Kein Zuschuss für die Tafel: "Wir können nicht alle Wünsche erfüllen"

Die Verantwortlichen der DRK-Tafel hätten gern Unterstützung für den Umzug gefunden, wissen jetzt aber nicht, wie es weitergehen soll.

Nach der Sitzung trafen sich die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer der DRK-Tafel im Foyer den Lindenhalle. Alle waren erkennbar enttäuscht vom Verlauf der Sitzung, ganz rechts Vorständin Aline Gauder.
Nach der Sitzung trafen sich die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer der DRK-Tafel im Foyer den Lindenhalle. Alle waren erkennbar enttäuscht vom Verlauf der Sitzung, ganz rechts Vorständin Aline Gauder. | Foto: Regio-Press

Wolfenbüttel. So viele Besucher waren schon lange nicht mehr bei einer Kreistagssitzung – schon gar nicht bei einer Tagesordnung von 31 Punkten. Doch diesmal saßen in der Lindenhalle 30 Gäste am Rand, alle in DRK-Rot gekleidet und alle Mitarbeiter der Wolfenbütteler Tafel. Dies geht aus einer Pressemitteilung des DRK hervor.



Die Ehrenamtlichen harrten aus bis zum TOP 18. Dann ging es endlich um die Frage, ob der Kreistag die Umzugspläne der Tafel aus Eberts Hof in das benachbarte Löwentor befürwortet. Beantragt hatte das DRK dafür einen Mietkostenzuschuss von zunächst 20.000 Euro, jeweils für die nächsten fünf Jahre. Die Stadt Wolfenbüttel hatte diesen Antrag befürwortet – falls der Kreistag ebenso zustimmen würde.

Doch daraus wurde nichts, und auch der auf 10.000 Euro reduzierte Antrag wurde abgelehnt. Von den 41 anwesenden Mitgliedern des Kreistags stimmten 12 für einen Zuschuss, 4 enthielten sich und 25 waren dagegen. Offensichtlich umsonst hatte sich Björn Försterling (Vorsitzender des DRK-Präsidiums), der für die FDP im Kreistag sitzt, für den Antrag stark gemacht. Die Gründung der Tafel vor 17 Jahren sei aus zwei Gründen erfolgt: "Wir wollten der Lebensmittelverschwendung Einhalt gebieten – und wir wollten ein Angebot für Menschen schaffen, die sich immer weniger Lebensmittel leisten können." Försterling unterstrich, dass auch Tafelkunden bei der Abholung einen Obulus entrichten müssen.

Immer mehr Menschen brauchen Hilfe


Doch die Grundvoraussetzungen für das DRK hätten sich geändert. Die ursprünglich angepeilten 700 Tafelkunden, die es bis 2018 auch tatsächlich gab, haben sich zuletzt durch verstärkte Flüchtlingsströme auf das Dreifache entwickelt. "Die Versorgung von fast 2200 Menschen ist in den gegenwärtigen Räumen aber nicht mehr leistbar." Die Sortierung, Verpackung und Ausgabe der Lebensmittel wird weitestgehend durch Ehrenamtliche gewährleistet. "Wir müssen für unsere Helfer ein adäquates Arbeitsumfeld schaffen", erklärte Försterling vor den Ohren eben dieser Ehrenamtlichen.

Zunächst signalisierten die Grünen im Kreistag Zustimmung. Bertold Brücher erkannte die Notwendigkeit eines Umzugs an, und auch Christiane Wagner-Judith lobte die Einrichtung: "Bei meinen besuchen habe ich die Tafel als uglaublich effektiv, menschenfreundlich, gut organisiert und mit angenehmer Atmosphäre erlebt." Wenn Politik immer wieder betonte, das Ehrenamt fördern zu wollen, dann müsse sie auch für gute Rahmenbedingungen sorgen. "Im Übrigens haben wir vor einiger Zeit zugestimmt, dass Teile unserer Verwaltung ins Löwentor ziehen – warum sollten wir jetzt dagegen sein, wenn die Tafel das aus guten Gründen auch will?"

Nicht jeder Wunsch wird erfüllt


Michael Wolff hielt als Fraktionsvorsitzender der CDU die angespannte Haushaltslage dagegen: "Wir können nicht alle Wünsche erfüllen." Und Falk Hensel (SPD) hatte gar den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages bemüht, den er zitierte: "Die Verwaltung ist eine Pflichtaufgabe des Landkreises, die Tafel aber nicht – von daher ist ein Vergleich der beiden Umzüge nicht in Ordnung." Er danke den Ehrenamtlichen ausdrücklich, doch eine institutionelle Förderung der Tafel sei für die SPD ausgeschlossen: "Die Hilfe zur Selbsthilfe darf nicht ausgehebelt werden."

