Rat hat entschieden: Schillerschule und Worthschule tauschen Gebäude

Vor dem Lindenhof, in dem die Ratssitzung stattgefunden hatte, positionierten sich Eltern gegen den Umzug. Dennoch hielten die meisten Ratsmitglieder den Umzug für die einzig machbare Alternative.

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An dieser Stelle wird ab dem kommenden Jahr die Worthschule ihre Räumlichkeiten beziehen.
An dieser Stelle wird ab dem kommenden Jahr die Worthschule ihre Räumlichkeiten beziehen. | Foto: Anke Donner

Goslar. Der Rat der Stadt Goslar hat entschieden. Die Schillerschule und die Worthschule werden zum Sommer 2021 ihre Standorte tauschen, um Abhilfe für die große Platznot an der Schillerschule zu schaffen. Der Änderungsantrag von CDU, Bürgerliste und Grünen, eine Außenstelle einer anderen Grundschule in Georgenberg einzuführen, fiel bei der Abstimmung durch.


Die Abstimmung verlief weniger knapp als zunächst erwartet worden war. 23 Ratsmitglieder stimmten für die Vorlage der Verwaltung, 14 stimmten dagegen. Der Umzug stellte für die Mehrheit der Ratsmitglieder die einzige bis zum kommenden Jahr mittelbar umsetzbare Möglichkeit dar. Die hohe Emotionalität der Debatte zeigte sich erneut bereits im Vorfeld der Ratssitzung in den Räumlichkeiten des Lindenhofes. Am Osterfeld hielt ein gutes Dutzend Eltern beider Schulen Transparente in die Luft und sprachen sich unüberhörbar gegen den Standortwechsel aus, wann immer eines der eintreffenden Ratsmitglieder in Sicht- und Hörweite war. Auch bei der Ratssitzung selbst fanden sich ungewöhnliche viele Einwohnerinnen und Einwohner ein, welche die Debatte aber still verfolgten und die Einwohnerfragestunde nicht nutzten.

Frust besonders an der Worthschule


Sabine Roth, Elternsprecherin der Klasse 4a der Worthschule stand in der Menge der vor dem Lindenhof demonstrierenden Eltern und bezeichnet den gesamten Vorschlag des Umzuges als "politisches Machtspiel". Man fühle sich von der Politik ausgelacht. "Alle Eltern die ihre Kinder in der Stadt haben, müssen ihre Kinder wieder hochfahren, die haben längere Wege. Und eine Frau Gehrmann (Anm. d. Red.: Schulleitung der Schillerschule) meinte, sämtliche Kinder aus der Stadt und sogar von außerhalb aufnehmen zu müssen. Sie macht keinen Stopp - Sie hat so viele Schüler aufgenommen um den Tausch erzwingen zu können." Hinzu komme für Roth noch ein weiterer Punkt: "Wir sind eine katholische Schule. Es wird von uns verlangt, dass wir dieses Glaubensbekenntnis unserer Schule ablegen sollen, um unsere Tore zu öffnen für alle Andersgläubigen. Wären wir eine muslimische Schule, meinen Sie irgendein Politiker wäre zu uns gekommen und hätte gesagt 'legen sie doch mal bitte dieses Glaubensbekenntnis ab'? Es ist eine Diskriminierung. Das ist ein Unding. Zwei Schulen in der Stadt wurden verkauft, da wurden Wohnhäuser draus gemacht. Dieses Problem hat die Politik selbst verursacht."

