Winterdienst-Desaster im Frühjahr: Sind wir diesmal vorbereitet?

Bei derartigen Extremwetterereignissen wie im Februar 2021 könne man nicht überall sein, so der Tenor aus den meisten Städten.

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Selbst Räumfahrzeuge mussten im Februar aufgegeben werden. Es war zu viel in zu kurzer Zeit.
Selbst Räumfahrzeuge mussten im Februar aufgegeben werden. Es war zu viel in zu kurzer Zeit. | Foto: Rudolf Karliczek

Region. Im Februar 2021 wurde die Region von einer Extremwetterlage mit massivem Schneefall heimgesucht. Auf den Straßen und Schienen ging tagelang nichts mehr. In den sozialen Medien mehrte sich die Kritik an den offenbar unvorbereiteten Winterdiensten, die teilweise sogar von THW und Feuerwehr, sowie von Privatleuten mit Traktoren und Kippern unterstützt werden mussten. Hätte man etwas besser machen können?


In den Städten und Kreisen gehen die Meinungen auseinander. Einige beschreiben den Februar 2021 als einmaliges Extremereignis, andere haben ihren Winterdienst für die kommende Schneesaison angepasst.

Mit bis zu 70 Zentimeter Schnee war Goslar in der Region mit Abstand am stärksten von den Schneemassen betroffen. Wie Stadtsprecherin Vanessa Nöhr es formuliert, sehe man sich bei "regulärem Winterwetter" gut aufgestellt. Der Extremschneefall sei eine "Ausnahmesituation" gewesen. Wie aus einer Antwort der Verwaltung auf eine Anfrage der SPD hervorgeht, hätte auch mehr Personal wohl nichts genützt: "Das Wetterereignis vom 6. bis 9.Februar war von starken Schneeverwehungen gekennzeichnet, das die laufenden Räum- und Streuarbeiten innerhalb kürzester Zeit wirkungslos machte, da neben der niederschlagsbedingten Schneeauflage auch die Verwehungen von benachbarten Flächen und Hausdächern aufgetragen wurden. Ohne diese Windeinwirkung wäre die Schneeauflage auf den Verkehrsflächen durch den fortwährenden Räum- und Streueinsatz auf ein sicher befahrbares Maß reduziert geblieben."


Vielfach nutzbare Fahrzeuge könnten helfen


Insbesondere in den Nebenstraßen hätte man nicht nur wegen der beengten Verhältnissen in der Altstadt, sondern auch wegen parkender Autos keine Chance gehabt, mit großem Gerät durchzukommen. Doch was hat man nun gelernt? "Eine auf das zurückliegende Wetterereignis ausgelegte technische Ausstattung ist unseres Erachtens wirtschaftlich nicht darstellbar", antwortet die Verwaltung kurz und knapp und verweist auf wartungsintensives Spezialgerät, das am Ende nur selten genutzt würde. Aber: "Es hat sich gezeigt, dass die Verbesserung der operativen Handlungsmöglichkeiten durch zusätzliche, ganzjährig verwendbare Fördergeräte, wie Radlader, Mobilbagger, Schlepper und LKW erfolgen sollte." Weiterhin habe man jetzt eine Kontaktliste von Betrieben und Privatpersonen, die man im Falle einer erneuten Schneekrise kurzfristig kontaktieren könne.

Eingeschneite Autos in Goslar - Die Schneeverwehungen sind hier gut zu erkennen.
Eingeschneite Autos in Goslar - Die Schneeverwehungen sind hier gut zu erkennen. Foto: Marvin König



Das hat die Stadt Goslar zur Verfügung


Je nach Witterung sind in Goslar bis zu 53 Mitarbeiter des Betriebshofes mit bis zu sechs großen Räumfahrzeugen, sechs Traktoren, fünf Multifunktionsfahrzeugen und fünf Transportern im Einsatz. Sie treten ihren Dienst mitunter um 4 Uhr morgens an, damit die Hauptstraßen bis 7 Uhr geräumt sind. Die Firma Eurawasser unterstützt den städtischen Winterdienst im Bereich von Bushaltestellen, Radwegen, Brücken, Einmündungen, Überschreitungshilfen und Kreuzungen. Rund 350 Tonnen Salz und 150 Tonnen Streusplitt liegen bereit.


