Stadt-GRÜNE: "Wenn ein Baum tot ist, muss er weg" - Diskussionen im Bauausschuss über Baumfällungen

von Marc Angerstein




Der Bauauschuss der Stadt Wolfenbüttel ist gleichzeitig auch der Fachauschuss für Stadtentwicklung und Umwelt. Kein Wunder also, dass sich dieser (neuerdings unter grünem Vorsitz von Stefan Brix) geführte Ausschuss mit den Baumpflege- und Baumfällarbeiten im diesjährigen Herbst und Winter beschäftigte. "Baumfällarbeiten sind ein hochsensibles Thema, da geht es sehr oft um Abwägungsfragen", sagte der Ausschussvorsitzende. Und genau so war es, heute in seinem Ausschuss...

[image=5e1764ba785549ede64ccc03]"Ich stehe als Bürgermeister in der Verantwortung. Ich hafte als Hauptverwaltungsbeamter persönlich."


Bürgermeister Thomas Pink zur Verkehrssicherungspflicht der Stadt Wolfenbüttel

Baumfällungen alle Jahre wieder, eigentlich Routine könnte man meinen. Die Unterhaltung der öffentlichen Grünflächen ist von der Stadt Wolfenbüttel an die Städtischen Betriebe Wolfenbüttel (SBW) vergeben worden. Neben der Pflege der Rasen- und Pflanzflächen betrifft dies insbesondere auch die Unterhaltung des Baumbestandes. In diesem Zuge wurde den SBW auch die Verkehrssicherungspflicht übertragen. Um eine transparente und rechtssichere Durchführung der Verkehrssicherungspflicht zu gewährleisten, führen die SBW ein Baumkataster für die Bäume an Straßen, Wegen und in Parkanlagen. Die gesetzlich vorgeschriebenen Baumkontrollen werden im Sinne der Nachweispflicht dokumentiert. Die Dokumentation beinhaltet die Häufigkeit der Kontrollgänge und den jeweils festgestellten Zustand der Bäume. Die festgestellten Baumschäden sowie die daraus resultierenden Pflegeleistungen sind ebenfalls Bestandteil der Dokumentation. Die im Rahmen der Kontrollgänge festgestellten Schadbilder werden darüber hinaus mit Fotos belegt. Stefan Brix warf sie mit einem Beamer an die Wand des historischen Raatssaals. Die Ausschussmitglieder bekamen eine Übersicht, über die Bäume die gefällt werden sollen, denn die Ausführung der Baumfällungen muss von der Stadt freigegeben werden. Konkret geht es um folgende 23 Fälle:
1. siehe Vorlage 233/2010. die Maßnahmen konnten nicht, wie geplant, im Winter 2009/2010 erfolgen, da einerseits das Personal im Winterdienst gebunden war und andererseits umfangreiche Abstimmungen mit dem Nabu zu Verzögerungen geführt haben. Die Maßnahmen sollen im Herbst/ Winter 2011/2012 durchgeführt werden.
2. Im kleinen Feld, Straßenbäume (Pappeln). Die Bäume verursachen Schäden auf Privatgrundstücken durch Wurzelwuchs. Das Straßenbegleitgrün soll in mehreren Abschnitten erneuert werden. Als Ersatz sind Erlen (Alnus spaethii) geplant. Haushaltsmittel in Höhe von 32t€ sind im Haushalt für 2012 eingestellt.
3. Ernst-Moritz-Arndt Straße. Entnahme einzelner Bäume in Abstimmung mit dem Straßenausbaukonzept
4. Seeliger Park, Eiche. Der Baum am Westrand der großen Rasenfläche ist abgängig. In Abstimmung mit dem Parkpflegewerk soll im kommenden Jahr eine Ersatzpflanzung durchgeführt werden.
5. Grünanlage Glogauer Weg- Södeweg. In diesem Grünstreifen südlich der Bebauung Nrn. 9-15 sollen 5 Bäume (Eschen, Ahorn) ersatzlos aus dem Gehölzstreifen entfernt werden. Die Höhenentwicklung der Bäume führt zu einer erheblichen Verschattung der angrenzenden Bebauung. Beschwerden der Anwohner liegen vor.
6. Grundschule Harztorwall, Birke. Der Baum ist bereits zu 90% abgestorben. Ein Ersatz wurde bereits im vergangenen Jahr mit einem Amberbaum gepflanzt.
7. Parkanlage Waldenburger Straße, Ahorn: Der Baum steht mit rd. 2 m sehr nahe am benachbarten Grundstück Schneekoppeweg Nr.11. Durch die Verschattung und den Überwuchs der Krone in das private Grundstück wird die Gartennutzung beeinträchtigt. Eine Beschwerde des Eigentümers liegt vor.
8. Wallanlagen (JVA), Ahorn (Totbaum): Der Baum ist bereits vor mehreren Jahren abgestorben. Durch das morsche Holz ist Verkehrssicherheit eingeschränkt. Eine Ersatzpflanzung ist für das kommende Jahr vorgesehen.
9. Wallanlagen (Stadtgraben), Eiche (Totbaum): Der Baum ist bereits vor mehreren Jahren abgestorben. Durch das morsche Holz ist die Verkehrssicherheit eingeschränkt. Eine Ersatzpflanzung ist für das kommende Jahr vorgesehen.
10. Altablagerung Ackerstraße, Ulmen (Totbäume): Am nördlichen und östlichen Rand der Altablagerung sind rd. 10 Ulmen abgestorben.
11. Bahntrasse Fümmelse: Birke (Totbaum): Der Baum ist bereits vor mehreren Jahren abgestorben. Durch das morsche Holz ist die Verkehrssicherheit eingeschränkt. Ein Ersatz ist nicht vorgesehen.
12. Wallanlage (neben der Hauptpost), Kastanie (Totbaum): Der Baum ist im Laufe des Jahres abgestorben. Durch das morsche Holz ist die Verkehrssicherheit eingeschränkt.
13. Stadtgraben (Landeshuter Platz), Birken: Drei Birken behindern den Wuchs der Blutbuche. Zur besseren Entwicklung der stadtbildprägenden Blutbuche am Nordeingang zur Parkanlage sollen die Birken ersatzlos entfernt werden.
14. Birkenweg, abgängige Birkengruppe (3 Bäume): Die Bäume sollen durch die Neuanpflanzung von drei Birken ersetzt werden.
15. Sportanlage Okerstadion, Pappel: Im Bereich der Tennisanlage des ESV beeinträchtigt der Baum die Nutzung des Geländes. Eine Beschwerde des Vereins liegt vor.
16. Zum Okerstrand, Halchter, drei jüngere Linden: Die Bäume behindern die landwirtschaftliche Nutzung. Die Durchfahrt zur Hoffläche und zu den angrenzenden Wiesen wird durch die Bäume so eng, dass die größeren Fahrzeuge nicht ohne Schäden an den Bäume zu verursachen, passieren können. Darüber hinaus stehen die Bäume sehr dicht am Gebäude und verursachen dort Schäden am Dach. Eine Ersatzpflanzung ist nicht vorgesehen.
17. Reitlingsweg, Zwei Hainbuchen, ein Ahorn: Die Bäume stehen mit weniger als 1 m sehr nahe am Gebäude. Eine Beschwerde der Anwohner liegt vor. Schäden an Gebäude und Hofeinfahrt sind absehbar. Als Ersatz ist auf der angrenzenden Grünfläche die Pflanzung von drei Hainbuchen mit einem größeren Abstand zum Grundstück geplant.
18. Am Herzogtore, Linde: Eine Linde stellt laut Aussage des bestellten Baumsachverständigen aufgrund umfangreicher Schädigungen durch Fäulnis etc. eine Gefährdung dar.
19. Großer Zimmerhof, Kugelahorn: Totbaum wird mit Blick auf den Umbau des Hertie-Gebäudes ohne Ersatz entfernt.
20. Monplaisir, Hybridpappeln: Erarbeitung eines Gestaltungskonzeptes unter Einbezug des Bauausschusses mit Ersatzpflanzung. Haushaltsmittelanmeldung für 2013 wird beantragt.
21. Rosenwinkel/ Okerbrücke, Säulenesche: Der Totbaum wird gleichartig ersetzt.
22. Durchgang Stadtmarkt/ Kommisse, Erle: Der Totbaum wird gleichartig ersetzt.
23. Teichgarten, Hybridpappel: Im Zuge der Brückensanierung soll die Pappel entfernt und nach Abschluss der Sanierung durch eine Erle ersetzt werden.

