Wolfenbüttel: NPD will auf dem Stadtmarkt eine Kundgebung abhalten - Stadt Wolfenbüttel sieht die öffentliche Sicherheit gefährdet und lehnt ab - Pink will verfassungsfeindlichen Organisationen keine Grundlage bieten

von Marc Angerstein


| Foto: Anke Donner



Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) plant am kommenden Montag um 15 Uhr auf dem Wolfenbütteler Stadtmarkt eine Kundgebung abzuhalten, um nach eigenen Angaben "über die Überfrem­dungsprob­lematik nieder­säch­sischer Großstädte und den Euro-Wahnsinn aufzuklären." Täglich wolle man zwei verschiedene Städte anfahren, "um die Menschen im Landtags­wahl­kampf wachzurütteln", darunter auch Braunschweig und Salzgitter. Beide Städte reagierten auf die geplante Kundgebung bereits mit einem ablehnenden Bescheid, auf die durch die Partei angefragte Genehmigung. Und auch in Wolfenbüttel stößt die NPD auf Widerstand.

"Die Stadt Wolfenbüttel wird eine Kundgebung auf dem Stadtmarkt nicht genehmigen", teilt Pressesprecher Olaf Danell auf Anfrage unserer Online-Tageszeitung mit. Als Gründe führt er neben dem sich im Wolfenbütteler Rathaus befindlichen Briefwahlbüro, welches sich für "politische Bühnen jeglicher Art" in einer Bannmeile befinde und der an diesem Tag zeitgleich und an selbem Ort stattfindenden Sternensinger-Aktion, wobei man "die Kinder vor derartigen Veranstaltungen schützen" müsse, auch die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung an.

Bürgermeister Thomas Pink greift zu scharfen Worten und erklärt, "dass die Stadt hier alle juristischen und bürgerschaftlichen Mittel und Wege ausnutzen wird, um dem Treiben verfassungsfeindlicher Organisationen hier in Wolfenbüttel keine Grundlage zu bieten.“

Patrick Kallweit, Pressesprecher der NPD in Niedersachsen, kündigt an, dass seine Partei einen negativen Bescheid gerichtlich prüfen lassen werde und Klage erhebt. "Ich bin kein Jurist und kann die Gründe nicht bewerten, aber es sind die üblichen Methoden. Die Masche kennen wir", erzählt er gegenüber WolfenbüttelHeute.de. Sollte das Verwaltungsgericht die Auffassung der Stadt Wolfenbüttel teilen, so wäre "in letzter Instanz" noch die Zuweisung eines Ausweichplatzes für Kallweits Partei möglich.

Das Verwaltungsgericht Braunschweig teilte auf Nachfrage mit, dass bis zum jetzigen Zeitpunkt (12.30 Uhr) noch kein Eilantrag für die geplante Kundgebung in Wolfenbüttel eingegangen sei. Harald Meyer, Sprecher des Verwaltungsgerichts, erläutert das Prozedere des Eildienstes. Für einen Eingang nach Dienstschluss des Amtes, werde der Anruf an die Polizei weitergeleitet, die wiederum die zuständigen Kammermitglieder informiere, so dass es rechtzeitig zu einem Beschluss kommen kann. Im vorliegenden Falle von Wolfenbüttel sei aber auch eine Beratung und Entscheidung am Montag vormittag noch möglich.

"Eine Kundgebung bedarf keiner Genehmigung, sie muss lediglich angezeigt werden. Eine Veranstaltung kann von der Stadt untersagt werden oder aber mit Auflagen versehen werden," erklärt der Sprecher des Verwaltungsgerichtes. Als Vergleich schildert Meyer den Hergang einer ebenfalls geplanten Kundgebung der NPD auf dem Braunschweiger Burgplatz, die bereits Montag vormittag stattfinden soll. Die Stadt Braunschweig habe in ihrem gestrigen Bescheid die Veranstaltung für den Burgplatz untersagt und als Ausweichort einen Platz in der Nähe des Bahnhofs vorgeschlagen, so Harald Meyer. Daraufhin sei heute morgen ein Eilantrag beim Gericht eingegangen, der zur Zeit noch beraten werde, führt Harald Meyer weiter aus.
Offizielle Pressemitteilung der Stadt Wolfenbüttel - 4. Januar 2013, 13 Uhr -

„Stadt untersagt NPD Nutzung des Stadtmarktes. Die Verwaltung hat heute der NPD die Nutzung des Wolfenbütteler Stadtmarktes für eine Versammlung am kommenden Montag, 7. Januar 2013 verweigert. Nach ausführlicher und sehr detaillierter Abwägung – insbesondere vor dem hohen Rang des Rechtsgutes der Versammlungsfreiheit – geht die Verwaltung als zuständige Versammlungsbehörde bei ihrer juristischen Prüfung davon aus, dass mit der beantragten Versammlung die öffentliche Sicherheit gefährdet und sowohl individuelle wie auch gemeinschaftliche Schutzgüter verletzt werden.

