Rat zu Kinderbetreuung: Entgeltfreier Kindergarten laut OB nicht dauerhaft zu halten

von Christina Balder




Braunschweig. Dritte Kraft in Krippen, Schulkindbetreuung, Gebühren: Es gibt wohl keine Kommune, bei der das Thema Kinderbetreuung nicht dauerhaft auf der Agenda steht. Auch in Braunschweig haben sich die Ratsmitglieder gestern wieder damit beschäftigt und dabei die ganz Kleinen und die Größeren im Fokus gehabt. Beschlossen wurde, dass im Bereich der Schulkindbetreuung stärker nachgearbeitet werden soll als bisher geplant. Oberbürgermeister Gert Hoffmann kündigte an, die Beitragsfreiheit sei bei niedrigeren Steuereinnahmen nicht dauerhaft zu halten. 

Auf eine Anfrage der Linken, ob es geplant sei, wieder Gebühren für Kindergartenplätze einzuführen, sagte Hoffmann: "Wir können zu einem Zeitpunkt, wo die Stadt viel einnimmt, die Beitragsfreiheit nicht zurücknehmen." Wenn die Steuereinnahmen allerdings geringer ausfallen, sei dieses Angebot nicht mehr zu leisten. Denn Braunschweig nimmt in der Region und bundesweit damit eine Sonderrolle ein.  "In Deutschland gibt es nur noch Kommunen in Rheinland-Pfalz, die sich das leisten - und da erstattet es das Land", sagte Hoffmann.  Das sei in Niedersachsen nicht der Fall. Auch die Städte im Umland, selbst die wohlhabenden, leisteten sich ein derart teures Angebot nicht. Beides, die Kostenübernahme  durch das Land und ein ähnliches Verhalten umliegender Kommunen, seien Voraussetzungen gewesen, die nun nicht erfüllt seien. Allerdings hätten die Braunschweiger Eltern in Umfragen sehr klug und verständnisvoll auf diese Frage reagiert.

Für neue Krippenangebote ist noch Geld übrig: Beim Ausbau der U3-Plätze auf 40 Prozent bis 2014 sind noch knapp 900.000 Euro übrig, die nun in Anpassungen von Krippengruppen gesteckt werden. Städtische Mittel fördern auch längere Betreuungszeiten in 23 Gruppen. Zwei weitere Familienzentren werden geschaffen, auch der Schulkindbetreuung nimmt die Stadt sich an.

Ganztagsschule: Mehr Plätze müssen her


Fraktionsübergreifend war man sich einig, dass die Ganztagsschule noch deutlichen Ausbaubedarf hat. "Es gibt landesweit 1600 Ganztagsschulen", sagte der SPD-Ratsherr Christoph Bratmann. Das sei zwar über die letzten zehn Jahre eine rasante Entwicklung gewesen, aber dennoch kein Ruhmesblatt im internationalen Vergleich. Er warb für den Dialog mit Schulleitungen, die selbst aktiv werden müssten. Die Linke Gisela Ohnesorge forderte, das Land müsse stärker in die Pflicht genommen werden, was die Finanzierung angeht.

Elke Flake von den Grünen nannte die Schulkindbetreuung ein "brennendes Thema". Schon im Kindergarten bräuchten mehr als 40 Prozent der Kinder einen Platz nach 13 Uhr. "Wir müssen davon ausgehen, dass es den Bedarf dann auch bei Schulkindern gibt." Das Ziel müsse sein, mindestens 1300 Betreuungsplätze in den kommenden Jahren zu schaffen. Um den Bedarf zu decken, brauche man 22 Schulen. "Wenn wir im aktuellen Tempo weitermachen, brauchen wir dafür 25 Jahre", rechnete Flake vor. "Das ist absurd!" Der Trend zur Ganztagsschule sei so groß, dass irgendwann das Land eine Quote fordern werde. "Und dann kommt der Investitionsdruck, und provisorische Lösungen sind teuer." Der neue Oberbürgermeister müsse sich des Themas annehmen; der Ganztagsschulausbau müsse im nächsten Haushalt Vorrang haben.

Dritte Kraft: Geld kommt vom Land, Bewerber fehlen


Nach dem massenhaften Ausbau von Krippenplätzen ist außerdem die Qualität derselben nun ein Thema. Die Linke wollte in einer Anfrage wissen, ab wann die sogenannte "dritte Kraft" flächendeckend in allen Kindertagesstätten eingeführt sein könnte und was das kostet. Nur für eine dritte Kraft in Ganztagsgruppen von Krippen und Kindergärten rechnet Oberbürgermeister Hoffmann laut seiner Antwort mit 8,5 Millionen Euro pro Jahr, wobei die Halbtagsgruppen und Tariferhöhungen noch nicht mit einbezogen seien.

Seit gestern Abend ist nun Unterstützung vom Land in Sicht. Bund und Länder haben sich auf zusätzliche Mittel für Bildung geeinigt, die Niedersachsen in die Kinderbetreuung stecken will. Der Braunschweiger SPD-Landtagsabgeordnete Dr. Christos Pantazis kündigte am Dienstag in einer Pressemitteilung an, mit Hilfe dieser Mittel könne der Personalschlüssel bereits im nächsten Jahr deutlich verbessert und die dritte Kraft in Krippen ab 2015 finanziert werden. Der bildungspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Björn Försterling, kritisiert in einer Pressemitteilung den Betrag allerdings als zu niedrig. "Der Kompromiss bringt weniger als 130 Millionen Euro für 2015 in die Landeskasse", schreibt der Wolfenbütteler Abgeordnete.

Ein anderes Problem streifte Gert Hoffmann im Rat nur in einem Nebensatz: unabhängig von der Finanzierung seien für einen flächendeckenden Ausbau ohnehin nicht genügend geeignete Bewerber vorhanden.

Miriam Fischer, stellvertretende Leiterin der Kita Höfenstraße, kann das aus ihrem beruflichen Umfeld bestätigen. "Wir sind gut aufgestellt, aber andere Tagesstätten haben echte Schwierigkeiten, jemand Qualifiziertes zu finden", sagt sie. Sie drängt aber dennoch auf die dritte Kraft. "Es ist eigentlich nicht zu leisten, 15 Krippenkinder mit zwei Personen zu betreuen."


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