Bahnübergang Grünewaldstraße: Entscheidung ist gefallen

Der Ausschuss hat sich über die Empfehlung der betroffenen Stadtbezirksräte und das Votum der Bürgerbeteiligung hinweggesetzt.

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Archivbild. | Foto: Alexander Dontscheff

Braunschweig. Mit acht zu drei Stimmen hat der Ausschuss für Mobilität, Tiefbau und Auftragsvergaben in seiner Sitzung am gestrigen Donnerstag dafür gestimmt, dass der Bahnübergang Grünewaldstraße in der Nähe des Bahnhofs Gliesmarode durch eine Unterführung ersetzt werden soll. Der Ausschuss setzte sich damit über die Empfehlung der betroffenen Stadtbezirksräte und das Votum der Bürgerbeteiligung hinweg.



Während in den Stadtbezirksräten noch quer über Parteigrenzen hinweg abgestimmt wurde, hatten SPD und Bündnis 90 / Die Grünen bereits im Vorfeld der gestrigen Ausschusssitzung in Pressemitteilungen dargestellt, dass die Mitglieder der jeweiligen Fraktionen geschlossen für die Unterführung stimmen werden. Zu diesen sieben Stimmen gesellte sich eine Stimme der Gruppe Die FRAKTION BS. Die drei Vertreter der CDU stimmten dagegen. Alle anderen Gruppen und Fraktionen waren im Ausschuss nicht stimmberechtigt.

Durch den Beschluss wird die Verwaltung beauftragt, die Planung, den Ersatz des Bahnübergangs Grünewaldstraße durch eine geradlinige Geh- und Radwegunterführung, als Vorzugsvariante der Stadt Braunschweig gemeinsam mit der Deutschen Bahn AG und dem Regionalverband Großraum Braunschweig weiter voranzutreiben.


Das sagen die Grünen


Lisa-Marie Jalyschko, Fraktionsvorsitzende der Grünen Ratsfraktion und Mitglied im entscheidenden Ausschuss, erklärt in der genannten Pressemitteilung Folgendes:

„Wir haben uns diese Entscheidung wirklich nicht leichtgemacht. Deshalb möchten wir uns bei allen Bürgerinnen und Bürgern bedanken, die sich in den letzten Monaten intensiv in die Diskussion um den Bahnübergang Grünewaldstraße eingebracht haben. Unsere Entscheidung für die Variante 1 beruht auf der festen Überzeugung, dass wir damit eine Verlagerung der Verkehre hin zum klimafreundlichen Umweltverbund erreichen können und somit einen Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen leisten werden. Dabei müssen wir als Mitglieder des Rates immer die gesamtstädtische Perspektive im Blick haben. Deshalb legen wir großen Wert auf zeitnahen Ausgleich vor Ort für Bäume, die der Baumaßnahme weichen müssen. Außerdem müssen wir uns klarmachen, dass wir heute Entscheidungen treffen, die über Jahrzehnte hinweg Bestand haben. Gerade mit Blick auf die lange Reichweite des heutigen Beschlusses halten wir die Variante 1 für die Lösung, mit der uns für die Zukunft am besten wappnen können.“


Das sagt die SPD


Die SPD begründet ihre Entscheidung so:

„Vor allem der Sicherheitsaspekt war für unsere Entscheidung ausschlaggebend“, erklärt Fraktionsvorsitzender Christoph Bratmann. „Es wird nicht bei den jetzigen Schließzeiten bleiben. Zukünftig werden sich diese durch die Zunahme des Schienenverkehrs deutlich verlängern.“ Dies könnte Personen dazu verleiten, den Bahnübergang auch bei geschlossenen Schranken zu überqueren. Bahnübergänge seien in dieser Hinsicht generell ein Sicherheitsrisiko, da Menschen immer wieder den Zeitabstand zwischen Warnsignal und Eintreffen des Zuges unterschätzen und trotz Signal unerlaubt den Bahnübergang überqueren würden. „Gerade vor dem Hintergrund, dass sich eine Schule in der Nähe befindet, müssen wir gewährleisten, dass die Strecke quer zur Schiene gefahrenlos überquert werden kann“, betont er. Schüler der IGS Franzsches Feld würden den Bahnübergang beispielsweise auf dem Weg zum Schwimmunterricht im Gliesmaroder Bad nutzen. Für sie sei eine Unterführung die geeignetste Variante.


