Region. Bereits vor dem Silvesterfest gab es Forderungen nach einem generellen Böllerverbot für Privatpersonen. Neben Umweltaspekten, dem Schutz von Wild- und Haustieren sowie einer möglichen Überlastung der Rettungsdienste, geht es auch um die verstärkt missbräuchliche Verwendung von Feuerwerkskörpern zum Angriff gegen andere Menschen. Die Vorfälle in Berlin und anderen Städten, wo Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst gezielt angegriffen wurden, befeuern die Diskussion. Wir wollten daher von den Bundestagsabgeordneten aus unserer Region wissen, wie sie zu diesem Thema stehen.
Eine Gesetzesänderung oder ein Verkaufsverbot müssten vom Bundestag abgesegnet werden, also dort eine Mehrheit finden. Daher fragten wir nach einem aktuellen Stimmungsbild. Dabei zeigt sich, dass die aktuelle Diskussion zu den Ausschreitungen, den Umweltaspekt etwas in den Hintergrund gedrängt hat. Wir veröffentlichen die Stellungnahmen in der Reihenfolge ihres Eingangs.
Dunja Kreiser, SPD-Abgeordnete aus dem Landkreis Wolfenbüttel schreibt:
"Ein Feuerwerk ist für mich etwas sehr Beeindruckendes und durchaus auch eine schöne Tradition. Leider mussten wir an diesem Jahreswechsel aber einen völlig verantwortungslosen Umgang mit den Böllern und Knallern feststellen. Ich bin dafür, im Bundestag über Einschränkungen bei privaten Feuerwerken zu reden. Gerade in Ballungsgebieten spricht einiges für ein Böllerverbot. Einsatz- und Rettungskräfte wurden attackiert und verletzt, also Menschen, die eben nicht feiern, sondern die ganze Nacht arbeiten, um anderen zu helfen, sie zu retten, um das Schlimmste zu verhindern. Hier muss natürlich unsere Justiz greifen. Aber in Ballungsgebieten würde sicher auch ein Böllerverbot vorbeugend helfen.
Dreck einfach liegen gelassen
Auch die pure Masse der Feuerwerke hat aus meiner Sicht einfach stark zugenommen, immer mehr und größere Raketen mit mehr Explosivmasse werden gezündet. Professionell ausgeführte Feuerwerke an geeigneten Stellen wären aus meiner Sicht eine gute und vernünftige Alternative. Es würde eine Menge Feinstaub eingespart, unsere Haus- und auch die Wildtiere würde entlastet und Brandgefahr und auch die Verletzungsgefahr würde extrem eingeschränkt. Außerdem wäre die Vermüllung unserer Umwelt damit begrenzt. Ich muss sagen, es ärgert mich, dass sich gerade in unseren Großstädten anscheinend alle auf die Stadtreinigung verlassen und einfach allen Dreck, ob Verpackung, Flaschen oder Böllerreste, einfach auf der Straße liegen lassen. Die Kosten trägt dann die Kommune.
Wir stehen vor großen Aufgaben und bringen die Transformation in vielen Bereichen auf den Weg. Ich denke, wir können auch in Sachen Feuerwerke Änderungen gebrauchen."
Anders sieht dies die Braunschweiger FDP-Abgeordnete Anikó Glogowski-Merten:
"Ein verantwortungsvoller und besonnener Umgang mit Feuerwerk muss an Silvester im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften möglich bleiben. Es gibt nach bestehendem Recht bereits umfassende Möglichkeiten der Städte, Feuerwerkskörper zum Beispiel auf bestimmte Zonen zu begrenzen und damit teilweise zu verbieten. Der missbräuchliche Gebrauch gegen Einsatzkräfte der Polizei oder des Rettungsdienstes kann auch jetzt schon empfindliche Freiheitsstrafen nach sich ziehen. Als FDP-Fraktion sprechen wir uns daher gegen ein generelles Verbot von Feuerwerkskörpern an Silvester aus, da es unverhältnismäßig wäre."
Der Braunschweiger CDU-Abgeordnete Carsten Müller teilt hierzu mit:
"Ich bin gegen ein generelles Verbot von Feuerwerk. Ich halte das auch nicht für durchsetzbar und überwachbar. Außerdem verhält sich die Mehrheit verantwortungsvoll. Völlig aus dem Ruder gelaufenen Auswüchsen wie in Berlin, wo Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst gezielt angegriffen wurden, muss man klar entgegen treten. Ich hoffe, dass die Justiz die Schwere dieser Grenzüberschreitungen klar stellen wird. Ich bin zuversichtlich, dass wir durch die gesellschaftliche Diskussion Bewegung in die Situation bekommen. Man muss auch offen ansprechen, dass es gewisse Bevölkerungsgruppen gibt, die diese Grenzüberschreitungen gezielt suchen. Hier muss man im Vorfeld, aber vor allem wenn es zu Ausschreitungen kommt, mit aller Entschlossenheit durchgreifen. Die Respektlosigkeit und die Grenzverletzungen haben in der letzten Zeit erheblich zugenommen. Wir brauchen da deutlich mehr Entschlossenheit und auch mehr Zivilcourage."