Braunschweig sieht wenig Probleme


In Braunschweig ist hauptsächlich die ALBA für den Winterdienst zuständig. Die Stadt Braunschweig sieht aber trotz aller Kritik wenig Verbesserungspotenzial. Auf die Frage, welche Lehren man aus dem Wetterereignis gezogen habe, antwortet Stadtsprecherin Juliane Meinecke: "Dass solche extremen Witterungsbedingungen durchaus zu bewältigen sind, wenn man wie die Stadt Braunschweig mit ihren Winterdienstakteuren im Konzern Stadt und den beauftragten Dienstleistern gut koordiniert ist." Braunschweig hatte allerdings auch nur mit bis zu 40 Zentimeter Schnee zu kämpfen. Optimierungspotenziale gebe es aus Sicht der Stadt bei Bushaltebuchten: "Um hier zu weiteren Verbesserungen zu kommen, wurden zwischen den Beteiligten entsprechende Abstimmungsgespräche geführt."

Ein LKW auf der Auffahrt von der B6 zur A39 in Fahrtrichtung Braunschweig hängt im Schnee fest.
Ein LKW auf der Auffahrt von der B6 zur A39 in Fahrtrichtung Braunschweig hängt im Schnee fest. Foto: Phil-Kevin Lux





Das hat die Stadt Braunschweig zur Verfügung


In diesem Jahr geht die Stadt Braunschweig mit einem Personalaufgebot von 200 Beschäftigten für Winterdiensteinsätze an den Start. Zudem habe die ALBA mehrere tausend Tonnen Salz bevorratet. Festkontingente an Fahrzeugen nennt die Stadt jedoch nicht: "Abhängig ist die Personenzahl sowie die Anzahl der bereitgestellten Fahrzeuge und Arbeitsmaschinen von den vertraglich geschuldeten Leistungen der externen Winterdienstleister." Das seien beispielsweise Zeitvorgaben für die Räumung der Hauptverkehrsstraßen, sowie von den Vorgaben der Straßenreinigungsverordnung. Sie setzt zum Beispiel für die Räumung von Gehwegen an Werktagen und gegebenenfalls das Abstreuen gegen Glätte bis 7 Uhr fest. Hinzu kommen zusätzliche Rahmenbedingungen wie die Einhaltung von Ruhezeiten, abgeleitet aus dem Arbeitszeitgesetz.


Peine: "Naturereignisse nicht zu jeder Zeit beherrschbar"


Die Stadt Peine stellt sich auf die Frage nach Verbesserungen infolge der Kritik an den Winterdiensten schützend vor ihr Personal. Stadtsprecherin Petra Neumann sagt: "In sozialen Netzwerken gab es einige kritische Kommentare, allerdings durchaus auch Anerkennung und Lob für die Kolleginnen und Kollegen der Städtischen Betriebe, die in solchen Phasen im Schichtdienst quasi rund um die Uhr im Einsatz waren. Es wird von Bürgerinnen und Bürgern durchaus gesehen, dass extreme Wetterlagen und Naturereignisse nicht immer und zu jeder Zeit vollständig beherrschbar sind." Grundsätzlich werde rechtzeitig vor jedem Winter der städtische Maschinen- und Fuhrpark für den Winterdienst aufgerüstet und steht auch in diesem Jahr schon seit geraumer Zeit parat, wenn die ersten Nachtfröste oder Schneegebiete heranziehen. "Dennoch wurden natürlich organisatorische Vorbereitungen getroffen, um im Rahmen des Möglichen die öffentliche Sicherheit und die Mobilität im bevorstehenden Winter zu gewährleisten", ergänzt Neumann.

Kräne können bei der Schneemenge nicht eingesetzt werden und Räumfahrzeuge sind nicht verfügbar - Dieser LKW wurde nach einem Unfall während der Schneekatastrophe im Februar vorerst aufgegeben.
Kräne können bei der Schneemenge nicht eingesetzt werden und Räumfahrzeuge sind nicht verfügbar - Dieser LKW wurde nach einem Unfall während der Schneekatastrophe im Februar vorerst aufgegeben. Foto: aktuell24




Stadt bittet um Verständnis


Mit dem städtischen Räumkonzept seien normale Winterlagen "normalerweise" gut beherrschbar. "Allerdings gibt es Extremsituationen, wie im letzten Februar, die für einige Stunden oder gar Tage mal den Verkehr und das öffentliche Leben beeinträchtigen können. In solchen Sondersituationen möchten bittet die Stadt Peine die Bürgerinnen und Bürger um Verständnis und um ein wenig Geduld dafür, dass unsere Einsatzkräfte bei allem Engagement nicht alle neuralgischen Punkte zu jeder Zeit perfekt beherrschen können."