Am selben Tage sind traditionell die „Sternensinger“ zu Besuch im Wolfenbütteler Rathaus, um zum Jahresbeginn ein Zeichen weltlicher und religiöser Offenheit und Toleranz zu setzen, und aus Sicht der Verwaltung ist es nicht hinnehmbar, dass zeitgleich dieser zentrale Platz vor dem Wolfenbütteler Rathaus als Plattform für politische Veranstaltungen missbraucht wird. Zudem befindet sich im Rathaus das öffentliche Briefwahlbüro für die am 20. Januar in Niedersachsen stattfindende Landtagswahl, womit die beantragte Lokalität unter die gesetzliche Bannmeilenreglung fällt. Bürgermeister Thomas Pink erklärt unmissverständlich, dass die Stadt hier alle juristischen und bürgerschaftlichen Mittel und Wege ausnutzen wird, um dem Treiben verfassungsfeindlicher Organisationen hier in Wolfenbüttel keine Grundlage zu bieten.“

Gegen 14.30 Uhr erreichte uns die Nachricht, dass ein Eilantrag der NPD beim Verwaltungsgericht Braunschweig eingegangen sei. "Er soll heute noch entschieden werden," teilte Sprecher Harald Meyer unserer Redaktion mit.

Reaktionen der Wolfenbütteler Politiker


Der Landtagsabgeordnete der Partei DIE LINKE Victor Perli hat sich bereits in einer öffentlichen Stellungnahme zu Wort gemeldet und eine überparteiliche friedliche Eilversammlung unter dem Motto "Wolfenbüttel ist bunt statt braun - kein Platz für Nazis" initiert. Im Rahmen dieser Versammlung soll es auch einen Demonstrationszug durch die Wolfenbütteler Innenstadt geben. Weitere Details hierzu sollen nach der Genehmigung folgen.

Seine Pressemitteilung veröffentlichen wir hier:
Sehr geehrte Damen und Herren,

heute ist bekannt geworden, dass die NPD am kommenden Montag eine Kundgebung auf dem Wolfenbütteler Stadtmarkt durchführen will. Die Stadt hat die Kundgebung aus rechtlichen Gründen untersagt. Das ist sehr zu begrüßen. Allerdings ist damit zu rechnen, dass die NPD das Verwaltungsgericht anrufen wird, um den Standort am Stadtmarkt oder ggf. einen Alternativort durchzusetzen.

Um sicherzustellen, dass alle Demokraten im Fall der Fälle friedlich gegen den Auftritt von Neonazis in Wolfenbüttel demonstrieren können, habe ich in Absprache mit Vertretern einiger Organisationen für Montagnachmittag vorsorglich eine überparteiliche Eilversammlung unter dem Motto “Wolfenbüttel ist bunt statt braun – kein Platz für Nazis” vor dem Bankhaus Seeliger angemeldet. Im Rahmen der Versammlung soll es auch einen Demonstrationszug durch die Innenstadt geben.

Der Beginn der Versammlung wird nach Eingang der Genehmigung mitgeteilt.

Mit freundlichen Grüßen, Victor Perli

Die Nachfrage unserer Redaktion bei den Fraktionsspitzen aus dem Stadtrat ergab, dass die Entscheidung der Verwaltung zur Untersagung der geplanten Kundgebung einstimmig begrüßt wird. Markus Brix (Die Grünen) erklärte, "im Zweifelsfall, falls die Kundgebung doch stattfinden sollte, bemühen wir uns, kurzfristig zu mobilisieren. Wir werden zeigen, dass wir nichts von solchen Inhalten halten." Er äußerte zugleich Bedenken, "wie gut uns das an einem Wochentag gelingen wird, müssen wir dann sehen." Christoph Helm (CDU) machte deutlich, dass man nicht gewillt sei, "der NPD irgendein Forum zu bieten , wir haben nicht den geringsten Raum für die Rechtsradikalen." Notfalls komme es zu einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren. "Das nehmen wir in Kauf, das muss dann eben durchgefochten werden," so der CDU-Fraktionsvorsitzende. Ralf Achilles (SPD) unterstrich das Verbot der Stadt, man dürfe diese Leute "nicht in unseren öffentlichen Bereichen Werbung machen lassen." Vor allem müsse endlich das Verbotsverfahren vorankommen, "damit das ganze ein Ende hat." Werner Heise (Piraten) mahnte an, "dass wir aufpassen sollten, Ihnen nicht eine größere Plattform zu geben, als es die NPD wert ist."