Emotionen und klare Haltungen prägten auch die anschließende Ratsdiskussion, die immerhin beinahe eine Stunde in Anspruch nahm. "Ich glaube niemand der anwesenden Rats- und Verwaltungskollegen nimmt es Eltern übel, wenn sie an der Stelle auch sehr emotional unterwegs sind. Es geht heute nicht um Haushaltszahlen oder Pflastersteine, es geht um ein ganz wichtiges Thema: 'Wie stelle ich mir die Beschulung meiner Kinder in Zukunft vor. Da hat jeder eine andere Präferenz und andere Haltung", nimmt Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk die Eltern in Schutz. Er verteidigte auch seine Stellungnahme in der Goslarschen Zeitung, in der er den Verwaltungsentwurf als "nicht gut" bezeichnete: "Diese Sitzungsvorlage ist fachlich exzellent, und im übrigen genauso klug und durchdacht ist auch der Änderungsantrag mit der Außenstelle", so Junk. Er fügt hinzu: "Sie bildet nur bei einem so wichtigen Thema eine nicht hinreichend große Mehrheit ab. Das meine ich mit 'nicht gut'." Letztlich fiel die Mehrheit zwar weniger knapp aus als im Vorfeld befürchtet doch, so betont es Junk, gehe es um nichts anderes als den Frieden wiederherzustellen nach dieser "nicht immer kollegial und nicht immer fair geführten Debatte."

Renate Luksch (SPD)
Renate Luksch (SPD) Foto: Marvin König



"Ich mache das jetzt seit 25 Jahren und habe einige hitzige Diskussionen erlebt. Aber, das was jetzt hier passiert hatten wir noch nie in dieser Stadt."

- Renate Luksch, Ratsfrau (SPD)



Ratsfrau Renate Luksch sprengt in ihrem Beitrag die Redezeit, liefert aber auch den anwesenden Eltern einen sachlichen und nüchternen Überblick über das bisher Geschehene: "Am 10. Januar 2018 wurde das Raumproblem an der Schillerschule erstmals erörtert. Wir haben dann die erste Abfrage zum Bekenntnis an der Worthschule." Damals sprachen sich 95 Prozent der Erziehungsberechtigten für einen Erhalt des Glaubensbekenntnisses aus. Dieses eindeutige Votum der Erziehungsberechtigten machte eine Umwandlung in eine Schule aller Glaubensbekenntnisse unmöglich. Luksch fährt fort: "Dann gab es die Machbarkeitsstudie zur Prüfung des ehemaligen Stadtarchivs, was neben der Schillerschule liegt. Nur ist das ein Gebäude, das nicht uns gehört, das Hauptproblem ist aber viel mehr das Fehlen eines zweiten Rettungsweges." Auch eine zweite Machbarkeitsstudie für einen Anbau auf der Turnhalle lieferte keine weiteren Lösungsoptionen.

Luksch dankt auch den Schulleitungen, die der Verwaltung zugearbeitet haben und "Expertenwissen" zur Verfügung gestellt hätten. "Das haben sie in ihrer Freizeit gemacht, genau wie wir. Ich entschuldige mich bei den Schulleitungen für die Ratskollegen, die nicht zugehört haben, was da an Expertenwissen ausgetauscht wurde, die die Argumente einfach vom Tisch gewischt haben", merkt die Ratsfrau kritisch an.

Das Argument der längeren Schulwege nimmt Luksch nicht für voll und belegt ihre Meinung mit einem Beispiel. Schülerinnen und Schüler am Kattenberg, die an der Jürgenohlschule unterrichtet werden hätten, aufgrund der Länge des Schulweges Anspruch auf eine Schülerbeförderung. "Das sind über zwei Kilometer. Bis heute ist aber nicht ein Antrag eingegangen", erklärt Luksch und schlussfolgert: "Das ist also nicht der Untergang des Abendlandes."

Nachteile für die pädagogischen Konzepte


Detlef Vollheyde (Bürgerliste) stellt sich gegen den Verwaltungsentwurf. "Wir benötigen in der Stadt zwei Standorte mit einem konfessionsungebundenen Standort. Die steigende Anzahl der Schülerinnen und Schüler ist dafür ein guter Beleg", leitet Vollheyde ein. "Wir möchten nicht, dass die Worthschule, die völlig unbeteiligt am Ursprungsproblem ist, umziehen muss. Wir möchten, dass man sich mit den Belangen der Worthschule ebenso auseinandersetzt wie mit denen der Schillerschule." Die Worthschule könne ihr Modell der Tiergestützten Pädagogik am Standort Zehntstraße nicht mehr ausleben, argumentiert der Ratsherr. Auch müsste die bisherige Kooperation mit der Pestalozzischule aufgegeben werden. "Vieles ist aus dem Ruder gelaufen in letzter Zeit. Besonders aufgefallen ist mir, wie mit den Gedanken von uns, die sich Alternativen überlegen, umgegangen wird." Vollheyde zweifelt in diesem Zuge auch die Neutralität von Renate Luksch an, die ein konstruktives Einbringen der Bürgerliste in den Planungsprozess als Leiterin der Arbeitsgruppe Schulentwicklungsplanung "nicht zugelassen" hätte. Die Bürgerliste vertritt eine der drei Ratsfraktionen Grüne, CDU und Bürgerliste, die gemeinsam den Änderungsantrag für die Einrichtung einer Außenstelle einer Grundschule in Georgenberg vorgeschlagen hatten. Eine ungewöhnliche Kooperation der drei Fraktionen, die es so vorher auch noch nicht gegeben hat.

