Kita-Streik – zwischen Verzweiflung und Kampfgeist

von Robert Braumann


Wie geht es weiter im Kita-Streik? Bis nächste Woche läuft die Schlichtung. Foto: Jan Borner
Wie geht es weiter im Kita-Streik? Bis nächste Woche läuft die Schlichtung. Foto: Jan Borner | Foto: Jan Borner)



Braunschweig. Die Gewerkschaft ver.di lud zur Diskussion mit der lokalen Politik über die Forderungen der Erzieherinnen und Sozialarbeiter ein. Die im Arbeitskampf befindlichen Kolleginnen und Kollegen (der Streik ist nur ausgesetzt) trafen auf die kommunale Politik. Ein Abend der einen Einblick in das Seelenleben der Mitarbeiter brachte und zeigte, dass die Kommunalpolitiker in manchen Punkten wohl wenig Handlungsspielraum besitzen.

Einige Vertreter der Ratsfraktionen waren in das Gewerkschaftshaus in der Wilhelmstraße 5 gekommen. Klaus Wendroth (CDU), Annette Schütze (SPD), Udo Sommerfeld (Linke) und Elke Flake (Grüne) waren vor Ort. Peter Rosenbaum (BIBS) und Claudia Jonda (Piraten) hatten sich kurzfristige krank gemeldet. Frank Ahrens, Gewerkschaftssekretär ver.di, eröffnete den Abend und stellte fest, dass man mit dem Streik eine gesellschaftliche Debatte losgetreten hätte.

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Frank Ahrens, Elke Flake, Klaus Wendroth, Annette Schütze und Udo Sommerfeld diskutierten (von links). Foto: Robert Braumann



Die Fragen, die auf dem Tisch liegen würden wären zum Beispiel: "Was sind Kinder und Familien einem Land wie Deutschland wert? Was sind diejenigen wert, die im Sozial- und Erziehungsdienst arbeiten?" Alles Fragen, die laut ihm schon seit einiger Zeit brodeln würden. Jetzt müsste beantwortet werden, was es der Gesellschaft wert wäre, dass diese Arbeit geleistet wird? Den Ratsmitgliedern wurden verschiedene Fragen gestellt. Zum Beispiel: Wie stehen Sie zur Aufwertung aller Berufe im Sozial- und Erziehungsdienst? Was soll Ihrer Meinung nach mit dem Geld passieren, dass die Stadt Braunschweig durch den Streik eingespart hat (ein zirka mittlerer sechsstelliger Bereich)?

Kommune nur bedingt handlungsfähig


Elke Flake, Klaus Wendroth, Udo Sommerfeld und Anette Schütze waren sich einig, dass die Berufe Im Sozial- und Erziehungsdienst aufgewertet werden sollten. Sie gaben aber zu bedenken, dass die Kommune nur bedingt handlungsfähig wäre, die Verhandlungen nicht selbst führen würde und die Finanzierung über den Bund erfolgen müsse. Zudem müsse man bei den einzelnen Berufsgruppen differenzieren. Elke Flake sagte: "Ich bin seit vielen Jahren Vorsitzende im Jugendhilfeausschuss, sie rennen mit einem Großteil der Forderungen bei mir offene Türen ein. Die Zunahme der Aufgaben hat sich zugespitzt und ich weiß wie wichtig die Arbeit der Erzieher ist." Klaus Wendroth ergänzte:

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Rund 60 Gäste waren in das Gewerkschaftshaus gekommen. Foto: Robert Braumann



"Die Forderungen werden nicht in Zweifel gezogen." Mit den finanziellen Mitteln, die die Stadt zur Verfügung hat, könnte die Aufwertungen aber nicht bezahlt werden. Annette Schütze sagte: "Wertschätzung muss auch über den Lohn ausgeglichen werden. Da muss der Bund etwas tun, muss diese Forderungen erfüllen. Auch die Stellung der Berufe in der Gesellschaft muss sich verbessern." Die Arbeit sei essentiell und das müsse auch anerkannt werden. Auch sie wäre nicht mit allen Entscheidungen auf Bundesebene einverstanden.