"Krieg gegen die Wähler"


Die Gruppe Direkte Demokraten war im Ausschuss nicht stimmberechtigt. Sie kritisiert nun vor allem, dass der Wille der Bürger komplett übergangen werde. Es habe 437 Stellungnahmen gegeben, was für Braunschweig eine außerordentliche Beteiligung sei. Rund 90 Prozent dieser Stellungnahmen hätten sich für den Erhalt und die Optimierung der Bahnschranken ausgesprochen. Auch wenn ein solches Ergebnis nicht repräsentativ sei, so zeige es doch ein eindeutiges Stimmungsbild in der Bevölkerung.

"Was soll Bürgerbeteiligung bringen, wenn die Politik anschließend den Bürgerwillen missachtet? Falls sich noch jemand fragt, wie es sein kann, dass die politischen Ränder wieder erstarken: Es ist eine Flucht vor diesem Krieg gegen die Wähler. Das wahrgenommene Signal sieht so aus: Die Politik interessiert sich nicht im Geringsten dafür, was die Bürger wollen. Parteipolitik, in der freie Willensentscheidungen durch Fraktionsdisziplin unterbunden werden, führt zu vergifteter Gruppenpolarisierung und langfristigen Konflikten in der Gesellschaft", heißt es in einer Pressemitteilung der Gruppe. Man brauche mehr Bürgerbeteiligung bei Planungsprozessen, die dann auch umgesetzt werde.

"Ein unwichtiger Übergang in Randlage"


Die AfD-Fraktion kritisiert die Entscheidung inhaltlich. „Auch wenn die Bahn die meisten Kosten übernehmen wird: Ein unwichtiger Übergang in Randlage, der nur von einer Handvoll Radfahrer und Fußgänger genutzt wurde, entwickelt sich zum monströsen Großprojekt in Form eines ausgewachsenen Straßentunnels", schreibt Ratsherr Stefan Wirtz in einer Pressemitteilung. Erste Visualisierungen wirkten, als hätte man dort LKW-Abmessungen zugrunde gelegt, gleichzeitig sei die Streckenführung aber so entworfen, dass nicht einsehbare Abschnitte und Angsträume entstünden. Bis zu 5,70 Meter tief werde dort ausgeschachtet, um 4 Meter Höhenunterschied zu schaffen; die nächste Wassersenke, anfällig für stärkere Regenfälle, sei somit unabsichtlich in Planung.

Diese Nebenstrecke sei zum Kernpunkt einer „Verkehrswende“ aufgeblasen worden, rationales Entscheiden oder gar sorgsamer Umgang mit den Kosten spielten dann offenbar keine Rolle mehr – und das alles für Zeitgewinne von 1 bis 2 Minuten und 100 bis 200 Meter Streckenvorteile bei einigen Beispiels-Wegen.

"Parteiräson und Lobbyismus"


Noch einen Schritt weiter in ihrer Kritik an SPD und Grünen gehen CDU und BIBS im Stadtbezirksrat Wabe-Schunter-Beberbach. Ihr Fazit zum Abstimmungsverhalten: "Parteiräson und Lobbyismus sind immer wichtiger als sinnhafte, gut abgewogene Entscheidungen zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger. Entscheidungen von Stadtbezirken, Umweltverbänden, engagierten Anwohnern und Schülern werden arrogant missachtet." Begründet werden die Vorwürfe damit, dass die Vorsitzende des Ausschusses für Mobilität, Tiefbau und Auftragsvergaben, Sabine Kluth (Grüne), die ehemalige Vorsitzende des ADFC Braunschweig und ehemalige stellvertretende Bundesvorsitzende des ADFC sei. "Da darf man getrost von einer Voreingenommenheit der Mandatsträgerin ausgehen", so BIBS und CDU.

Die SPD-Ratsfrau Susanne Hahn, die im Bezirksrat Östliches Ringgebiet noch gegen die Unterführung gestimmt habe, sei kurzerhand durch den Landtagsabgeordneten Christoph Bratmann, ersetzt worden. Die amtierende Bürgermeisterin im Stadtbezirksrat Wabe-Schunter-Beberbach, Sonja Lerche (SPD), habe sich der Stimme bei der Abstimmung in ihrem Stadtbezirk am Dienstagabend enthalten. Am Donnerstag habe sie parteitreu für die Unterführung gestimmt.

Lesen Sie zu dieser Entscheidung auch den Kommentar unseres Redakteurs Alexander Dontscheff: "Unterführung schlägt Bahnübergang - Ein fatales Signal für die Demokratie".


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