Dr. Andreas Pölking (Grüne) stellte einen Antrag, der die Beschlüsse zu den Baumfällungen der Stadt zweiteilt, in unstrittige Baumfällungen und strittige, zumindest diskussionswürdige Baumfällvorhaben. Die strittigen Fälle hätte er gern nach sorgfältiger Beratung zu einem späteren Zeitpunkt entschieden und beantragte, die Entscheidungsvorlage in die Fraktionen zurückzuschicken.
Der Antrag des Grünen im Original-Wortlaut:

[image=5e1764bc785549ede64ccc62]Hiermit beantrage ich, den Tagesordnungspunkt 6 der Sitzung am 15. 11. 2011 dahingehend zu verändern, dass der vorliegende Antrag (Nr. 0251/2011) der Verwaltung zweigeteilt abgestimmt wird. Zunächst möge der Ausschuss nur über die ‚unstrittigen’ Punkte abstimmen und zu einem späteren Zeitpunkt – nach sorgfältiger Beratung und Vorlage – die ‚diskussionswürdigen’ bzw. strittigen Punkte. Baum-Foto: Grüne

Begründung

  1. In dem Antrag wird auf einen Anhang verwiesen, der den Unterlagen jedoch nicht beigefügt war.

  2. Als Ergebnis der Diskussion um den Antrag 233 aus 2010 wurde beschlossen, ein frei zugängliches Baumkataster zu erstellen. Naturschutz- und stadtgrüninteressierte Bürgerinnen und Bürger hatten jedoch bisher noch keine Gelegenheit, dieses Kataster einzusehen.