"Eins ist sicher, wir werden Unmut auf uns ziehen. Eine Ideallösung bei der alle 'Hurra' schreien wird es heute nicht geben."

- Sabine Seifarth, Ratsfrau (Die Grünen)



Niemand hat die Pestalozzischule gefragt, kritisiert Sabine Seifarth von den Grünen. Viel schlimmer wiege es, dass der prognostizierte Engpass bei den Schülerzahlen nur ein vorübergehendes Phänomen sei, und hier unumkehrbare Tatsachen nachhaltig geschaffen würden. Rüdiger Wohltmann (Die Linke) bezeichnet die gefundene Lösung als einen "schwer verdaulichen Kompromiss", dem eine "Schlammschlacht" vorausgegangen sei: "Es gab Gerüchte, dass Beziehungen eine Rolle spielen könnten, dann werden aus der Politik heraus noch Leserbriefschreiber angegangen. Das ist unter dem Niveau dessen, was wir hier zu entscheiden haben." Auch seine Fraktion hätte gerne an einem Standort in der Altstadt festgehalten, "aber wer sieht, dass acht Klassen in sieben Unterrichtsräumen ohne Fachräume agiert werden muss, stellt sehr schnell fest, dass an dieser Schule was verändert werden muss", so Wohltmann weiter. Er ist zuversichtlich, dass sich auch zwischen Schillerschule und Pestalozzischule pädagogisch gute Kooperationsmöglichkeiten ergeben werden.

Kritik am Oberbürgermeister


Abschließend äußert sich Urte Schwerdtner, Fraktionsvorsitzende der SPD, zur Diskussion: "Herr Vollheyde, es ist tendenziös, was sie heute getan haben. Frau Luksch hat aus meiner Sicht eine ausgewogene Sitzungsleitung praktiziert. Alle sind zu Wort gekommen", kritisiert sie den Bürgerliste-Ratsherren und ergänzt: "Schade, dass sie nach unserer Diskussion im Verwaltungsausschuss ihr unerhörtes Verhalten auch im Rat fortgesetzt haben." Auch Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk kritisiert sie: "Ich teile die Ansicht vieler Betroffener, dass man sich gewünscht hätte, dass der Hauptverwaltungsbeamte zumindest mal an einer der Sitzungen teilnimmt oder die betroffene Schule einmal aufsucht. Gespräche mit allen Beteiligten wären angesagt und ein echter Pflichttermin gewesen."

Mehr Einwohnerinnen und Einwohner als üblich fanden sich am heutigen Dienstag im Lindenhof ein. Viele von ihnen waren Eltern der vom Umzug betroffenen Kinder aus der Schillerschule oder der Worthschule.
Mehr Einwohnerinnen und Einwohner als üblich fanden sich am heutigen Dienstag im Lindenhof ein. Viele von ihnen waren Eltern der vom Umzug betroffenen Kinder aus der Schillerschule oder der Worthschule. Foto: Marvin König



Nach der folgenden Abstimmung kehrt Ruhe ein. Auch aus dem Kreis der Eltern, welche die Ratssitzung bis zum Ende verfolgt hatten, war dann auf dem Parkplatz auf dem Osterfeld Erleichterung zu vernehmen. "Gut, dass endlich ein Haken an der Sache ist", eine direkt angesprochene Betroffene meinte zwar, sie wolle eine neutrale Position einnehmen - sie sei aber zufrieden.


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