Nach brutalen Überfällen in Salzgitter - Opfern steht eine schwere Zeit bevor

Die Polizei steht noch am Anfang der Ermittlungen. Doch was müssen die Opfer durchmachen? regionalHeute.de hat bei einem Experten nachgefragt.

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Laut eines Experten des Opferschutzverbandes "Weißer Ring" falle es Opfern von Gewalttaten schwer, zurück ins Leben zu finden.
Laut eines Experten des Opferschutzverbandes "Weißer Ring" falle es Opfern von Gewalttaten schwer, zurück ins Leben zu finden. | Foto: Pixabay

Salzgitter. Am Montag vergangener Woche ereigneten sich in Salzgitter-Lebenstedt gleich zwei brutale Überfälle, bei denen ein bewaffneter Täter seine Opfer mit einer Waffe bedrohte. Eine Netto-Kassiererin wurde von ihm ins Gesicht geschlagen und verletzt, er entwendete Bargeld aus der Kasse. Eine weitere Frau bedrohte er auf dem REWE-Parkplatz in ihrem Auto und entwendete ihre Handtasche. Zeugenhinweise seien bei der Polizei bis dato nicht eingegangen. Den Opfern dieser Gewalttaten steht aller Wahrscheinlichkeit nach einer langer Weg bevor, wie der Opferschutzverband "Weisser Ring" betont.


Bisher seien keine Zeugenhinweise aus der Bevölkerung eingegangen. Die Vernehmungen laufen jedoch und man prüfe, ob die Veröffentlichung eines Phantombildes erforderlich sein könnte, so der Polizeisprecher Matthias Pintak auf Anfrage von regionalHeute.de. Zu der Verfügbarkeit von Videoaufzeichnungen könne man noch keine endgültigen Angaben machen: "Die Polizei prüft, ob die Tat durch eine Videoaufzeichnung dokumentiert wurde. Hierzu laufen die polizeilichen Ermittlungen." Gegenstand dieser Ermittlungen sei derzeit auch die Frage, ob es sich um den gleichen Täter handele. Die Personenbeschreibungen liefern keine kongruenten Details.

Opfer in Todesangst


Unabhängig von den laufenden Ermittlungen stehe den Opfern des noch Unbekannten Täters noch eine schwere Zeit bevor. Dieser Überzeugung ist Markus Müller, Leiter der Salzgitteraner Außenstelle des Opferschutzverbandes "Weisser Ring".

"Mit ganz wenigen Ausnahmen leiden Überfall-Opfer noch sehr lange nach der Tat."

- Markus Müller (Weisser Ring Salzgitter)



Gerade bei der Bedrohung mit Waffen oder gar dem Einsatz von Waffen unterschiedlichster Art gerieten Opfer sehr oft in Todesangst, "die sie nicht nur während des Tatgeschehens nahezu lähmt", so Müller. Ohne fremde Hilfe lasse sich das geschehene nur schwerlich verarbeiten. "Es kann sich dadurch auf Dauer in der Psyche verfestigen und zu posttraumatischen Störungen kommen." Hierzu gehören Schlafstörungen, Schweißausbrüche, Geräusch-Überempfindlichkeit, Schreckhaftigkeit und große Angst, dem Täter wieder zu begegnen. Müller erläutert: "Gelegentlich möchten sie ihre Wohnung am liebsten „zur Festung“ ausbauen; so wie nach einem Einbruchdiebstahl."

Gespräche mit den Liebsten


Eine gefestigte Beziehung, ein "emotionales Zuhause", dem man sich anvertrauen kann um das erlebte "von der Seele" zu reden sei für die Betroffenen eine große Erleichterung. Sollten die genannten Symptome nach den Gesprächen mit den Liebsten nach 14 Tagen oder länger noch immer auftreten, sei ärztliche Hilfe unumgänglich. Schlimmer treffe es jene, die keine emotionale Bezugsperson haben. Diesen stünden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des "Weissen Ringes" zur Seite. "Sie sind kompetente Ansprechpartner und werden 'aktiv Zuhören'. Gemeinsam wird man Schritte auf dem Weg der Hilfe zur Selbsthilfe suchen", versichert Müller und ergänzt: "Auf Wunsch begleiten die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Terminen bei der Polizei, zum Gericht, zur Hauptverhandlung oder zu anderen Behörden." Die Hilfe sei vertraulich und kostenlos. Nicht zuletzt seien finanzielle Unterstützungen zur Überbrückung tatbedingter Notlagen bei Bedürftigkeit realisierbar.

Einigeln ist keine Alternative


Dem Druck, sich dauerhaft zurückzuziehen nachzugeben sei aus Sicht des Experten keine Alternative: "Unkalkulierbare Risiken sollte man natürlich stets vermeiden. Ein gewisses „Restrisiko“ gehört zum Leben aber auch ganz einfach dazu. Sonst leidet die Lebensqualität enorm." Müller gibt jedoch zu bedenken, dass man selbst sogenannte "Opfersignale" aussenden kann. Beispielhaft nennt der Opferschützer das Wechseln der Gehwegseite, um direkten Kontakt - beispielsweise mit einer Gruppe Jugendlicher - zu vermeiden. "Damit wächst die Wahrscheinlichkeit signifikant, wieder Opfer zu werden", erklärt Müller. Wer zu solch einem Verhalten neige, sollte einen Selbstbehauptungs- oder Selbstverteidigungskurs besuchen. "Das steigert das Selbstbewusstsein, das Selbstwertgefühl und die Präsenz der eigenen Person."

Wie können Opfer Hilfe erhalten?


Nahezu alle Betroffenen eine die Furcht vor einem weiteren Überfall am Arbeitsplatz. "Dies kann zur tageszeitlichen Beschränkung der Arbeit, zum Wechsel innerhalb des Betriebes, zum Berufswechsel und sogar bis hin zur völligen Berufsunfähigkeit führen", schildert Müller. Damit es nicht so weit kommt, biete der Weisse Ring individuelle Hilfe an. "Das fängt beim menschlichen Beistand nach der Straftat an. Bei einem Erstgespräch, dessen Länge und dessen Ort das Opfer selbst bestimmt, kann das Opfer vertraulich alles schildern, was er oder sie erlebt hat und welche Ängste und Folgen sich aus der Tat bislang ergeben haben. Die Betreuung geht weiter mit der Beratung über Hilfsangebote bei entstandenen materiellen, physischen und psychischen Schäden oder noch zu befürchtenden Folgeschäden", erläutert der Experte die Arbeit seiner Organisation.

In Salzgitter sei der "Weisse Ring" über die E-Mail-Adresse: weisser-ring.salzgitter@t-online.de, sowie über die Rufnummer 0151 / 55 16 47 86 erreichbar. Die Hilfe sei vertraulich und kostenlos und nicht an eine Mitgliedschaft gebunden. Über die Homepage finden sich weitere Informationen zu den Leistungen des gemeinnützigen Vereins.





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