Nein zur Fusion mit Helmstedt – ja zur Region

von Thorsten Raedlein




Wolfenbüttel. Mit einer einstimmig verabschiedeten Handlungsempfehlung setzt der Rat der Stadt Wolfenbüttel in seiner Sondersitzung am Mittwoch ein eindeutiges Zeichen in Sachen Fusionsdebatte in Richtung Landkreis. Darin wird eine Einzel-Fusion mit dem Kreis Helmstedt kategorisch abgelehnt. Dafür bekennt sich die Stadt einhellig zur Region.

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Thomas Pink. Foto: Thorsten Raedlein



Wolfenbüttel könne, so Bürgermeister Thomas Pink, selbstbewusst behaupten, eine „starke Stadt in einer starken Region“ zu sein. Mit der gemeinsam von allen Fraktionen erarbeiteten Handlungsempfehlung könne daher ebenso selbstbewusst gegenüber Landkreis und Land auftreten. Er sei weiterhin ein Freund der verfassten Region. Braunschweigs Rolle als Oberzentrum sei dabei unangefochten. Als Leuchtturmprojekt könne als Zwischenschritt zur Gesamtregion erst einmal eine kleine Region mit dem Oberzentrum Braunschweig und den Landkreisen Peine und Wolfenbüttel gegründet werden. Dann, so Pink in aller Deutlichkeit, könne auch über die Aufnahme des wirtschaftlich schwachen Kreises Helmstedt nachgedacht werden. Eine Einzelfusion mit dem Kreis Helmstedt könne der Kreis Wolfenbüttel wirtschaftlich nicht verkraften.

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Stefan Brix. Foto: privat



Die Region als Ziel der Fusionsgedanken wird von allen Fraktionen im Rat gesehen. "Nur mit der Region kommen wir voran", betonte zum Beispiel Stefan Brix (GRÜNE). Zum einen biete die Region eine bessere Wahrnehmung nach außen, zum anderen seien viele Dinge in einer Region einfacher zu leisten – als Beispiel nannte er die Schulentwicklung.


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Prof. Dr. Christoph Helm, Foto: Thorsten Raedlein



Professor Dr. Christoph Helm (CDU) sieht in der möglichen Umsetzung einer "kleinen Region mit Peine und Braunschweig" auch die Chance, für andere Partner ein Signal zu geben. "Das wird Ausstrahlung haben", ist er sich sicher. Wichtig sei zudem, den Zeitdruck aus der Diskussion zu nehmen. Bis 2021 würde eine vernünftige Fusionsplanung dauern.

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Florian Röpke. Foto: Privat



Florian Röpke (LINKE/BÜNDNIS) regte an, die Bürger direkt entscheiden zu lassen, ob sie eine Region wünschten, oder nicht. Ein entsprechendes Positionspapier habe seine Partei ja schon erarbeitet. Gleichwohl finde sich die LINKE auch in der Handlungsempfehlung wieder.

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Rudolf Ordon. Foto: privat



Auch Rudolf Ordon (FDP/PIRATEN) mahnte an, die Bürger emotional in der Diskussion mitzunehmen. Gerade die Handlungsempfehlung der Stadt bilde den Auftakt für die Diskussion. Fusionen um jeden Preis sollte es in seinen Augen allerdings nicht geben.

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Ralf Achilles. Foto: Marc Angerstein



Ralf Achilles (SPD) widersprach Ordons letztem Einwurf. "Die Reform muss angestoßen werden, da sind wir in der Pflicht, für die Bürger Sorge zu tragen", betonte er. Die SPD habe schon seit Jahren die Region gefordert. Nun gelte es die Grenzen in den Köpfen zu durchbrechen und offen für alle sein, die sich an der Region beteiligen wollen.


Die Handlungsempfehlung im Wortlaut


Handlungsbedarf

1. Die Stadt Wolfenbüttel erkennt angesichts der demografischen Entwicklung, der gegenwärtigen und perspektivisch unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der Kommunen sowie weiterer Entwicklungsparameter einen zumindest regionalen Bedarf einer Gebiets- und Verwaltungsstrukturreform sowohl auf Ebene der kreisfreien Städte und Landkreise als auch auf der Ebene der kreisangehörigen Gemeinden in Niedersachsen, insbesondere im südöstlichen Raum, grundsätzlich an.

Freiwilligkeit

2. Die Stadt Wolfenbüttel begrüßt den im Koalitionsvertrag der die Nds. Landesregierung tragenden Parteien verankerten Grundsatz der Freiwilligkeit bei der Veränderung von derzeit bestehenden kommunalen Strukturen. Es besteht insoweit die klare Erwartungshaltung, dass kommunale Gebiets- und Strukturreformen zunächst nur im Einvernehmen aller betroffenen Gebietskörperschaften realisiert werden.

Ausgewogenheit

3. Das Ziel gebietlicher und struktureller Änderungen muss stets und uneingeschränkt eine Verbesserung der jeweiligen Situation und Leistungsfähigkeit der betroffenen Kommunen sein. Dies bedingt einen fairen Interessenausgleich, der sich an der Gleichwertigkeit der kommunalen Gebietskörperschaften ausrichtet. Eine Gebiets- und/oder Strukturreform, die sich ausschließlich oder überwiegend an den Interessen der als Oberzentren fungierenden kreisfreien Städte orientiert, wird strikt abgelehnt. Vielmehr muss im Ergebnis ein ausgewogenes Stärkeverhältnis zwischen den Kommunen gewährleistet werden, um die Herausforderungen der künftigen Entwicklung nachhaltig meistern zu können.

