Umstrittene Dashcams: Bei Aufzeichnung drohen hohe Strafen

Beschwerden über unerlaubte Videoüberwachung nehmen zu. Im Bereich der Dashcams ist das Bild etwas differenzierter. Jedoch wiegen sich hier viele Verkehrsteilnehmer in falscher Sicherheit.

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Eine permanente, anlassunbezogene Aufzeichnung öffentlicher Straßen ist datenschutzrechtlich nicht zulässig. Die Beschwerden darüber häufen sich.
Eine permanente, anlassunbezogene Aufzeichnung öffentlicher Straßen ist datenschutzrechtlich nicht zulässig. Die Beschwerden darüber häufen sich. | Foto: Xingye Jiang / Unsplash

Wolfenbüttel/Niedersachsen. Die Beschwerden über Datenschutzverstöße im privaten Bereich steigen ständig an. Das sagte die niedersächsische Datenschutzbeauftragte Barbara Thiel bei einem Vortrag in der Lindenhalle in Wolfenbüttel am 14. Oktober.

"Augenblicklich nimmt die Zahl der Beschwerden über unerlaubte Videoüberwachung zu", schilderte sie aus der Praxis. "Wenn Sie zum
Beispiel eine Dashcam im Auto haben, kann ich Ihnen nur raten, die nicht dauerhaft laufen zu lassen." Im Gespräch mit regionalHeute.de schildert Philip Ossenkopp von der Landesdatenschutzbehörde, dass hier wohl auch ein Irrglaube über ein Urteil des Bundesgerichtshofes mitschuldig sein könnte.

Die Bürgerbeschwerden kletterten laut der Landesdatenschutzbeauftragten von 1.000 (2018) auf 2.500 im vorigen Jahr. Die Gründe liegen in zunehmenden Verstößen oder Pannen bei Firmen, aber auch in der wachsenden Sensibilität bei den Bürgern. Gerade im Falle der Dashcams verhält sich das laut Ossenkopp andersherum: "Da hatten wir in den vergangenen Jahren 2019/2020 auch einige gewerbliche Fälle. Das ist aber im laufenden Jahr 2021 so gar nicht mehr der Fall gewesen, da ist es eindeutig der private Gebrauch." Im Verhältnis steigt dort die Zahl der privaten Beschwerden deutlich, auch wenn die Gesamtzahl der Fälle sogar rückläufig ist. Eine gewerbliche Nutzung würde vorliegen, wenn ein Spediteur oder Transportunternehmer das Filmen über eine Dashcam in seinen Fahrzeugen anordnet. Bei der privaten Nutzung nutzen die LKW-Fahrer die Geräte selber - zu unterschiedlichen Zwecken: "Die LKW-Fahrer setzen eine Dashcam in die Windschutzscheibe, weil sie ihre Fahrt dokumentieren wollen, weil sie Verkehrsverstöße anderer Teilnehmer dokumentieren wollen oder tatsächlich sogar, weil sie ihre Fahrten streamen auf irgendwelche Interessensforen von LKW-Fahrern oder Menschen, die sich gerne die Landschaften in Europa anschauen."

DSGVO erlaubt hohe Strafen


Gemeldet bekomme die Landesdatenschutzbehörde diese Ereignisse dann in den meisten Fällen von der Polizei. "Das heißt, ein Streifenwagen oder ein Streifenpolizist hat wahrgenommen, dass eine Dashcam in einem Auto angebracht und montiert ist, die ziehen dieses Fahrzeug aus dem Verkehr, beschlagnahmen die Dashcam und leiten ein Strafverfahren ein. Und dieses Strafverfahren ist dann meistens bereits so ausermittelt, dass es bei uns direkt in die Bußgeldstelle geht." Fällig werden können dann gemäß der Datenschutzgrundverordnung Strafen in Höhe von bis zu 300.000 Euro.

Rechtlich ist es kompliziert


Rechtlich wird die Dashcam dabei laut Ossenkopp genau so behandelt, wie eine Kamera, die neben dem eigenen Grundstück auch das des Nachbarn und, beziehungsweise oder, die Öffentlichkeit filmt: "Die permanente und anlassunbezogene Aufzeichnung des öffentlichen Raumes ist untersagt und datenschutzrechtlich nicht zulässig." Dabei sei es unerheblich, ob die Aufnahmen veröffentlicht oder die Daten nur gespeichert werden. Doch was wären denn anlassbezogene Aufnahmen? Hier liefert unter anderem der ADAC eine eindeutige Antwort: "Anlassbezogen bedeutet dabei, dass Daten nur dann gespeichert werden, wenn es zum Beispiel zu einem Unfall kommt", das habe auch der Bundesgerichtshof festgestellt. Dafür gibt es Geräte, welche die eigenen Daten permanent überschreiben und nur ab dem Zeitpunkt einer starken Erschütterung aufzeichnen - inklusive der Minute davor. Der Bundesgerichtshof hat allerdings in einem Urteil auch die Verwertbarkeit von "anlassunbezogenen" Aufnahmen vor Gericht bestätigt. Ein Fallstrick, wie Ossenkopp betont.

"Es ist häufig ein Irrglaube im Umlauf", so Ossenkopp, "dass der Bundesgerichtshof den Einsatz von Dashcams erlaubt habe. "Ganz im Gegenteil hat der BGH in seinem Urteil nochmal darauf hingewiesen, dass der Dashcam-Einsatz unzulässig ist. Das wird nur immer hin und wieder im allgemeinen gesellschaftlichen Gespräch umgedeutet oder fehlinterpretiert." Das heißt, eine datenschutzwidrig aufgenommene Videosequenz kann zwar, wenn vorhanden, verwendet werden, sollte aber eigentlich gar nicht existieren.

"Wahlloses Sammeln von Beweismitteln"


Der ADAC begrüßt in einer Stellungnahme, dass der Bundesgerichtshof zumindest kurze, anlassbezogene Aufnahmen von Unfällen zur Klärung der Schuldfrage bei Gerichtsverfahren für verwertbar hält. "Das Aufklärungsinteresse an der hierfür gespeicherten kurzen Filmsequenz sollte dabei stärker wiegen als der Datenschutz Dritter. Der Datenschutz überwiegt nach Ansicht der ADAC Juristen jedoch, wenn es nur darum geht, wahllos Beweismittel zu sammeln, um als Hilfssheriff die Verkehrsverstöße anderer anzuzeigen. Derartige Aufnahmen sollten daher verboten bleiben", so der ADAC abschließend.


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