Frauen- und Mädchenberatung bei sexueller Gewalt erhält Präventionspreis

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht für Deutschland von einer Million betroffener Mädchen und Jungen jedes Jahr aus, die sexualisierte Gewalt erlebt haben oder erleben.

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(Symbolbild) | Foto: Pixabay

Braunschweig. Die Frauen- und Mädchenberatung bei sexueller Gewalt e.V. wird vom Braunschweiger Präventionsrat für ihr Engagement mit dem Braunschweiger Präventionspreis 2021 ausgezeichnet. Gewürdigt werden damit die Beratung und Unterstützung betroffener Mädchen und Frauen, der Einsatz für eine geschlechtergerechte Gesellschaft und die Initiativen des Vereins, sexualisierter Gewalt auch präventiv entgegen zu treten. Hierüber berichtet die Stadt Braunschweig in einer Pressemitteilung.


Rainer Schubert, Leiter des Sozialreferats der Stadt Braunschweig und Vorsitzender des Braunschweiger Präventionsrats, hebt die Bedeutung der Beratungsstelle für Braunschweig hervor: "Die Frauen- und Mädchenberatungsstelle leistet mit ihrem Angebot als Anlaufstelle für Betroffene in Braunschweig einen wichtigen Beitrag. Sie stellt darüber hinaus mit ihren spezifischen Fachkompetenzen, die sie in verschiedenen Facharbeitskreisen und Initiativen einbringt, ein Alleinstellungsmerkmal dar." Die Beratungsstelle sei sowohl auf lokaler Ebene sehr gut vernetzt als auch in bundesweiten Initiativen fachlich eingebunden.

Beratung seit 22 Jahren


Der Verein Frauen- und Mädchenberatung bei sexueller Gewalt e.V. existiert seit 1999 und hat sich zum Ziel gesetzt, von sexualisierter Gewalt betroffene Frauen und Mädchen zu beraten und zu unterstützen, darüber hinaus aber auch gesellschaftspolitisch Einfluss zu nehmen. Seither werden Mädchen und Frauen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind oder dies waren, in einem interdisziplinär aufgestellten Team beraten. In den letzten Jahren haben sich durchschnittlich 200 betroffene Frauen und Mädchen in der Beratungsstelle Hilfe und Unterstützung gesucht.

Die Gewalt hat System


Nadine Wehner, Sozialarbeiterin und Traumapädagogin im Team der Beratungsstelle, erklärt, warum ein feministischer Ansatz für die Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle einen unumstößlichen Leitgedanken darstellt und gesellschaftliche Zusammenhänge mitbedacht werden müssen: "Ein ganz entscheidender Aspekt unserer Arbeit, sowohl in der Prävention als auch in der Beratung, ist die Betrachtung sexualisierter Gewalt als strukturelles, gesamtgesellschaftliches Problem. Es erfordert gesamtgesellschaftliche Lösungen. Wir müssen als Gesellschaft hinsehen und hinhören. Nur so können wir diesem Problem begegnen und Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt schützen. Es ist unser aller Aufgabe."

Eine überwältigende Anzahl Betroffener


Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht für Deutschland von einer Million betroffener Mädchen und Jungen jedes Jahr aus, die sexualisierte Gewalt erlebt haben oder erleben. Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs sind dabei zu 75 Prozent Mädchen und zu 25 Prozent Jungen. Dass es daher sinnvoll ist, den Blickwinkel zu erweitern, unterstreicht Ann Kristin Hartz, Diplom Psychologin und Psychotherapeutin: "Wir werden unser Angebot als Beratungsstelle zukünftig auch für von sexualisierter Gewalt betroffene Jungen öffnen, weil wir ein entsprechendes Angebot für sehr wichtig halten und es dieses in Braunschweig bislang so nicht gibt. Sexualisierte Gewalt ist ein Tabuthema, für Jungen in unserer Gesellschaft nochmal mehr. Opfersein ist in unserer Welt nicht zu vereinen mit Männlichkeit. Umso wichtiger ist es, diskriminierende Geschlechterstereotype zu hinterfragen und zu überwinden."

Eine Frage der Geschlechtergerechtigkeit


Das sieht auch der Braunschweiger Präventionsrat so. Raphaela Harms, Vertreterin der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz und Vorstandsmitglied im Präventionsrat: "Zur Geschlechtergerechtigkeit gehört, Jungen als mögliche Opfer sexueller Gewalt gleichermaßen in den Blick zu nehmen. Dass es Frauen sind, die sich für Jungen und männliche Jugendliche einsetzen und die Initiative vonseiten einer feministischen Frauen- und Mädchenberatungsstelle ausgeht, ist gleichermaßen bemerkenswert wie bezeichnend."

"Kein Kind kann sich allein schützen"


Die Frauen- und Mädchenberatungsstelle setzt zukünftig verstärkt auch auf Prävention. Schon jetzt richtet sie ihr Angebot an Kindertagesstätten und Schulen, um dort mit Mädchen und Jungen zu dem Thema zu arbeiten. In einer neuen Initiative geht es nun darum, im Verbund mit pro familia und dem deutschen Kinderschutzbund in Braunschweig Gewaltschutzkonzepte zu etablieren. Ann-Kristin Hartz: "Wir wenden uns an stationäre und ambulante Einrichtungen, Vereine und alle, die institutionell mit Minderjährigen arbeiten. Es geht darum, Kinder und Jugendliche zu schützen, aber auch Handlungssicherheit bei den pädagogischen Fachkräften und Bezugspersonen zu erhöhen. Denn kein Kind kann sich allein schützen. Prävention ist in erster Linie Aufgabe von Erwachsenen, denn sie tragen die Verantwortung. Daher bedeutet Prävention für uns, neben der Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen, auch immer die Sensibilisierung von Eltern, Fachkräften und Bezugspersonen."

Den Braunschweiger Präventionsrat hat dies überzeugt. Gabriela Schimmel-Radmacher, Leiterin der Unternehmenskommunikation bei der Öffentlichen Versicherung und Mitglied im Präventionsrat: "Gewalt in ihren unterschiedlichen Formen ist nicht zu tolerieren und sexualisierte Gewalt – ob in der Kindheit oder im Erwachsenenalter – leider sehr gegenwärtig. Prävention ist da ein richtiger Ansatz. Diejenigen, die sich hier engagieren und Gewalt auf unterschiedliche Weise etwas entgegensetzen, müssen gestärkt werden. Unser ausdrücklicher Dank gilt dem Frauenteam der Beratungsstelle."

Für den Projektträger nahmen Ann-Kristin Hartz und Nadine Wehner gemeinsam den mit 2.000 Euro dotierten Preis entgegen.


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