"Talibanismus à la SPD" - CDU nutzt Streit bei den Genossen für Angriff

Kurz nach der Wahl vollziehen sich einige personelle Veränderungen bei der Goslarer SPD. Mittendrin: Hahnenklees Kurdirektor Christian Burgart.

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Christian Burgart, Kurdirektor in Hahnenklee und ehemaliger persönlicher Assistent des Oberbürgermeisters. (Archivbild)
Christian Burgart, Kurdirektor in Hahnenklee und ehemaliger persönlicher Assistent des Oberbürgermeisters. (Archivbild) | Foto: Anke Donner

Goslar. Nach dem herben Rückschlag bei der Kommunalwahl für die Kandidaten der CDU nutzen die Christdemokraten den Austritt des SPD-Ratsherren Giovanni Graziano aus der SPD Fraktion nun für einen Angriff auf die Genossen. In einem mittlerweile gelöschten Post auf der zur CDU gehörigen Facebook-Seite "GOSLAR.direct" lieferte die CDU dabei wohl eher unfreiwillig die Begründung für den Austritt des SPD-Ratsherren. Es dreht sich nach Angaben des Facebook-Posts um die "Abstrafung" des in Ungnade gefallenen SPD-Mitgliedes und Hahnenkleer Tourismuschefs, Christian Burgart.


Bereits vor längerem erfuhr regionalHeute.de aus mehreren Quellen im Umfeld der SPD, dass im Verhältnis zwischen der Partei und Christian Burgart etwas nicht stimmt - offensichtlich wurde es am Wahlabend, als der Hahnenkleer Kurdirektor und frühere persönliche Assistent des Oberbürgermeisters Dr. Oliver Junk lieber der Wahlparty der CDU im Schiefer beiwohnte, anstatt mit "seiner" SPD im Fleischscharren zu feiern.

Eklat und Grazianos Austritt


Am Mittwoch dann der Eklat im Ortsrat von Hahnenklee: Eine Mehrheit im Ortsrat von Hahnenklee sorgte dafür, dass der Tagesordnungspunkt zur Vertragsverlängerung des Kurdirektors und Geschäftsführers der Hahnenkleer Tourismusgesellschaft (HTG) von der Tagesordnung fliegt. Stadtsprecherin Vanessa Nöhr erläutert den Vorgang: "Im Ortsrat Hahnenklee sollte eine Vorlage beraten werden, die vorsieht, Christian Burgarts Vertrag als Geschäftsführer der Kur-und Fremdenverkehrsgesellschaft Goslar-Hahnenklee bis zum 30. Juni 2022 zu verlängern. Der ursprünglich abgeschlossene Vertrag endet mit der Fusion der beiden Gesellschaften zur Hahnenklee Tourismus GmbH oder spätestens zum 31. Dezember. Die Fusion wird nun allerdings eher eintreten – mit Eintragung ins Handelsregister, die bereits in die Wege geleitet wurde."

Die Gesellschaft brauche allerdings einen Geschäftsführer, gleichzeitig ändere sich mit der Fusion die Zusammensetzung des Aufsichtsrats. "Der neue Aufsichtsrat soll im November/Dezember darüber entscheiden, wie die Stelle des Geschäftsführers künftig aussehen soll. Dann folgen Erstellung des Anforderungsprofils, Ausschreibung und Auswahlverfahren, was sich durchaus einige Wochen oder Monate hinziehen kann, bis die Stelle dann besetzt ist. Um über diese Zeit zu kommen, sollte der Vertrag mit Christian Burgart verlängert werden." Im Ortsrat hat die SPD mit der Mehrheit von FDP, Unabhängiges Bürgerforum Hahnenklee und Almuth Ahrendts (CDU) allerdings dagegen gestimmt und den Punkt von der Tagesordnung getilgt.