Das hat die Stadt Peine zur Verfügung


400 Tonnen Streusalz und 150 Tonnen Sand-Salz-Gemisch wurden in Peine bereits einlagert, um kurzfristig auf einen Wintereinbruch reagieren zu können. "Seit dem letzten Jahr stellen wir mit einem Soleerzeuger unser eigenes Feuchtsalz her. Mit dem Feuchtsalz wird beispielsweise das Trockensalz angefeuchtet, damit es auf der Straße haften bleibt und nicht weggeweht oder weggefahren wird", ergänzt Neumann. Rund 80 Mitarbeitende leisten in den Monaten November bis März Winterdienstbereitschaft. Jeweils 20 Mitarbeitende gehören zu einem Team, welches abwechselnd im Früh- und Spätdienst für Sicherheit auf Peines Straßen sorgt.



"Stellt der Bereitschaftsführer bei seinen nächtlichen Kontrollfahrten, Schneefall oder Glätte fest, dann werden die anderen Kolleginnen und Kollegen per Handy angerufen", erklärt Neumann und fährt fort: Um 3 Uhr können dann drei Großfahrzeuge mit ihren modernen Streuautomaten beginnen, zunächst die Straßenzüge mit der Dringlichkeitsstufe 1, dies sind rund 200 Kilometer (Hauptverkehrsstraßen und gefährliche Strecken, zum Beispiel Brücken), zu räumen oder zu streuen. Weiterhin starten dann auch vier Kleinschlepper, die die Aufgabe haben, Radwege, die Fußgängerzone und auch die Gehwege vor den städtischen Grundstücken verkehrssicher zu machen. So ist das Meiste schon erledigt, wenn die Verkehrsteilnehmenden zur Arbeit starten und somit teilweise gar nicht wahrnehmen, dass Glätte vorhanden war und diese bereits beseitigt wurde. Natürlich erbringen die Kolleginnen und Kollegen diese Leistungen auch am Wochenende und auch an Feiertagen." Mit dem normalen Dienstbeginn können dann zusätzliche Mitarbeitende der Städtischen Betriebe zur Unterstützung herangezogen werden. Bushaltestelle und Fußgängerüberwege sind dann Schwerpunkte für die sogenannten Handkolonnen. "Weitere Unterstützung können die Städtischen Betriebe von mehreren Landwirten des Maschinenrings anfordern. Wenn die Schneehöhe über zwölf Zentimeter steigt, dann räumen Landwirte, mit denen die Stadt eine Vereinbarung getroffen hat, auch in den Ortschaften die dortigen Nebenstraßen", so Neumann abschließend.

Salzgitter: "Einen vollumfänglichen Schutz kann niemand geben."


Die städtischen Regiebetriebe (SRB) in Salzgitter sehen sich gut für den anstehenden Winter gerüstet. "Aufgrund der klimatischen Veränderungen ist jedoch auch weiterhin mit Extremwetterlagen zu rechnen. Eine 100-prozentige Vorhersage der jeweiligen Wetterverhältnisse und einen daraus resultierenden vollumfänglichen Schutz vor deren Folgen kann niemand geben. Mit Einschränkungen und Widrigkeiten bei Extremwetterverhältnissen muss jeder von uns daher in Zukunft rechnen", hebt Stadtsprecher Dr. Martin Neumann hervor. Man halte weiterhin an der bisherigen Priorisierung der Straßen, sowie am Personalbestand und Fahrzeugfuhrpark fest. Verbesserungsmöglichkeiten sehe man nicht.

Auch Schneeräumfahrzeuge haben sich im Februar festgefahren. Die Stadt setzte dann große Radlader ein.
Auch Schneeräumfahrzeuge haben sich im Februar festgefahren. Die Stadt setzte dann große Radlader ein. Foto: Rudolf Karliczek



