung und Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete sowie unerlaubter Umgang mit Abfällen und unerlaubtes Betreiben von Anlagen. Zum anderen ersuchte der BUND die Staatsanwaltschaft aber auch, zu prüfen, "ob sich die Verantwortlichen beim Landkreis Goslar und/oder der Gemeinde Liebenburg aufgrund von Untätigkeit strafbar gemacht haben" und erstattete Anzeige gegen den damaligen Leiter des Gewerbeaufsichtsamtes wegen "Unterlassens". Die entsprechende Strafanzeige stellte uns der BUND Westharz zur Verfügung.

Ermittlungen gegen den Betreiber


In einem Antwortschreiben vom 27. September 2019 teilte die Staatsanwaltschaft Braunschweig mit, dass "die Ermittlungen gegen den Betroffenen andauern und voraussichtlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen", aber fortgeführt werden. Der Vorwurf gegen den Leiter des Gewerbeaufsichtsamtes wurde zurückgewiesen, da Ermittlungen ergeben haben, dass das Gewerbeaufsichtsamt nicht untätig geblieben sei. Es könne keine Rede davon gewesen sein, dass die Behörden seit Jahren die Zustände auf dem Gelände geduldet haben. Die Staatsanwaltschaft erklärte, dass die "schwierige Persönlichkeitsstruktur des Beschuldigten" zu berücksichtigen sei und dass dieser "jedes ihm zur Verfügung stehende Rechtsmittel" ausschöpfe, sodass Verfahren in die Länge gezogen werden. Auch die derzeitige Leiterin des Gewerbeaufsichtsamtes, Petra Artelt, bestätigt auf Anfrage, dass der Betreiber bereits 2011 rechtskräftig dazu verpflichtet worden sei, die Abfalllagerung zu beseitigen.

Verfahren in die Länge gezogen


Petra Artelt: "Da sich in den nachfolgenden Jahren gezeigt hat, dass der Anlagenbetreiber auch durch Einsetzen von Zwangsmitteln nicht willens und/oder in der Lage war, seiner Verpflichtung zur Abfallentsorgung nachzukommen, hat sich das Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig entschieden, die Abfalllagerung in der Halle insbesondere auch wegen der Gefahr eines Brandes im Rahmen einer Ersatzvornahme zu beseitigen." Damit gab es einen Beschluss, dass die nun abgebrannte Werkshalle in der zweiten Hälfte des Jahres hätte geräumt werden müssen. "Ersatzvornahme" bedeute, dass die Halle auf Kosten des Landes Niedersachsen geräumt worden wäre, die später von dem Betreiber zurückgefordert worden wären. Entsprechende Gelder seien vom Umweltministerium bereits zur Verfügung gestellt worden und noch in dieser Woche habe die Ausschreibung stattfinden sollen.

Fortsetzung folgt


Die Räumung der Werkshalle - wenn man noch davon sprechen kann - verzögert sich nach dem Brand. Auch die Arbeit des Landkreises Goslar verzögere sich nach Aussage des Pressesprechers. Im Oktober 2019 erteilte der Landkreis den Auftrag, auf dem Grubengelände umfangreiche Wasser- und Bodenproben zu entnehmen und es auf Altlasten zu untersuchen (regionalHeute.de berichtete). Dabei sollte berücksichtigt werden, dass mögliche Altlasten auch auf die vorherige Nutzung der Grube zurückzuführen sein könnten. Das Gutachten zur Auswertung der Proben sollte in Kürze fertiggestellt werden, jedoch ergibt sich durch den Großbrand der Lagerhalle am vergangenen Sonntag (regionalHeute.de berichtete) die Frage, ob die Ergebnisse noch aussagekräftig sein werden oder ob weitere Bodenproben entnommen werden müssen. Am gestrigen Montag sollen die Beteiligten vor Ort gewesen sein, um sich ein Bild von der Ruine zu verschaffen.

Brandursache ungeklärt


Da es auf Grundstücken, die mit dem Betreiber in Verbindung gebracht werden können, häufiger zu größeren Bränden kam, werden Stimmen laut, dass es sich um Versicherungsbetrug handeln könnte. Nach eigenen Aussagen beim Brand in Salzgitter 2019 sei der Betroffene aber nicht versichert gewesen. Einige sagen auch, dass der Mann tatsächlich an seinen "Wertstoffen" gehangen habe und ihm das absichtliche Vernichten seines Depots nicht zuzutrauen wäre. Die "schwierige Persönlichkeitsstruktur", die die Staatsanwaltschaft beschreibt, könnte ebenfalls dafür sprechen, dass es sich bei dem Mann lediglich um einen etwas zu leidenschaftlichen Sammler handelt. Er selbst sagte nach dem Brand in Salzgitter: "Da hat wohl jemand Wut auf mich." Mehrfach sei es auch zu Diebstählen auf seinem Gelände gekommen. Die Polizei Goslar erklärte, dass sie in alle Richtungen ermitteln werde. Noch sei die Ursache des Brandes aber ungeklärt. Über den derzeitigen Aufenthaltsort des Grubenbesitzers scheint es keine offiziellen Kenntnisse zu geben.

Das Gelände vor der Werkshalle früher und heute.
Das Gelände vor der Werkshalle früher und heute. Foto: Werner Wenke/Annabell Pommerehne


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