  3. Als weiteres Ergebnis der seinerzeitigen Diskussion wurde festgehalten, dass für verschiedene ‚neuralgische’ Punkte bzw. Regionen in der Stadt ein Konzept erstellt werden soll, das die langfristige Behandlung und Entwicklung dieser Anlagen darstellt. Es ist jedoch aus Sicht des Unterzeichners nicht sinnvoll, vorab die wertvollen alten Bäume zu fällen und dann erst über das Konzept zu sprechen.

  4. Mangelnde detaillierte Beschreibung und Vorstellung der geplanten Maßnahmen. Einerseits wird auf die komplette Vorlage 233 aus 2010 verwiesen, in der bspw. von einem Pappelbestand Im Kleinen Feld in Fümmelse die Rede ist, andererseits wird diese Maßnahme in der Vorlage 251/2011 aufgeführt.Für die Fällung eines wertvollen alten Baumes im Seeliger Park ist der Kommentar „... ist abgängig“ nicht ausreichend. Es sollte detailliert begründet und belegt werden.Diverse Ortsangaben sind ungenau und für den Unterzeichner nicht eindeutig. Bspw. die genannte Blutbuche am Landshuter Platz.

  5. Hinsichtlich einzelner Punkte in der Punkteauflistung (bspw. Ausbau der Ernst-Moritz-Arndt-Straße) und den damit seitens der Verwaltung gewünschten Fällungen gibt es einen aktuellen Diskussionsprozess zwischen Unterzeichner und Verwaltung (Herrn Dicks), der zunächst abgeschlossen werden sollte und nicht durch vorschnelle Beschlüsse konterkariert werden sollte.

  6. Bei verschiedenen vorgeschlagenen Maßnahmen wird auf Befall durch Schaderreger (Pilz- und oder Bakterien) verwiesen, deren Nachweis mindestens vorliegen soll. Hier bittet der Unterzeichner um die Einsichtnahme in die Zusatzgutachten, die die Stadtverwaltung von einem externen Gutachter anfertigen lässt (vgl. bspw. wie in Punkt 3 unter Baumpflege in der Vorlage 251/2011 erwähnt.


Aus diesen genannten Gründen bittet der Unterzeichner den Ausschuss, zunächst nur die unstrittigen Baumfällarbeiten durchzuführen. Dieses sind all jene, die eine Beseitigung von abgestorbenen Bäumen vorsieht. Dieses sind in der Vorlage 251/2011 unter der Rubrik Baumfällung die Punkte 6, 8, 9, 10, 11, 12, 18, 19, 20 (sofern es sich um die Baumreste handelt), 21, 22.

Zusätzlich wird gebeten, nach der Fällung zu untersuchen und mitzuteilen, ob das Baumsterben im Bereich Ackerstraße (Punkt 10) durch die Altablagerungen verursacht wurde.

Zusätzlich wird gebeten mitzuteilen, wann die vorgesehenen Ersatzpflanzungen durchgeführt werden. Dieses ist oft nicht ersichtlich (bspw. bei Linde unter Punkt 18).

"Harte Fakten sprechen gegen eine lange Diskussion", sagte ein Vertreter der Stadtverwaltung. "Da gehen wir Risiken ein, denn die Stadt Wolfenbüttel hat die Verkehrssicherungspflicht." Da wo die Stadtverwaltung eine Gefahr erkennt muss sie handeln, hieß es.

[image=51896]"Wenn ein Baum tot ist, muss er weg. Da brechen Äste raus und stellen eine Gefahr dar."


Dr. Andreas Pölking (Grüne)


Der Grüne zeigte sich einsichtig: "Ich gehe auf Ihren Gefahrennotstand gerne ein. Ich möchte für die striitigen Fälle doch einfach nur ein bisschen mehr Beratungszeit."

Der Kompromissvorschlag kam dann vom Bürgermeister: "Es gibt Bäume, für die lege ich meine Hand nicht ins Feuer und es gibt Bäume, da können wir sicherlich nocheinmal drüber reden." Pink forderte dann seinen Vertreter von der Verwaltung auf, die Bäume zu benennen, die zur Gefahrenabwehr sofort gefällt werden müssten. Das wären die Nummern 4 (die Eiche im Seeliger Park), 14 (Birkengruppe im Birkenweg) und 15 (Pappel im Okerstadion mit gespaltenem Stamm). Die werden also sofort gefällt.

Auf Antrag von Gerhard Kanther (CDU) wird sich der Ortsrat Halchter mit der Nummer 16 (den Linden in der Straße zum Okerstrand) befassen.

Über alle anderen Baumfällungen wird dann zu einem späteren Zeitpunkt gesprochen.


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