Befristete Arbeitsverhältnisse abbauen


Udo Sommerfeld kritisierte zudem die vielen befristeten Einstellungsverhältnisse. Alleine in Braunschweig würden 20 Prozent in solch unsicheren Verhältnissen arbeiten. Die Forderungen nach einer Aufwertung wären richtig und wichtig. Auch bei der Ausbildung müsse nachgebessert werden, auch dort wäre die Bezahlung zu schlecht und die Belastung zu hoch. Die Linken haben die Idee, zusammen mit der Stadt und den Wohlfahrstverbänden einen Pool zu schaffen. Über diesen könnten Gelder fließen, um befristete Stellen abzuschaffen. Einigkeit zwischen den Ratsmitglieder bestand darüber, dass man in Zukunft Erst- und Zweitkräfte nicht mehr unterschiedlich bezahlen solle.

"Arbeit ist viel härter geworden"


Heike Schildhauer, Kita Rühme, ergriff das Wort und schilderte eindrucksvoll die Problematik in der Branche. Sie würde den Beruf seit über 20 Jahren mit Leidenschaft ausüben, doch die Arbeit wäre immer härter. "Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Politiker nicht mit der Problematik vertraut sind. 2003 gab es eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, dann kam der Krippenausbau dazu. Die Qualität der Kollegen ist gut. Doch die Ausstattung des Personals ist mangelhaft,

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Auch die Mitarbeiter kamen zu Wort. Foto: Robert Braumann



wir sind ständig unterbesetzt. Ich habe oft keine zwei Mitarbeiter, um eine Gruppe zu betreuen, obwohl das vorgeschrieben ist. Manchmal ist man da wirklich hilflos, das ist nicht allein mein Problem. Immer mehr Kollegen scheiden aus, werden krank und halten die Belastung nicht mehr aus. Ich könnte manchmal heulen, wenn ich das alles sehe, ich wünsche mir eine Aufwertung."

Elke Flake antworte ihr: "Mir sind alle diese Probleme bekannt, ich weiß das ja dummerweise alles. Ich kenne die Probleme, die gerade 2003 entstanden sind. Das hat enorme Verschlechterungen gegeben. Es hat auch Verschlechterungen in der Bezahlungen gegeben." Sie versprach weiter dran zu bleiben und für Veränderungen zu kämpfen. Das wäre auf der kommunalen Ebenen jedoch nicht immer leicht. Sie könne auch nicht mit dem Finger schnipsen und alles wäre so, wie sie es sich vorstellt. "Den letzten beißen die Hunde, die Kommune ist der letzte Ort wo hautnah Politik gemacht wird. Doch die Ausstattung ist selten ausreichend", so Flake.

Geld soll im Jugendbereich bleiben


Blieb die Frage, was mit dem gesparten Geld passieren soll? Auch hier war man sich einig, dass man das Geld im Jugendbereich einsetzen wolle. Wie genau, das müsste aber noch besprochen werden. Udo Sommerfeld sagte, er könne sich gut vorstellen, einen Antrag zu dieser Thematik einzubringen.Klaus Wendroth gab zu bedenken, dass es einen hohen finanziellen Aufwand für die Stadt bedeuten würde, sollte die Schlichtung Erfolg haben. Vielleicht müsse ein Teil des Geldes dann auch für die Anpassung der Gehälter verbraucht werden.

"Es wird langsam Zeit zu handeln"


Auch Angelika Schwarz, AWO, Vorsitzende des Unternehmensbetriebsrates, meldete sich aus dem Publikum zu Wort und sagte: "Wir reden ganz viel und ganz lange, es wird langsam Zeit zu handeln. Geht mit uns in die erste Reihe und setzt euch zusammen mit uns ein." Damit sprach sie vielen Gästen aus der Seele und erntete viel Applaus. Die Schlichtung geht noch bis zum 23. Juni. Frank Ahrens sagte: "Unsere Türen sind immer offen und wir sind zu weiteren Diskussionen bereit." Der Abend habe an einigen Stellen gezeigt, dass man an einigen Punkten ähnlich denken würde. Jetzt müsste ein vernünftiges Angebot vorgelegt werden. Klein beigeben werde man in dieser Sache nicht, es wäre endlich an der Zeit die Berufe aufzuwerten.


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