Leonhard Pröttel (Grüne) konnte dem nicht folgen. "Mag sein, dass es keine solche Kernaufgabe geben dürfte – ist aber so. Wollen wir diesen Leute also nichts zu essen geben?" Und Andreas Glier (CDU) verwahrte sich nach einem entsprechenden Zwischenruf gegen den Begriff der "Hartherzigkeit": "Auch wir unterstützen die Tafel gern, aber auf anderem Wege." Wie diese aus Sicht der CDU aussehen soll, sagte er hingegen nicht.

Der Zuschussbedarf der Tafel belief sich in den vergangenen Jahren stets auf mehr als 100.000 Euro – und wurde vom DRK zumeist aus den Mitgliedsbeiträgen bestritten. Durch einen Umzug würde er nochmal steigen, verdeutlichte Björn Försterling. "Im Zweifel müssen wir unsere Mitglieder befragen, ob wir das Geld derart konsequent in dieses Thema stecken sollen." Doch auch dieser Hinweis konnte den Trend der Abstimmung nicht mehr wenden.

Große Enttäuschung


Im Anschluss zeigten sich die DRK-Besucher sehr enttäuscht vom Lauf der Dinge. "Wir sind enttäuscht und irritiert, welche Prioritäten an diesem Abend von den Mehrheiten gesetzt wurden", erklärte zunächst Försterling. Bei aller Wertschätzung für Musikangebote in Seniorenheimen und spontane Anträge über Energiekosten-Zuschüsse für Vereine, die vom Kreistag gebilligt wurden: "Da wurde mit zweierlei Maß gemessen."

Auf Unverständnis stoßen vor allem die Gegenargumente, die im Kreistag laut wurden: "Offensichtlich hat ein Teil der Politik ein Problem mit dem Gebäude", wundert sich der DRK-Präsident. Der angebotene Mietpreis im Löwentor bewege sich durchaus im Rahmen des Üblichen in der Stadt, betont er. "Es ist doch absurd, die Hilfe für bedürftige Menschen an der Frage festzumachen, welchen Standort man dafür wählt." Konkrete Alternativvorschläge zu Immobilien in der Innenstadt seien aber mit den Gegenargumenten nicht gemacht worden.

Auch das Argument, die Tafel sei keine Aufgabe des Landkreises, wollten die DRK-Verantwortlichen so nicht stehen lassen. "Die Finanzierung der Tafel ist auch nicht Daueraufgabe des Roten Kreuzes – trotzdem machen wir es seit 15 Jahren, und wir wollen uns aus dieser gesellschaftlich so wichtigen Aufgabe auch künftig nicht zurückziehen." Allerdings stoße der Kreisverband durch die Verdreifachung der Abholerzahlen finanziell an die Grenzen des Machbaren, und genau dafür benötige man die zusätzliche Unterstützung.

Die Tafel bleibt


Eine Tafel-Schließung komme überhaupt nicht in Frage: "Wir halten es nach wie vor für inakzeptabel, dass 2200 Menschen im Landkreis Wolfenbüttel Probleme haben, sich in ausreichendem Maße mit Lebensmitteln zu versorgen", unterstrich Försterling. "Die Ablehnung durch SPD, CDU und AfD ist eine sozialpolitische Bankrotterklärung.“

Aline Gauder hoffte als Vorständin des Kreisverbands, dass nun weder Mut noch Engagement der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer nachlassen werden, obwohl bei allen der Frust spürbar war. "Man konnte ihnen anmerken, dass sie die Argumentation des Kreistags nicht nachvollziehen konnten."

Der Kreisverband gehe nun auf die Suche nach einem Plan B. "Wir müssen sehen, ob die Stadt bei ihrer Unterstützung bleibt", sagte Aline Gauder. Wenn das so sei, könne vielleicht die Hälfte der Fläche im Löwentor angemietet werden. "Die Räume dort sind einfach ideal für unsere Bedürfnisse, von der Anlieferung über die Sortierung bis zur Ausgabe – nur alle weiteren Tafel-Angebote können wir dann nicht wie geplant realisieren."


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