Das hat die Stadt Salzgitter zur Verfügung


Der SRB hält zirka 1.100 Tonnen Streusalz in den Salzhallen auf den Bauhöfen in Salzgitter-Bad und Salzgitter-Lebenstedt bereit. Zusätzlich lagern auf den Betriebshöfen noch 50.000 Liter Sole und 150 Tonnen Split. In die Winterdienstrufbereitschaft sind 40 Kraftfahrer eingebunden. Zusätzlich führen etwa 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unterschiedlichen Bereichen, wie beispielsweise Fußgängerüberwegen, Garten- und Parkwegen, Innenstädten und Friedhöfen manuelle Winterdienstarbeiten durch. Im Winterdienst werden zehn Großfahrzeuge und zehn kleinere Winterdienstfahrzeuge, die alle mit Schneepflug und Streuer ausgestattet sind, eingesetzt. "Für die im Winterdienst eingesetzten Mitarbeiter wird jährlich ein entsprechender Winterdienstplan erarbeitet, der die notwendigen Einsatzzeiten und Rufbereitschaften enthält. Zur Sicherung der Einsatzfähigkeit des Winterdienstes wurde mit dem zuständigen Personalrat eine Dienstvereinbarung abgeschlossen, die Ausnahmen von der Höchstarbeitszeit und der Mindestruhezeit zulässt", erklärt Neumann ergänzend.

Wolfenbüttel: "Es gab schlichtweg zu viel Schnee in zu kurzer Zeit"


Als "Herausforderung für alle" bezeichnet Wolfenbüttels Stadtsprecher Thorsten Raedlein das Extremwetterereignis im Februar: "Realistisch betrachtet kann man sich darauf aber auch nicht vorbereiten. Was war letztes Mal das Problem? Es gab schlichtweg zu viel Schnee in kurzer Zeit. Wäre die gleiche Menge Schnee nicht innerhalb von ein, zwei Tagen, sondern im Verlauf einer Woche heruntergekommen, wäre das kein Problem gewesen. So war es aber schlichtweg nicht möglich die Straßen frei zu halten." Auf einen normalen Winter sei die Stadt vorbereitet. Aber auch da könne nicht jede Straße gleichzeitig bedient werden. "Dafür gibt es ja die priorisierte Räumung. Was uns übrigens sehr gefreut hat, war das Verständnis der großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger für die Situation – deren Meinung liest man leider nur selten. Und natürlich waren wir dankbar für die Hilfe der Landwirte oder freiwilligen Helferteams – insbesondere in den Ortsteilen", so Raedlein abschließend.

In der Innenstadt von Wolfenbüttel lag eine dicke Lage Schnee.
In der Innenstadt von Wolfenbüttel lag eine dicke Lage Schnee. Foto: Niklas Eppert




Das hat die Stadt Wolfenbüttel zur Verfügung


Im Salzlager, das eine Kapazität von 360 Tonnen hat, lagern derzeit etwa 310 Tonnen Steinsalz. Für den Winterdienst im Bereich der Zuständigkeit der Stadt Wolfenbüttel stehen 80 Mitarbeiter in mehreren Gruppen bereit. Zum Fuhrpark gehören drei Großfahrzeuge mit Schneepflug und Feuchtsalzstreuer, zwei Spezialgeräteträger, fünf Schlepper die auf Fuß- und Radwegen eingesetzt werden und mehrere Handkolonnen.

Helmstedt sieht durchaus Verbesserungspotenzial


"Man kann sich nicht auf jedes mögliche Unwetter bis ins kleinste Detail vorbereiten. Dies würde die finanziellen Möglichkeiten sprengen", leitet Martine Hartmann, Sprecherin der Stadt Helmstedt, ein. Aufgrund der Lage im Februar sei man jedoch zur Erkenntnis gekommen, dass es klare Regelungen für den Abtransport von Schnee aus engen Straßen heraus brauche, damit diese, wenn auch eingeschränkt, befahrbar bleiben. Weiterhin wolle man die Absprachen mit den Dienstleistern optimieren, doch auch an der Fahrzeugfront gebe es laut Hartmann etwas neues: "Die Gerätschaft auf unserem städtischen Betriebshof wurde modernisiert. Durch den Kauf eines neuen Traktors steht ein weiteres Räumgerät zur Verfügung. Streusalz ist ausreichend vorhanden. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es nicht zielführend ist, bei Extremschneefällen zu streuen. Das Salz würde zusammen mit dem Schnee zur Seite geschoben und es hätte keine Wirkung mehr. Auf dem städtischen Betriebshof stehen neun Kraftfahrer und rund 23 Handreiniger zur Verfügung, die gegebenenfalls zeitnah eingesetzt werden können.

Die Städte Wolfsburg und Gifhorn haben auf unsere Anfrage bislang nicht geantwortet.


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