Frauke Heiligenstadt, SPD-Abgeordnete für Teile des Landkreises Goslar, meint:
"Ich persönlich halte nicht viel von Silvesterfeuerwerken und Knallerei am Jahresende. Darunter leiden viele Tiere, die Umwelt und auch Menschen, denen es nicht so gut geht.
"Ereignisse machen sehr betroffen"
Die Ereignisse aus der Silvesternacht machen in Bezug auf die Angriffe gegenüber der Polizei und der Feuerwehr bezüglich Intensität und Ausmaß sehr betroffen. Natürlich ist klar, dass die Gewalt gegen Polizeieinsatzkräfte und Rettungskräfte inakzeptabel und auf das Schärfste zu verurteilen ist. Dieses hohe Maß an Aggressivität gegenüber Einsatzkräften von Polizei und Rettungsdiensten ist für mich nicht tolerierbar. Ich hoffe, dass möglichst viele Täterinnen und Täter ermittelt werden können und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden. Diese hat meiner Meinung nach auch möglichst zügig zu erfolgen. Die betroffenen Einsatzkräfte müssen wissen, dass die Bevölkerung und die staatlichen Institutionen an ihrer Seite stehen und ihren Dienst für die Allgemeinheit auch wertschätzen und schützen müssen.
Allerdings ist die Zunahme von Gewalt gegenüber Rettungsdiensten und der Polizei bereits in der Vergangenheit zu beobachten gewesen. Auch in normalen Einsätzen müssen sich Rettungskräfte immer häufiger darum kümmern, dass Gaffer nicht den Verkehr aufhalten, keine anstößigen Fotos und Filme in den sogenannten sozialen Medien posten und sich dann auch noch gegebenenfalls übel beschimpfen lassen.
"Populistische Forderungen Anfang Januar"
Wir müssen die Ursachen für diese Entwicklung des immer weiter abnehmenden Respekts gegenüber Institutionen des Staates und Einrichtungen der Rettungsdienste finden und bekämpfen. Wir müssen deutlich machen, dass eine Demokratie nur funktionieren kann, wenn wir gegenüber dem Nächsten Respekt walten lassen und achtsam miteinander umgehen. Gegen eine sich entwickelnde Staatsverachtung helfen jedoch keine populistischen Forderungen Anfang Januar sondern nur eine nachhaltige Aufklärung, die die Ursachen anspricht. Ein Böllerverbot für ganz Deutschland wird dem nicht gerecht. Silvesterknallerei ist belastend, aber ein vollständiges Verbot wäre nicht durchsetzbar und kontrollierbar. Außerdem gibt es zur Zeit bereits die Möglichkeit, für bestimmte Bereiche einer Innenstadt Böllerverbotszonen einzurichten. Davon ist auch in einigen Städten in Südniedersachsen Gebrauch gemacht worden."
Der Braunschweiger SPD-Abgeordnete Dr. Christos Pantazis spricht sich für ein Verbot aus:
"Grundsätzlich befürworte ich ein privates Böllerverbot aus Gründen des Umweltschutzes (Feinstaubbelastung), Kindes- und Tierwohls sowie aus medizinischen Gründen (schwerste bleibende Verletzungen bis hin zu Todesfolgen). Auch vor dem Hintergrund der alljährlichen und leider immer mehr zunehmenden Übergriffe auf Sicherheits- und Rettungskräfte in der Silvesternacht (aktuelle Beispiele aus der Region wie Peine und Salzgitter) spreche ich mich für ein grundsätzliches privates Böllerverbot aus. Nichtsdestotrotz ist mir aufgrund internationaler Vergleiche von privaten Böllerverboten selbstverständlich bewusst, dass solch ein privates Böllerverbot schwer durchsetzbar ist.
Runder Tisch mit den Beteiligten
Um die negativen Aspekte des Feuerwerks zu verringern sowie die Gefahren des Missbrauchs zu senken und um die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die pyrotechnische Industrie abzufedern, sehe ich von öffentlicher Hand genehmigte und unter kontrollierten Bedingungen stattfindende Feuerwerke als einen möglichen Kompromiss an. Des Weiteren spreche ich mich für einen Runden Tisch aus, an dem Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, der pyrotechnischen Industrie und Sicherheits- und Rettungskräfte teilnehmen.
Unabhängig davon halte ich eine breite, öffentliche Debatte über Jugendgewalt, die immer weiter zunehmende Verrohung unserer Gesellschaft und die verstärkende Rolle sozialer Medien für unabdingbar."
Das Büro des Abgeorneten Victor Perli (Die Linke) teilte mit, dass in dieser Woche keine Stellungnahme zu bekommen sei. Auch die Büros des Angeordneten Frank Bsirske (Bündnis 90/Die Grünen) sind noch in der Winterpause. Von den Abgeordneten Hubertus Heil (SPD) und Karoline Otte (Bündnis 90/Die Grünen) kam keine Rückmeldung.
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