Die Sitzungsvorlage steht zwar auch für den Ausschuss für Zentrale Dienste und Finanzen, den Verwaltungsausschuss und den Rat auf der Tagesordnung, allerdings, so Nöhr abschließend, sei es unüblich, dass diese Gremien ohne Vorberatung und Votum des Ortsrates darüber entscheiden.

"Statt zu versöhnen, wird weiter gespalten"


Die CDU geht in ihrem Facebook-Post davon aus, dass die SPD ihn später "mit der neu gewonnen Mehrheit" absetzen wolle. Darauf, so die CDU, habe "sein Freund Graziano" laut der CDU am Donnerstag reagiert: "Er verlässt die SPD Fraktion und reagiert damit auf das unerträgliche Siegerverhalten seiner Partei." Der bislang unbekannte Verfasser des Posts erklärt weiter: "Denn ein gewisser Talibanismus scheint sich in Goslar dieser Tage breit zu machen. Statt zu versöhnen, wird weiter gespalten, statt die Hand zu reichen, wird Rache geübt. Während Frau Schwerdtner auf Facebook glückselig in roten Rosen badet, baden Teile ihrer Partei im Blut nicht konformer Genossen." Die CDU greift dabei auch das Gerücht auf, dass Graziano wegen dieser "Nichtkonformität" auf den Listenplatz 42 "verbannt" worden sei. Abschließend heißt es: "Er aber schaffte es ganz alleine zurück in den Rat. Unerträglich für die rachsüchtige Kamarilla."

SPD-Innenministerium Schuld am Disziplinarverfahren


Auch beim eingeleiteten Disziplinarverfahren des Innenministeriums gegen Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk wittert die CDU die lange Hand der SPD, namentlich SPD-Innenminister Boris Pistorius und sein Goslarer Staatssekretär Stefan Manke. Sie hätten, so die CDU in einem anderen Post, "erneut hohe Sensibilität für das richtige Timing" bewiesen. "Wenige Tage vor der Stichwahl erhoffen sie sich damit weiteren Rückenwind für ihre Parteifreundin Urte Schwerdtner". Schließlich, so der Post abschließend: "Egal, welches Ergebnis das Disziplinarverfahren am Ende bringen wird, wollen sich die Genossen am Ende nicht vorwerfen lassen, sie hätten nicht alles versucht, das Rathaus in Goslar für die SPD zurückzuerobern."

Die SPD demonstrierte bei einem Wahlkampftermin mit Ministerpräsident Stephan Weil (ganz rechts) Geschlossenheit. Von links nach rechts: Bundestagskandidatin Frauke Heiligenstadt, davor Oberbürgermeisterkandidatin Urte Schwerdtner, hinter ihr der neu gewählte Landrat Alexander Saipa und Clausthals neue Ortsbürgermeisterin Petra Emmerich-Kopatsch.
Die SPD demonstrierte bei einem Wahlkampftermin mit Ministerpräsident Stephan Weil (ganz rechts) Geschlossenheit. Von links nach rechts: Bundestagskandidatin Frauke Heiligenstadt, davor Oberbürgermeisterkandidatin Urte Schwerdtner, hinter ihr der neu gewählte Landrat Alexander Saipa und Clausthals neue Ortsbürgermeisterin Petra Emmerich-Kopatsch. Foto: Marvin König



"Schwerdtner kneift"


Auch Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk gibt sich auf Facebook ungewöhnlich bissig - und stimmt einem Kommentar des Goslarsche Zeitung-Chefredakteurs Jörg Kleine zu, der sich darüber beklagt, dass Schwerdtner für ein anberaumtes Wahlduell am kommenden Montag abgesagt hätte. Junk kommentiert: "Kann es sein, dass sie inhaltlich nicht viel zu bieten hat? Kann es sein, dass sie sich davor fürchtet, überhaupt zu den wichtigen Zukunftsfragen Stellung zu beziehen? Ich lade weiterhin dazu ein, mit mir zu diskutieren und ins Gespräch zu kommen."


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