Florian Röpke, der parteilos für Die Linke im Stadtrat sitzt, bezeichnete die geplante Kundgebung als "reine Provokation und ein Buhlen um Aufmerksamkeit". Egal, was jetzt passiere, "die Leute erfahren durch die Regionalpresse: ach ja, die gibt es auch noch." Er appelliere für das NPD-Verbotsverfahren, denn solange die Partei nicht verboten sei, "genieße sie die Vorteile des Rechtsstaates." Darum habe man die schwierige Situation, "dass man die Meinungsfreiheit nicht einschränken dürfe." Röpke betonte, es sei daher "wichtig und schön, wenn so viele wie möglich Wolfenbüttler sich dagegen stellen." Der Ratsabgeordnete hatte sich im Internet über die Präsenz der NPD in der Region informiert. "Grundsätzlich sind sie in Wolfenbüttel schwach, eigentlich nicht existent. Das Gleiche gilt auch für Braunschweig, da waren letztes Jahr auf dem Burgplatz gerade mal ein Dutzend Leute." In Vienenburg und Helmstedt sehe es allerdings etwas anders aus.

Rudolf Ordon, FDP-Vertreter im Stadtrat, den wir telefonisch nicht erreicht haben, teilte gegen 18 Uhr in einer schriftlichen Stellungnahme mit:
Es ist ein ausgesprochenes Ärgernis, dass dieser braune Bodensatz, den es offensichtlich nicht nur in Deutschland gibt, auf dem Stadtmarkt demonstrieren will. Nach meiner Einschätzung geht es dieser Gruppierung aufgrund ihrer politischen Bedeutungslosigkeit vor allem darum, die Öffentlichkeit zu provozieren und Aufmerksamkeit zu erregen. Es geht bei dieser Veranstaltung nicht um Inhalte. Ich habe Verständnis für das vom Bürgermeister ausgesprochene Verbot. Für politisch klüger hielte ich es, diese Kundgebung zu ignorieren und ins Leere laufen zu lassen.


In einer Telefonumfrage unserer Redaktion äußerten sich die Landtagskandidaten des Wahlkreises 9 ebenfalls zur geplanten Kundgebung der NPD. Falk Hensel (SPD) spricht sich "für den öffentlichen Frieden und gegen jegliche Veranstaltungen rassistischer Art" aus. Es müsse "Farbe bekannt werden", fordert der SPD-Kandidat und beklagt die mediale Aufmerksamkeit, die eine Partei aufwerte, "die es gar nicht wert ist." Arne Hattendorf (Piraten) berichtet, er sei lange Zeit der Meinung gewesen, "den Rechten müsse man mit normalen demokratischen Mitteln entgegentreten." Die NPD sei noch nicht verboten und habe gewisse Rechte. "Das muss ich akzeptieren. Aber dieselben Rechte gelten auch für mich selbst." Man müsse Präsenz zeigen, aufstehen und auf die Straße gehen. Er werde über die piratentypischen Kanäle versuchen, Leute zu mobilisieren, um zu zeigen, "dass es sich bei der NPD um eine verschwindende Minderheit handle." Björn Försterling (FDP) sieht das Vorgehen der Stadt "gerechtfertigt und notwendig". Ziel müsse es sein, die NPD-Kundgebung zu verhindern. "Ich gehe davon aus, dass es breiten Widerstand geben wird und man der NPD zeigt, dass sie hier nicht gewünscht ist." Bertold Brücher (Die Grünen) sagte: "Ich bin beschämt und hoffe, dass das Verbot der Stadt standhält." Es seien alle Demokraten gemeinsam gefordert, zu sagen: "Wir wollen hier in Wolfenbüttel keine NPD." Man werde auf den morgigen Wahlinfoständen darauf aufmerksam machen, entsprechendes Infomaterial auslegen und versuchen, mit den Menschen darüber ins Gespräch zu kommen. Als ehrenamtlicher Kreisvorsitzender des Gewerkschaftsbundes DGB äußerte er zudem: "ein breites Bündnis wäre schön." Frank Oesterhelweg (CDU) bringt es kurz und knackig auf den Punkt: "Die braune Truppe hat in Wolfenbüttel nichts zu suchen. Ich kann mit Nazis genauso wenig anfangen wie mit Kommunisten." Man müsse mit allen versuchen, diese Kundgebung zu verhindern, "oder zu behindern, wenn sie denn doch genehmigt wird."