Partikularität

4. Im Falle der gebietlichen Veränderung von Landkreisen sind die kreisangehörigen Städte und Gemeinden von Beginn an in den Beratungs- und Entscheidungsprozess einzubeziehen.

Bürgerbeteiligung

5. Die Stadt Wolfenbüttel erwartet eine umfassende Information und Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der Beratung über die Veränderung kommunaler Strukturen, insbesondere auch in den Fällen, in denen diese Beteiligung gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben ist. Der Landkreis Wolfenbüttel wird aufgefordert, vor einer abschließenden Entscheidung des Kreistages über gebietliche und strukturelle Reformen eine Bürgerbeteiligung in geeigneter Form durchzuführen und die Ergebnisse dieser Beteiligung im Rahmen der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.

Transparente Begutachtung

6. Für den Beratungs- und Entscheidungsprozess über gebietliche oder strukturelle Veränderungen sind sämtliche relevante Informationen (Bevölkerungsentwicklung, finanzielle Situation, künftige Leistungsfähigkeit etc.) zu bündeln, zu prüfen und in einem transparenten Verfahren mit Blick auf die angestrebte Stärkung der betroffenen Kommunen auszuwerten. Als Grundlage des Beratungs- und Entscheidungsprozesses sind ausschließlich sachliche Kriterien heranzuziehen, die geeignet sind, eine Verbesserung der kommunalen Strukturen und Leistungsfähigkeit zu erzielen. Parteipolitische Interessen dürfen angesichts der Bedeutung und Tragweite von Gebiets- und/oder Verwaltungsstrukturreformen nicht maßgebend sein.

Unterstützung durch den Gewährsträger Land

7. Das Land Niedersachsen unterstützt in einer moderierenden Rolle die Beratungsprozesse auf der kommunalen Ebene. Gebietliche und/oder strukturelle Veränderungen werden durch das Land finanziell gefördert, wobei diese Förderung nachhaltig sein und damit im Einzelfall über eine einmalige Entschuldungshilfe hinausgehen muss. Die Finanzausstattung der Kommunen muss nach einer durchgeführten Strukturreform dauerhaft so auskömmlich erfolgen, dass neben der Erfüllung von gesetzlichen Pflichtaufgaben auch ein ausreichend großer Handlungsspielraum für die Erbringung von freiwilligen Aufgaben, die das Gemeinwesen in besonderer Weise prägen, gewährleistet ist. Soweit gebotene Veränderungen auf freiwilliger Basis im Einvernehmen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften nicht zustande kommen, wird das Land aufgefordert, federführend eine Reform der Kommunalstrukturen durchzuführen, die spätestens im Jahr 2021 abgeschlossen sein sollte.

Dienstleistungsorientierte Gebiets- und Verwaltungsstrukturreform

8. Die Stadt Wolfenbüttel tritt für eine kraftvolle Strukturreform der Kommunalverwaltung im südostniedersächsischen Raum ein. Diese muss sich an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger ausrichten, die eine zeitgemäß dienstleistungsorientierte, bürgernahe, effiziente und möglichst kostengünstige Erfüllung der Aufgaben durch die Verwaltungen auf der kommunalen Ebene erwarten. Dieses Ziel ist nur durch eine umfassende Neugliederung zu erreichen, die im Ergebnis zur Bildung einer Region führt. Diese Region muss letztlich die Kommunen im Gebiet des heutigen Zweckverbandes Großraum Braunschweig (ZGB) umfassen. Soweit die vollumfängliche Lösung einer Regionsbildung nicht unmittelbar erreicht werden kann, werden Teilschritte, die dieses Ziel fördern, unterstützt. Umgekehrt müssen alle Teilschritte sorgfältig daraufhin geprüft werden, ob sie eine Behinderung des angestrebten Ziels darstellen. Die alleinige Fusion der Landkreise Wolfenbüttel und Helmstedt wird nicht als ein zielführender Schritt betrachtet und daher abgelehnt. Wenn zunächst ein Teilschritt vollzogen werden soll, spricht sich die Stadt Wolfenbüttel dafür aus, die Landkreise Wolfenbüttel und Peine mit der dem Oberzentrum Braunschweig zu verzahnen, um durch die Verbindung zweier Landkreise und einer kreisfreien Stadt unterschiedliche kommunale Handlungspartner mit entsprechender Verwaltungs- und Finanzkraft zusammenzuführen, die als „Zugpferd“ des weiteren Prozesses hin zu einer Regionslösung fungieren können.

Einbeziehung aller Akteure / Einstieg in eine Funktionalreform

9. Mit Bezug auf die Zielsetzung des Punktes 8 erwartet die Stadt Wolfenbüttel, dass der Landkreis Wolfenbüttel mit allen potentiellen kommunalen Partnern in der Region über gebietliche und/oder strukturelle Änderungen berät und im Rahmen einer Gesamtabwägung entscheidet. Im Zuge dieses Beratungs- und Entscheidungsprozesses ist eine stringente Neugliederung der Aufgaben vorzunehmen (Funktionalreform), durch die gewährleistet wird, dass die Dienstleistungen künftig so umfassend wie möglich bürgernah vor Ort angeboten sowie Aufgaben von überörtlicher Bedeutung in der neuen Struktur gebündelt und in gemeinsamer Verantwortung für die gesamte Region wahrgenommen werden.

Berücksichtigung der Kreisstadt

10. Als stärkstes Mittelzentrum in der Region ist im Falle einer ausschließlichen gebietlichen Veränderung auf der Kreisebene der Sitz der Kreisverwaltung auch künftig in der Stadt Wolfenbüttel vorzuhalten.


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