Das sagt der "Erinnerer" Jürgen Kumlehn


Jürgen Kumlehn lebt seit 1970 im Landkreis, brachte die Stolpersteine nach Wolfenbüttel und schrieb Bücher über die NS-Vergangenheit Wolfenbüttels. Der selbsternannte "Erinnerer" ruft zum Protest auf: "Kommt alle zusammen und blockiert die Eingänge zum Stadtmarkt". Kumlehn erfuhr durch unsere Online-Zeitung von der geplanten Kundgebung. In einem Telefoninterview mit unserer Redaktion äußert er sich:
"Ich kämpfe seit ihrer Gründung in den 60er Jahren gegen die NPD. Solche Kundgebungen müssen verhindert werden. Wir leben aber auch in einem Rechtsstaat, wo jeder Mensch das Recht hat, Veranstaltungen abzuhalten. Und diese Menschen leben hier, auch in Wolfenbüttel. Ich bin nicht dafür, dass die Partei verboten wird und einfach neue Organisationen gründet. Sie muss in jedweder Weise in ihren Aktivitäten behindert werden, damit sie keine Erfolge haben können und finanziell ausbluten."


Weitere Reaktionen


Und auch der CDU-Stadtverband Wolfenbüttel bezog durch seinen Vorsitzenden Eckbert Schulze um 17.30 Uhr per Pressemitteilung Stellung, welche wir an dieser Stelle veröffentlichen.
CDU gegen NPD Kundgebung

Die CDU Wolfenbüttel steht ohne wenn und aber hinter der Absicht des Bürgermeisters Thomas Pink die Kundgebung der NPD in Wolfenbüttel zu untersagen und begrüßt dessen konsequente Linie. Unsere Stadt braucht keine ewig gestrigen und dazu noch fremdenfeindlichen Parolen in ihren Mauern. Wir sind stolz auf das friedliche Miteinander der verschiedensten Bevölkerungsgruppen und lassen dieses nicht durch eine dumpfe und verabscheuungswürdige Propaganda in Frage stellen. Auch wenn das Treiben dieser Politikgruppierung derzeit noch erlaubt ist, entspricht es in keiner Form den Ansprüchen und Parametern die wir an eine demokratische Partei stellen.
Falls es wider Erwarten doch zu einer Erlaubnis für diese Demonstration kommt fordern wir alle Demokraten dieser Stadt auf in einem gemeinsamen Schulterschluss dagegen zu protestieren und zu zeigen, dass wir von diesen unsäglichen Parolen dieser gestrigen Gruppierung nichts aber auch rein gar nichts halten.


Um 23.15 Uhr gab Frank Oesterhelweg in Funktion als CDU-Landesvorsitzender die folgende Pressemitteilung heraus:

Entschieden gegen Extremisten von rechts und links
CDU-Landesvorsitzender Oesterhelweg: „Nazis haben hier nichts verloren!“


Braunschweig/Wolfenbüttel. Mit Nachdruck unterstützt der CDU-Landesvorsitzende Frank Oesterhelweg die Initiativen zur Verhinderung von öffentlichen Kundgebungen der Rechtsextremisten in unserer Region.

„Ich freue mich sehr, dass unsere Kommunalverwaltungen in Braunschweig, Salzgitter und Wolfenbüttel die entsprechenden Anträge abgelehnt haben – das Treiben dieser antidemokratischen Verfassungsfeinde ist mit allen Mitteln des Rechtsstaates zu verhindern“, begrüßt Frank Oesterhelweg MdL die breite Gegenwehr gegen den Auftritt der Rechtsextremisten.

Er unterstütze als Landesvorsitzender der CDU ausdrücklich die Initiativen und geplanten Gegendemonstrationen der Parteien des demokratischen Spektrums sowie der Gewerkschaften und anderer Bürgerinitiativen vor Ort.

Oesterhelweg betonte, dass er sich eine Genehmigung bspw. für den Stadtmarkt in Wolfenbüttel nicht vorstellen könne. „In unmittelbarer Nähe des Rathauses und des dortigen Briefwahllokals geht so etwas gar nicht. Wenn Gerichte das genehmigen sollten, dann hätte das mit gesundem Menschenverstand eher wenig zu tun und brächte mein Rechtsverständnis arg durcheinander“, so der Landtagsabgeordnete weiter.

„Wenn es doch eine Genehmigung geben sollte, gilt es die braune Truppe zu behindern. Diese Strolche haben in unserer Region nichts zu suchen. Wir brauchen diese Typen hier genauso wenig wie die Linksextremisten!“, erklärt Oesterhelweg abschließend.


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